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DigitalisierungKeine Angst vor dem Weg zur papierlosen Kanzlei
| Für viele Kanzleien ist es eine Herausforderung, dass sich bewährte Methoden verändern. Einige stehen Neuerungen, wie (nahezu) papierlosen Kanzleien, vorsichtig gegenüber. Andere haben bereits den Schritt in die Digitalisierung gewagt. Denn diese erleichtert die Arbeitsprozesse, spart wertvolle Zeit und erhöht die Qualität durch standardisierte Abläufe. Eine Herausforderung besteht beispielsweise darin, dass Akten teilweise nur in Papierform vorliegen, während Gerichte zunehmend digitale Dokumente fordern. Dies führt oft zu einem Mix aus digitalen und analogen Akten, die in einigen Fällen nicht übereinstimmen. Doch Sie können die Fehlerquote bei der Bearbeitung minimieren. |
Zwischenlösungen ergreifen
Immer, wenn wir die gewohnte Komfortzone verlassen, melden sich Ängste – auch sehr wichtige, denn es geht mal wieder um das Berufsrecht: Die Akte muss ordentlich geführt werden. Es darf kein Schriftsatz verloren gehen, fehlen, falsch zugeordnet werden usw. Doch Sie müssen dabei gar nicht von Null auf Hundert alles ändern. Es gibt Zwischenlösungen. Gewöhnen Sie sich und Ihre Mitarbeiter an neue Abläufe und die neue Technik, z. B. mithilfe von Schulungen. Sie können mit einem Tablet zu Gericht gehen und am Anfang die Papierakte zur Sicherheit mitnehmen. Dokumente können Sie im Termin mittels beA oder E-Mail-Versand übergeben. Wenn Sie Papier einscannen, müssen Sie es danach nicht zwingend vernichten, sondern können es in einer Ablage zur Sicherheit einige Wochen oder Monate aufbewahren.
Vorteile der e-Akte nutzen
Auch wenn das Einscannen sämtlicher Papierakten und v. a. die Benennung jedes Dokuments erst einmal lange dauert, lohnt sich die Umstellung. Die Vorteile der e-Akte sind:
- Sie sparen Zeit und damit Geld: Der Weg zum Aktenschrank fällt weg, die Akte ist jederzeit für jeden berechtigten Mitarbeiter griffbereit. Sie müssen einzelne Dokumente nicht mehr suchen, denn durch die Suchfunktion und Volltexterkennung sind benötigte Informationen sofort verfügbar.Zeit sparen
- Sie halten die DS-GVO ein: Der Datenschutz lässt sich durch Zugangsbeschränkungen und die Möglichkeiten von Passwortschutz, insbesondere bei vertraulichen Dokumenten oder Personalakten, umsetzen.Datenschutzkonform arbeiten
- Sie haben von überall und jederzeit Zugriff: Das ermöglichen Sie durch eingeräumte Berechtigungen – sei es mobil oder im Homeoffice. Dies steigert die Produktivität und führt zu einer effizienten Zusammenarbeit.Zugriff immer und überall
- Sie senken Ihre Verbrauchskosten: Durch die digitale Arbeit reduzieren Sie die Nutzung von Drucker und Papier. Das macht die e-Akte zu einer umweltfreundlichen Lösung. Sie benötigen darüber hinaus keinen physischen Lagerplatz und sparen dadurch wertvollen Raum in der Kanzlei.Verbrauchskosten senken, Platz sparen
- Sie sind vor Datenverlust geschützt: Das setzen Sie durch regelmäßige Sicherungskopien oder die Nutzung von Cloud-Services um. Im Fall eines „Untergangs“ können Sie die e-Akte schnell wiederherstellen (man denke nur an die vernichteten Dokumente durch die Flutkatastrophe im Ahrtal). Digitale Sicherheitsmechanismen gewährleisten außerdem Kontinuität und Zuverlässigkeit in der Dokumentenverwaltung.Vor Datenverlust schützen
Nachteile der e-Akte vermeiden
Wo Vorteile sind, gibt es auch Herausforderungen. Diese sind in Bezug auf die Digitalisierung jedoch gut lösbar:
Externe Hilfe zahlt sich aus Praxistipp | Mit fachlicher (externer) Unterstützung ist das gut beherrschbar. Die entstehenden Kosten werden auf die Dauer gesehen durch Einsparungen bei Verbrauchsmaterial, Porto und effizientere Prozesse ausgeglichen. |
Mit Struktur nur die nötigen Originale aufbewahren Praxistipp | Legen Sie einzelne Standordner an, in denen – alphabetisch sortiert – Originaldokumente aufbewahrt werden können, z. B. in Ordner 1 Titel, in Ordner 2 Vergütungsvereinbarungen, in Ordner 3 Vollmachten usw. Durch entsprechende Vermerke in den digitalen Akten auf der jeweiligen Scan-Kopie ist die Wiederauffindbarkeit jederzeit gewährleistet. Im Übrigen sollten Sie gescannte Dokumente, die Sie nicht als Originale benötigen, unverzüglich an den Mandanten oder die entsprechende Person zurückgeben. Denn da gehören sie hin. |
- Die Umstellung auf die e-Akte erfordert Schulungen des Personals. Zudem werden für die „Nachdigitalisierung“ ggf. zusätzliche personelle Ressourcen benötigt, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Auch Investitionen in Technologien sind unvermeidbar.
- Im Zuge der Digitalisierung müssen Kanzleien zudem sicherstellen, dass ausreichend Speicherplatz bereitgestellt und regelmäßige Erweiterungen vorgenommen werden. Nur so können Sie mit dem ständig wachsenden Datenbedarf Schritt halten. Da Speichermedien eine begrenzte Lebensdauer haben, müssen sie (nicht zuletzt zwecks Archivierung zur Einhaltung von Aufbewahrungsfristen) regelmäßig überprüft und aktualisiert werden, um Datenverlust zu vermeiden.
- Auch die zunehmende Gefahr von Cyber-Angriffen und Datendiebstahl ist ein nicht zu unterschätzendes Risiko.
- Nicht alle Dokumente können vollständig digitalisiert werden, insbesondere Originale wie Urteile, Vollstreckungstitel, Vollmachten, Vergütungsvereinbarungen oder Baupläne.
Hybride Aktenführung hat mehr Nachteile als Vorteile
Auf den ersten Blick sieht die hybride Aktenführung besonders praktikabel aus, da sie der Digitalisierung gerecht wird und zugleich Mitarbeitern die Umstellung zu erleichtern scheint. Doch sie birgt Gefahren:
- Es führt zu doppeltem Arbeitsaufwand, die Informationen in der digitalen und in der Papierakte zu aktualisieren. Nicht nur, dass analog eingehende Schriftstücke gescannt werden müssen. Auch alle digital eingehenden und erstellten Schriftstücke müssen ausgedruckt und eingeordnet werden.
- Die Pflege von zwei Aktenformaten erfordert zusätzliche Ressourcen in Form von Arbeitszeit, Materialien und möglicherweise auch Schulungen für die Mitarbeiter. Die Folge sind erhöhte Kosten.
- Das Risiko für Fehler steigt, wenn Informationen in zwei unterschiedlichen Systemen aktuell sein und gepflegt werden müssen. Die Akten sind schnell unvollständig.
- Es ist aufwendiger, nach Informationen zu suchen und Dokumente zu archivieren. Mitarbeiter müssen stetig zwischen der digitalen und der analogen Akte wechseln, um alle relevanten Informationen zu finden oder zu speichern.
- Die Einhaltung der Datenschutzrichtlinien wird schwerer und das Risiko von Datenschutzverletzungen erhöht sich, insbesondere wenn nicht beide Formate angemessen gesichert sind.
Der Zweck der Einführung digitaler Akten besteht darin, Effizienzvorteile zu erreichen, wie eine schnellere Suche, einfachere Zusammenarbeit und bessere Organisation. Die parallele Führung von Papier- und e-Akten macht diese Vorteile zunichte.
So gehen Sie bei der Einführung der e-Akte vor
Die Erfahrung zeigt, dass die direkte Umstellung von Papierakte auf e-Akte zielführender ist. Dadurch können sich die Mitarbeiter voll auf die e-Akte und die Nachdigitalisierung konzentrieren.
Neue Akten sollten Ihre Mitarbeiter sofort nur digital anlegen. Ältere (Papier-)Akten sollten sie beiziehen, bis diese vollständig digitalisiert sind. Damit Sie und die Mitarbeiter den Überblick behalten, sollten Sie an die entsprechende Stelle einen Vermerk heften: „Ab hier nur noch digital“. Analoge Dokumente heften Sie oder Ihre Mitarbeiter gar nicht mehr ein.
Die Nachdigitalisierung können z. B. Aushilfen (Studenten oder Schüler) übernehmen. Sobald der bisherige Aktenteil als (durchgehendes und durchsuchbares) PDF-Dokument eingescannt ist, kann das Papier vernichtet oder ggf. archiviert werden, wenn Sie unsicher sind. Bei dem Einscannen neuer, analog eintreffender Dokumente müssen die Mitarbeiter diese „richtig“ benennen: mit Aktenzeichen, Art des Dokuments (Urteil, Schriftsatz usw.) und einem Datum. Um die Dokumente schnell zu finden, bieten sich zudem elektronische Verweise oder Notizen auf den Scan-Kopien an.
So strukturieren Sie die e-Akte
Die e-Akte bietet im Hinblick auf die Aktenstruktur erhebliche Erleichterungen gegenüber der Papierakte. Papierakten werden entweder kaufmännisch (Aufheftung neuer Schriftstücke) oder – seltener – behördlich (Anheftung neuer Schriftstücke an die Rückseite der Akte) geführt. Auch sachliche Strukturen, also die Zuordnung der Sache nach, z. B. in einen Gerichtsteil, Mandantenverkehr, Kostenrechnungen usw., sind möglich. Unabhängig davon, welches System Sie verwenden, ist es wichtig, dass Sie den Überblick behalten und die gesuchten Dokumente schnell finden. Hierfür gilt:
Praxistipp | Um Anmerkungen oder inhaltliche Bewertungen nicht zu verlieren, Dokumente unnötig lange suchen zu müssen oder die Akte nicht mehr nachvollziehen zu können, gibt es eine einfache Lösung: Verbinden Sie die Aktenhistorie mit der sachlichen Ordnerstruktur. Ihre Mitarbeiter kopieren dazu die jeweils benötigten Dokumente in den jeweiligen Ordner und verschieben diese nicht. So haben Sie zwar die Dokumente im Ergebnis doppelt, aber eben auch eine komplette Aktenhistorie und bestimmte Dokumente für einzelne Aufgaben an die richtige Stelle selektiert. Ihre Mitarbeiter benötigen für das Duplizieren nicht viel mehr Arbeitszeit, wenngleich sie aufmerksamer arbeiten müssen. Dieses Vorgehen benötigt auch etwas mehr Speicherplatz. In der heutigen Zeit, in der Speichermedien und Clouds immer mehr Speicherplatz bieten, dürfte sich das aber kaum bemerkbar machen. |
- Wenn Sie eine Akte kontinuierlich bearbeiten, ist es wichtig, dass Sie die aktuellen Dokumente schnell finden. Deshalb bietet sich zum Bearbeiten die kaufmännische Ansicht an.
- Arbeiten Sie sich dagegen in eine Akte neu ein, bietet sich die behördliche Struktur an. Dann können Sie die Akte wie ein Buch lesen. Dies ist auch mit einer Ordner-/Unterordnerstruktur möglich, indem Sie das Datum rückwärts an den Anfang des Dokumentennamens setzen, also Jahr-Monat-Tag_Name.Mit Anwaltssoftware zwischen Ansichten leicht hin- und herwechseln
- Für Gerichtstermine ist eine sachliche Struktur empfehlenswert. Bei Papierakten konnten Sie dafür Post-its an die entsprechenden Schriftsätzen kleben – teilweise nach Thema in unterschiedlicher Farbe. Eine Anwaltssoftware beinhaltet in der Regel auch die Möglichkeit, einzelne Dokumente zur besseren Übersicht farblich zu markieren (z. B. gerichtliche Schriftsätze orange, Kostensachen grün usw.).
- Alternativ können Sie diese Struktur herstellen, indem Sie sich verschiedene Unterordner anlegen, z. B. einen Ordner für den Gerichtsteil, einen weiteren für den Schriftverkehr mit dem Mandanten, einen mit Kostenrechnungen.
AUSGABE: AK 7/2025, S. 120 · ID: 50307777