Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Aug. 2025 abgeschlossen.
BelehrungspflichtAusbildungsstart 2025: Sind Ihre (neuen) Auszubildenden perfekt vorbereitet?
| Schweigepflicht, Umgang mit Fristen, Hilfen im Notfall: Beginnt ein neues Ausbildungsjahr, müssen Anwälte den neuen Azubis genau erklären, wie sich diese auf unterschiedlichen Arbeitsebenen verhalten müssen. Dazu gehört auch, wie mit den digitalen Anwaltspostfächern und Social-Media-Kanälen der Kanzlei umzugehen ist. Unser Beitrag informiert anhand aktueller Rechtsprechung, worüber Sie Ihre Auszubildenden belehren müssen. Nutzen Sie außerdem die AK-Muster für Arbeitsanweisungen im Downloadbereich des AK-Archivs unter iww.de/ak. |
Als Einzelanwalt belehren und Notfallkontakte zusammenstellen
Viele Einzelanwälte arbeiten ohne Kollegen und qualifiziertes Personal. Ihnen fallen dann allein die Belehrungs- und Kontrollpflichten bezüglich ihrer Auszubildenden zu. Da Einzelanwälte – anders als Kollegen in größeren Kanzleien – keine Vertretung im Büro haben, müssen sie Absprachen mit externen, vertretungsbereiten Anwaltskollegen treffen, die in Krankheits- oder sonstigen Notfällen kurzfristig den Kanzleibetrieb aufrechterhalten. Eine solche Vertretungsregelung (§§ 53, 54 BRAO) ist ebenso Anwaltspflicht (BGH 10.4.25, V ZB 59/24, Abruf-Nr. 248069), wie es sinnvoll ist, eine Kontaktliste für solche Notfälle zu pflegen.
Junge Berufsstarter im Büro profitieren von Listen, die einen schnellen Überblick geben, wer wann in dringenden Fällen sofort erreichbar ist. Wir haben ein Muster speziell für Einzelanwälte zusammengestellt, das aber auch individualisiert und auf andere Kanzleigrößen/-formen abgewandelt werden kann (Abruf-Nr. 50477946).
Ausbildungskonzept und Schulungen dokumentieren Praxistipp | Um eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu erreichen, ist es im Einzelfall entscheidend, dass Sie schriftlich dokumentiert haben, wann und wie in der Kanzlei ausgebildet wird. Arbeiten Sie deshalb am besten mit vereinheitlichten Arbeitsanweisungen, die bei Bedarf ergänzt und neu datiert an alte (und neue) Auszubildende und Mitarbeiter verteilt werden. Die Anweisung kann z. B. vom Kanzleipersonal geführt und quartalsweise aktualisiert werden. Dokumentieren Sie auch interne Schulungen zur Anwaltssoftware (Muster unter iww.de/ak, Abruf-Nr. 50044637). Sie als Anwalt müssen jeweils prüfen, ob die Angaben inhaltlich korrekt und für ein Gericht so aussagekräftig sind, dass es sich ein geschlossenes Bild von den Kanzleiabläufen machen kann. Die Rechtsprechung zeigt: In vielen Fällen sind die Gerichte mit den Angaben der Anwälte unzufrieden. |
Das beA bleibt hoher Risikofaktor in Kanzleien
Die beA-Nutzungspflicht gilt mittlerweile seit über 40 Monaten und wird begleitet von einer umfassenden Rechtsprechung zu Bedienfehlern, technischen Ausfällen oder der nachlässigen Wartung von Hard- und Software (BGH 1.3.23, XII ZB 228/22, Abruf-Nr. 234608; 24.5.22, XI ZB 18/21, Abruf-Nr. 229946; 29.9.21, VII ZR 94/21, Abruf-Nr. 225519). Gerichte weisen Anwälte gerne darauf hin, dass bei technischen Problemen in der Kanzlei die Bildschirmvorgänge abgefilmt bzw. Screenshots erstellt werden können, damit nachvollziehbar ist, dass Software oder Anwendungen streikten. Es ist daher sinnvoll, wenn auch die Berufsstarter bei technischen Problemen rasch zur Kamera greifen (zuletzt u. a. VGH Baden-Württemberg 18.6.24, 14 S 761/24). Es spielt keine Rolle, wenn Auszubildende zunächst nicht direkt selbst mit dem beA arbeiten (können). Lassen Sie sie zunächst am besten konkrete Arbeitsschritte mit dem beA mitverfolgen, erklären Sie Bildschirmansichten und wie man typische Probleme und Fehlfunktionen behebt. Als ergänzende Lektüre empfiehlt sich die AK-Sonderausgabe „beA von A bis Z: Zeit- und kostensparend organisieren und arbeiten“ (iww.de/ak, Abruf-Nr. 48397161).
Es sind Fälle bekannt geworden, in denen Anwälte ihren Mitarbeitern ermöglichten, mit Ihrer beA-Karte samt PIN aus dem höchstpersönlichen Anwaltspostfach Dokumente zu verschicken. Wer dies tut, verletzt seine anwaltlichen Berufspflichten (§ 26 RAVPV) und die Pflichten zur Wahrung von Fristen schuldhaft (zuletzt u. a. OLG Düsseldorf 7.4.25, I 24 U 64/25).
Beachten Sie | In den letzten Jahren haben Gerichte auffallend häufig moniert, dass Kanzleimitarbeiter nicht ausreichend zum Umgang mit den automatisierten gerichtlichen Eingangsbestätigungen geschult wurden und was genau sie zu prüfen haben (zuletzt u. a. BGH 11.2.25, VIII ZB 65/23, Abruf-Nr. 247272). Zeigen Sie bereits den Auszubildenden von Beginn an, worauf sie achten müssen (vollständige Übermittlung, korrektes Empfänger-Gericht, richtige Datei und sämtliche Anhänge übermittelt). Zudem müssen Sie in den Fällen dem Gericht erläutern, wie Sie in Ihrer Kanzlei Auswahl, Schulung und Überwachung der Auszubildenden organisieren, wenn es zu Bedienfehlern beim beA kommt (BSG 14.7.22, B 3 KR 2/21 R, Abruf-Nr. 230994) und vor allem, wie die von Auszubildenden ausgeführten Aufgaben kontrolliert werden (BGH 21.11.24, I ZB 34/24, Abruf-Nr. 245442; abendliche Ausgangskontrolle).
Auszubildende dürfen Fristen nicht selbstständig kontrollieren
Auszubildende dürfen die Fristenkontrolle grundsätzlich nicht erledigen. Eine Ausnahme besteht, wenn sie dabei von geeigneten Bürokräften überwacht werden bzw. wenn ihre Arbeit kontrolliert wird (BFH 17.11.15, V B 56/15, Abruf-Nr. 182794). Darüber hinaus hat der BGH wiederholt klargestellt: Der Anwalt muss bei Fristen, die er nicht selbst berechnet, durch allgemeine Anweisungen sicherstellen, dass sein Büropersonal nicht eigenmächtig im Kalender eingetragene Fristen ändert oder löscht (20.4.20, VI ZB 49/19, Abruf-Nr. 215833). Unsere Musterformulierung zum Fristenmanagement finden Sie im AK-Downloadbereich unter iww.de/ak, Abruf-Nr. 42249377.
Anwälte selbst oder qualifizierte Mitarbeiter müssen belehren und kontrollieren
Neue Auszubildende sind über ihre Schweigepflicht zu belehren. Sie dürfen – wie das Büropersonal – keinen Dritten (auch nicht Familienangehörigen, Freunden usw.!) mandatsbezogene Informationen mitteilen oder solche in sozialen Netzwerken oder über Messenger-Dienste verbreiten. Viele Auszubildende tauschen sich untereinander über fachliche Fragen aus und denken sich oft nichts dabei, z. B. eine abfotografierte Seite aus der Akte anzuhängen. Belehren Sie daher auch darüber, dass keinerlei mandatsbezogenes Aktenmaterial oder Bürofotos gepostet oder verschickt werden dürfen, auf denen eventuell Parteibezeichnungen (Ordnerrücken), Bildschirmtexte, Namen von Beteiligten oder Ähnliches erkennbar sind.
Kontrollieren Sie alle Social-Media-Posts und auch die dortigen Bilder Praxistipp | Viele Juristen pflegen Accounts auf Instagram oder LinkedIn. Häufig werden auch Büro- und Gerichtsfotos oder geschwärzte Akteninhalte veröffentlicht (z. B. Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft). Auch hier müssen Sie Schweigepflicht und Haftungsfragen beachten. Social-Media-Inhalte unkontrolliert auszuwählen und zu bearbeiten, ist deshalb keine Aufgabe, die Sie einfach Ihren Auszubildenden überlassen können. „Juristen sollten genau wissen, was auf ihren Social-Media-Kanälen passiert. Anwälte können das Posten von Akteninhalten komplett untersagen oder aber auch in einer Anweisung festhalten, ob und wann geschwärzte Dokumente veröffentlicht werden. Das sollte der Anwalt in jedem Einzelfall selbst überwachen und sich bestenfalls auch das Bild zeigen lassen, das verwendet werden soll“, so Rechtsanwalt Alexander Metzler aus Frankfurt. |
Beachten Sie | In vielen Kanzleien werden per beA versandte Schriftsätze immer noch mangelhaft kontrolliert. Bei fristgebundenen Schriftsätzen reicht es nicht aus, nur nachzuprüfen, dass irgendein Schriftsatz mit dem passenden Aktenzeichen an das Gericht versandt wurde. Vielmehr müssen Sie schauen, welcher Art der Schriftsatz war (AK 25, 97).
- Mustererklärung der BRAK zur Schweigepflicht: iww.de/s13237
- Deutscher Anwaltverein (DAV): Leitfaden für Ausbilder:innen (abrufbar im internen Mitgliederbereich; iww.de/s13238)
- Wie kann KI die Kanzleiorganisation verbessern? Fünf Einsatzmöglichkeiten für das Anwaltssekretariat, AK 24, ID 50229688
- „Hey Bot, hilf’ mir, neue und kreative Kanzleimitarbeiter zu finden!“, AK 24, 5
- „Ach, du lieber Bot“: Die Auszubildenden-Bewerber kommen!, AK 23, 193
- Wer unnötig wartet, prüft nicht „zeitnah“, AK 22, 146
- Sprache in Wort und Schrift: Prüfen Sie während der Probezeit, ob das Ausbildungsziel erreicht wird, AK 21, 30
AUSGABE: AK 8/2025, S. 135 · ID: 50473535