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UnternehmenssteuerungKennzahlen im Autohaus (Teil 2): Bilanzkennzahlen richtig interpretieren und nutzen

Abo-Inhalt14.05.20256058 Min. LesedauerVon Dr. Werner Koller, freiberuflicher Unternehmer und Dozent zum Thema Nachhaltigkeitsmanagement

| Kennzahlen sind in Unternehmen die zentralen Größen für Führungsentscheidungen. Gerade in einem so komplexen Geschäftsmodell wie dem Automobilhandel entsteht eine Vielzahl von Daten, die mehr oder weniger geeignet sind, den Status des Unternehmens zu einem bestimmten Thema darzustellen – z. B. Eigenkapital, Liquidität, Lagerumschlag, aber auch Fluktuation und Kundenzufriedenheit. In einer sechsteiligen Beitragsserie erklärt ASR, wie Autohäuser Kennzahlen richtig interpretieren und für sich nutzen können. Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Bilanzkennzahlen. |

Bilanzkennzahlen: Entscheidend für die Autohaus-Führung

Grundlegend für die Führung eines Autohauses mit Kennzahlen sind die Informationen aus dem Jahresabschluss, der die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung sowie – nicht verpflichtend – die Kapitalflussrechnung und einen Anhang umfasst. Diese Daten werten häufig auch externe Adressaten wie Banken, Hersteller, Großkunden und Lieferanten aus, um sich ein Bild von der Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zu machen.

Da der Jahresabschluss nebst den wesentlichen gesellschaftsrechtlichen Gegebenheiten nach Publizitätsgesetz für Kapitalgesellschaften nach Größenordnung gestaffelt im Bundesanzeiger zu veröffentlichen ist, bildet er auch die Grundlage für das Kreditscoring bspw. der Schufa.

Horizontale und vertikale Bilanzkennzahlen

Die Bilanzkennzahlen lassen sich nach vertikalen und horizontalen Bilanzkennzahlen unterscheiden.

Die Aussagekraft vertikaler Bilanzkennzahlen

Bei vertikalen Bilanzkennzahlen werden Posten der Aktiva oder der Passiva zueinander in Beziehung gesetzt. Mit horizontalen Bilanzkennzahlen wird ein Verhältnis zwischen einzelnen Aktiva- und Passiva-Posten hergestellt.

Dabei unterteilen sich die Bilanzkennzahlen in verschiedene Rubriken. Vertikal ist die Analyse der Kapitalstruktur möglich. Die wichtigsten Kennzahlen hierfür sind Eigenkapitalquote, Fremdkapitalquote und der Verschuldungsgrad. Außerdem kann die Vermögensstruktur analysiert werden. Hierzu dienen vor allem die Kennzahlen Anlageintensität und Umlaufintensität.

Die Aussagekraft horizontaler Bilanzkennzahlen

Auf der horizontalen Seite können Aussagen über die generelle und zukünftige Zahlungsfähigkeit des Unternehmens getroffen werden. Hierfür sind die wichtigsten Kennzahlen die Deckungs- und Liquiditätsgrade sowie das Working Capital. Da sie die finanzielle Stabilität eines Unternehmens analysieren, spricht man bei den horizontalen Kennzahlen auch von Liquiditätskennzahlen.

Bilanzkennzahlen.eps (Bild: Koller, IWW)
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Bild: Koller, IWW

Die acht wichtigsten Bilanzkennzahlen im Autohaus

Die genannten Kennzahlen, ihre Berechnung sowie die Durchschnitts- und Benchmarkwerte zur Beurteilung eines Automobilhandelsunternehmens werden im Folgenden genauer betrachtet.

1. Eigenkapitalquote

Die Eigenkapitalquote setzt das bilanzielle Eigenkapital (inkl. eigenkapitalähnlichen Finanzierungsinstrumenten wie etwa Mezzanine oder Gesellschafterdarlehen mit Rangrücktritt) ins Verhältnis zur Bilanzsumme. Ein Autohaus mit einer hohen Eigenkapitalquote kann sich sehr gut selbst finanzieren. Der Durchschnittswert im Automobilhandel liegt bei 17 Prozent, der Benchmark (die besten zehn Prozent aller Autohäuser) bei etwa 30 Prozent.

2. Rentabilität Eigenkapital

Die Eigenkapitalrentabilität setzt den Jahresüberschuss ins Verhältnis zum bilanziellen Eigenkapital. Der Durchschnittswert liegt bei etwa zehn Prozent, der Benchmark bei 16 Prozent. Die Eigenkapitalrentabilität kann aber auch bei einer sehr niedrigen Eigenkapitalquote sehr hoch werden. Man sollte das Eigenkapital also immer in seiner Zusammensetzung ansehen, um die Kennzahl korrekt im Sinne der finanziellen Robustheit des Autohauses zu interpretieren.

3. Statistischer Verschuldungsgrad

Der statistische Verschuldungsgrad stellt eine Relation zwischen Eigenkapital und Fremdkapital her und gibt Auskunft über die Finanzierungsstruktur des Autohauses: Je höher sein Verschuldungsgrad ist, desto abhängiger ist es von externen Geldgebern. Als insolvenzrisikoarm gilt, wessen statistischer Verschuldungsgrad nicht mehr als 300 Prozent beträgt.

4. Rentabilität Gesamtkapital/Return on Investment (RoI)

Die Gesamtkapitalrentabilität gibt an, wie hoch der Erfolg einer Investition ist. Demzufolge wird das gesamte Kapital, also die Bilanzsumme, dem Jahresüberschuss gegenübergestellt. Der Wert sollte nicht unter acht Prozent liegen, der Benchmarkbereich beginnt bei etwa zwölf Prozent.

5. Anlagenintensität

Die Anlagenintensität setzt das Anlagevermögen eines Autohauses in Beziehung zum Gesamtvermögen. Ein Autohaus gilt als umso liquider, je geringer das Anlagevermögen ausfällt. Jedoch sollte die Anlagenintensität auch nicht zu gering ausfallen, da sonst die Anlagen veraltet sein könnten und das Autohaus möglicherweise zu wenig in die Modernisierung der Betriebsausstattung investiert hat oder Ersatzinvestitionen aufschiebt und von der Substanz lebt.

Wichtig | Sofern ein Autohaus die Betriebsimmobilien im Rahmen einer Betriebsaufspaltung in eine Besitzgesellschaft ausgelagert hat, sollte die Anlagenintensität etwa bei 25 Prozent liegen. Inkl. des Immobilienwerts kann das Anlagevermögen durchaus auch die Hälfte des investierten Kapitals ausmachen.

6. Deckungsgrade

Mithilfe des Deckungsgrads I lässt sich analysieren, inwieweit das Anlagevermögen durch Eigenkapital gedeckt ist. Der Deckungsgrad I gibt daher auch über die Kreditwürdigkeit eines Autohauses Auskunft. Für die Berechnung wird das Eigenkapital dem Anlagevermögen gegenübergestellt. Grundsätzlich sollte der Deckungsgrad I mindestens 100 Prozent betragen. In der Praxis liegt er im Durchschnitt etwa bei 70 Prozent.

Der Deckungsgrad II erweitert die Betrachtung um langfristiges Fremdkapital. Je weiter er über 100 Prozent liegt, desto mehr sind Anlage- und Umlaufvermögen durch langfristiges Fremdkapital finanziert. Das entspricht der goldenen Bilanzierungsregel, die besagt, dass langfristiges Vermögen langfristig finanziert sein muss. Für die Berechnung wird das Eigenkapital zzgl. des langfristigen Fremdkapitals dem Anlagevermögen gegenübergestellt.

7. Liquiditätsgrade

Die Liquiditätsgrade lassen Rückschlüsse auf die kurzfristige Finanzierung zu. Man verwendet dazu in der Praxis drei Grade:

  • Liquidität 1. Grades: Bei der Liquidität 1. Grades werden flüssige Mittel wie Bargeld und Kassenbestand ins Verhältnis zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten gesetzt, um die Zahlungsfähigkeit eines Autohauses zu bewerten. Bei einer 100-prozentigen Deckung kann ein Autohaus alle kurzfristigen Verbindlichkeiten allein durch die flüssigen Mittel begleichen. Einen optimalen Richtwert für diesen Liquiditätsgrad gibt es nicht – 10 bis 30 Prozent gelten als normal.
  • Liquidität 2. Grades: Die Liquidität 2. Grades erweitert die Berechnung um alle leicht liquidierbaren Bestandteile des Autohauses. Auch hier wird die goldene Bilanzierungsregel angewendet: Demnach muss das kurzfristige Vermögen mindestens das kurzfristige Kapital decken, sodass die Liquidität 2. Grades über 100 Prozent betragen sollte. Liegt sie unter 100 Prozent, ist die Zahlungsfähigkeit des Autohauses gefährdet. Aber: Das Geschäftsmodell im Autohandel ist stark durch das Vorhalten hoher Fahrzeugbestände und deren Finanzierung geprägt. Daher ist bei ausreichender Umschlagsgeschwindigkeit (Faktor größer acht bzw. durchschnittliche, nicht valutierte Standtage kleiner 60) auch ein Wert unter bzw. zumindest nahe 100 Prozent möglich.
  • Liquidität 3. Grades: Die Liquidität 3. Grades bezieht das komplette bilanzierte Umlaufvermögen ein. So werden etwa auch die Vorräte einbezogen. Als Richtwert sollte die Liquidität 3. Grades 120 Prozent betragen. Ein zu hoher Wert kann entstehen, wenn die Warenbestände oder Forderungen an Kunden (Debitoren) zu hoch sind, die das Kapital binden. Ergibt sich ein Wert von unter 100 Prozent, liegt ein Verstoß gegen die goldene Bilanzierungsregel vor, da dann langfristiges Anlagevermögen kurzfristig finanziert worden wäre.

Wichtig | Bei der Analyse der kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen anhand der Liquiditätsgrade unterscheidet man folglich zwischen drei Abstufungen, die die Liquidität des Autohauses auf lange Sicht (3. Grad), auf mittlere Sicht (2. Grad) bzw. die Barliquidität (1. Grad) eines Autohauses beurteilen.

8. Working Capital

Als Differenz von Umlaufvermögen und kurzfristigen Verbindlichkeiten entspricht das Working Capital dem Teil des Umlaufvermögens eines Unternehmens, der langfristig finanziert ist. Ein hoher Wert spiegelt ein geringes zukünftiges finanzielles Risiko wider. Ein negativer Wert weist hingegen auf einen Verstoß gegen die goldene Bilanzierungsregel hin, da langfristiges Vermögen kurzfristig finanziert worden ist, was Liquiditätsschwierigkeiten für das Autohaus bedeuten kann. Da es sich beim Working Capital um einen absoluten Wert und kein prozentuales Verhältnis handelt, gibt es hierzu keinen gängigen Richtwert.

Praxistipp | In jedem Fall sollten Sie in Ihrem Autohaus darauf achten, dass das Umlaufvermögen die kurzfristigen Verbindlichkeiten übersteigt.

Wie Bilanzkennzahlen am besten zu erfassen sind

Bilanzkennzahlen können mittels Monatsabschluss erfasst werden. Allerdings sind dann Abgrenzungsbuchungen, Abschreibungen, Wertberichtigungen sowie Debitoren und Kreditoren stichtagsgenau zu buchen. Zudem müssen alle Warenbestände und die Verbrauchsgüter wie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe auch außerhalb einer körperlichen Inventur ermittelbar sein. Da dies in der Praxis oft erheblichen Aufwand verursacht, ist im Automobilhandel die quartalsweise Erfassung von Bilanzkennzahlen zu empfehlen.

Weiterführender Hinweis
  • Der nächste Beitrag der Reihe wird sich mit Ertragskennzahlen befassen, die sich insbesondere aus der jährlichen Gewinn- und Verlustrechnung sowie der monatlichen Betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA) ergeben.

AUSGABE: ASR 6/2025, S. 17 · ID: 50415863

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