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WiedereinsetzungFür Weiterleitung braucht „falsches“ Gericht Zeit
| Wenn Anwälte Fristen bis auf den letzten Tag ausnutzen, steigern sie ihre Sorgfaltspflichten, da sie bewusst auf zeitliche Puffer verzichten. Übermitteln sie dann noch versehentlich an das falsche Gericht, ist nach dem VGH Baden-Württemberg keine rechtzeitige Weiterleitung mehr möglich. Zudem müssen Anwälte die neuen längeren Postlaufzeiten beachten. |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Am letzten Tag der Frist reichte der Anwalt die Begründungsschrift irrtümlich beim VG ein. Das Gericht verfügte die Weiterleitung erst nach Vorlage an die erkennende Kammer zwei Tage später. Denn es ist nur im ordentlichen bzw. ordnungsgemäßen Geschäftsgang dazu verpflichtet, den Schriftsatz weiterzuleiten. Das Gericht muss dabei jede unnötige Verzögerung vermeiden, kann aber auf außergewöhnliche Beschleunigungsmittel, wie Eilvermerke, Telefax oder Anrufe, beim Anwalt verzichten. Eine Weiterleitung noch am gleichen Tag kann der Anwalt nicht verlangen (VGH Baden-Württemberg 30.1.25, 8 S 1106/24, Abruf-Nr. 246862).
Relevanz für die Praxis
Gerichte sind nicht verpflichtet, falsch eingegangene Schriftsätze an das korrekte Gericht elektronisch weiterzuleiten (BGH 23.10.24, XII ZB 576/23, Abruf-Nr. 245315). Die Gerichte entscheiden im Einzelfall, ob sie einen Schriftsatz elektronisch weiterleiten, sofern ihnen dies technisch möglich ist (OLG Bamberg AK 23, 118). Jedem Anwalt, der eine Frist bis auf den vorletzten oder letzten Tag ausschöpft, muss klar sein, dass eine nicht rechtzeitige Weiterleitung nie den Gerichten angelastet wird. Der Schriftsatz muss im normalen Geschäftsgang entdeckt und fristgerecht weitergeleitet werden können. Erst kürzlich entschied der BGH, dass ein Zeitraum von sechs Tagen genügt, der zwischen dem Antrag auf Weiterleitung und Fristablauf liegt (23.10.24, XII ZB 411/23, Abruf-Nr. 245042). Grundsätzlich ist mindestens schon ein Tag dafür zu veranschlagen, bis eine Weiterleitung überhaupt verfügt wird – hinzu kommen die Tage der Beförderung bis zur Zustellung.
Planen Sie mehr Zeit für die Zustellung ein – auch bei einer Weiterleitung Merke | Sie dürfen nicht mehr auf die bisherigen Zeiträume vertrauen, die Gerichte insoweit voraussetzten. Angesichts der seit dem 1.1.25 geltenden längeren Postlaufzeiten müssen Sie längere Zustellungszeiten einkalkulieren (AK 24, 166). Gerichte könnten diese künftig miteinbeziehen und für erfolgreiche Weiterleitungen noch längere Zeiträume veranschlagen als bisher, solange der Postweg für eine Weiterleitung genutzt werden kann. |
- Verzögerung bei Weiterleitung von Gericht zu Gericht geht nicht zulasten des Antragstellers, AK 25, 20
- Anwalt darf sich nicht auf rechtzeitige Weiterleitung durch das unzuständige Gericht verlassen, AK 23, 199
AUSGABE: AK 5/2025, S. 75 · ID: 50331072