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KommunikationWettbewerbsvorteil durch interkulturelle Kompetenz und Mehrsprachigkeit in der Kanzlei

Abo-Inhalt05.02.20251071 Min. LesedauerVon Dr. Doortje Cramer-Scharnagl, Edewecht

| In Zeiten der zunehmenden Internationalisierung sind grenz- bzw. kulturenüberschreitende Mandate längst nicht mehr nur Kanzleien mit internationalem Tätigkeitsbereich vorbehalten. Immerhin lebten im Jahr 2023 gut 23 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund im engeren Sinn in Deutschland. Damit ist es mehr als wahrscheinlich, dass selbst regional tätige Kanzleien von Mandanten mit anderem sprachlichen und/oder kulturellen Hintergrund kontaktiert werden – ganz zu schweigen von Kanzleien, die selbst in anderen Ländern agieren oder international aktive Klienten vertreten. Mehrsprachigkeit und interkulturelle Kompetenz stellen in diesen Fällen entscheidende Wettbewerbsvorteile dar. |

Interkulturelle Kompetenz bringt Mandanten und Erfolge

Sucht ein fremdsprachiger Mandant nach einer passenden Kanzlei, ist das Vertrauen Geld wert, das durch die Verwendung einer gemeinsamen Sprache entsteht. Zweitrangig ist, ob es sich dabei um die straf- oder zivilrechtliche Vertretung des Mandanten oder um die Begleitung eines Vertragsabschlusses mit einem ausländischen Handelspartner des Mandanten handelt. Wenn die Kanzlei dann noch mit relevanter Auslandserfahrung oder mit Tätigkeiten und Ehrenämtern im multikulturellen Umfeld punkten kann, dürfte die Entscheidung klar für sie ausfallen. Sie sollte am besten an prominenter Stelle über die Zusatzkompetenzen Fremdsprachenkenntnisse und hohe interkulturelle Kompetenz – idealerweise in Kombination – informieren.

Beachten Sie | Hinzu kommen viele Konstellationen in international aufgestellten Kanzleien, wenn deutsche Mandanten Unterstützung für ihre internationalen Geschäftstätigkeiten suchen, wenn Mandanten aus dem Ausland für ihre Aktivitäten in Deutschland eine deutsche Kanzlei suchen oder wenn international agierende Unternehmen mit Angestellten aus aller Welt anwaltliche Unterstützung suchen.

Auch Mandats- und Verhandlungserfolge beruhen in großem Maß auf interkultureller Kompetenz. Denn Anwälte, die für kulturelle Unterschiede sensibel sind, agieren generell erfolgreicher. Sie können effektiv mit Klienten mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen kommunizieren, Missverständnisse vermeiden und Vertrauen stärken, was zu einer besseren Mandantenzufriedenheit führt. Nicht zuletzt kann so das Netzwerk der Kanzlei nutzbringend erweitert werden.

Praxistipp | Erfordert ein Mandat Mehrsprachigkeit und/oder internationale Aktivitäten, wird es automatisch komplexer und anspruchsvoller. Oft lässt sich damit auch ein höheres Honorar vereinbaren.

Heterogene Gesellschaft benötigt interkulturelle Kompetenz

Interkulturelle Kompetenz ist die Fähigkeit, mit Menschen anderer Kulturen angemessen und erfolgreich zu kommunizieren und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Dabei wird das Selbstverständnis nicht nur von der Herkunft aus einem Land, sondern auch durch Ausbildung, Beruf, Wohnort, politische und sexuelle Ausrichtung, familiäre Prägungen, Geschlecht, Alter und Erfahrungen bestimmt. Wer interkulturelle Kompetenz aufweist, ist sensibel für die Wertesysteme und Wahrnehmungen anderer Menschen und in der Lage, sich kritisch mit seinem eigenen kulturellen Hintergrund auseinanderzusetzen.

Praxistipp | Viele Menschen hierzulande verstehen eine andere Sprache leichter und schneller als Deutsch. Darum stellen u. a. Behörden wichtige Informationen in mehreren Sprachen zur Verfügung. Auch Ihre Kanzlei kann z. B. allgemeine Informationen zu bestimmten Verfahrensabläufen oder notwendigen Unterlagen in „Ihren Kanzleisprachen“ sowie in leichter Sprache vorhalten.

Auch das sind interkulturelle Aspekte im Kanzleialltag

Interkulturelle Kompetenz ist nicht nur hilfreich, wenn man sich mit Menschen aus anderen Kulturkreisen austauschen möchte (wobei schon innerhalb Europas zu direkten Nachbarn erhebliche Unterschiede bestehen können). Sprache und Kultur können auch der eigentliche Grund für Rechtsstreitigkeiten sein, z. B. wenn zwei Parteien aufgrund verbaler Fehlkommunikation oder unbewusst unterschiedlicher Auffassungen von Sachverhalten in Streit geraten. Dann ist Ihr Mandant vielleicht „urdeutsch“, Sie benötigen aber trotzdem eine hohe interkulturelle Kompetenz, um die Angelegenheit effektiv zu klären.

Praxistipp | Es kann nötig sein, Mandanten die deutsche Rechtsauffassung zu vermitteln und ihnen zu erläutern, wie sie sich vor Gericht vorteilhaft verhalten können – ohne dabei ihre Sichtweise als falsch darzustellen. Umgekehrt ist es manchmal entscheidend, dem Gericht kulturell bedingte, als fremd empfundene Verhaltensweisen von Mandanten oder Gegnern in ihrer eigentlichen Bedeutung verständlich zu machen. Das erfordert oft fast noch mehr interkulturelle Kompetenz von Ihnen als die erste Situation.

Beispiel 1: Typische interkulturelle Kommunikationsfalle Blickkontakt

Wer in Deutschland vor Gericht bei einer Aussage den Augenkontakt vermeidet, wird schnell verdächtigt, Falsches auszusagen oder etwas zu verheimlichen – ein offener Blick gilt als ehrlich und freundlich. In Japan wird ein direkter Blick in die Augen hingegen als aggressiv und fordernd eingeordnet und in bestimmten arabischen Ländern gilt Augenkontakt zwischen Frau und Mann sogar als aufdringlich und sexuell konnotiert.

Beispiel 2: Typische interkulturelle Kommunikationsfalle Lächeln

Anders als in Deutschland wird in Russland ein „Lächeln ohne Grund“ Fremden gegenüber schnell als spöttisches Grinsen empfunden und in Japan gilt ein Pokergesicht bei öffentlichen Anlässen als die einzig angemessene Mimik.

Beispiel 3: Typische interkulturelle Kommunikationsfalle Vertragstreue

In westlichen Ländern gilt ein einmal geschlossener Vertrag unverbrüchlich bis zum Laufzeitende oder der Kündigung. In China oder auch im arabischen Raum gilt derselbe Vertrag wie selbstverständlich nur so lange, wie sich die Rahmenbedingungen nicht verändern – dann muss neu verhandelt werden.

Beispiel 4: Typische interkulturelle Kommunikationsfalle Bedrohungen

In Deutschland gilt Voodoo als fremde oder interessante Religion, „Hokuspokus“ oder lukratives Geschäftsfeld. Einige Menschen aus Westafrika fliehen unter Lebensgefahr, weil sie sich durch Voodoo-Handlungen ihres Umfelds mit dem Tod bedroht sehen, und nehmen diese Angst mit nach Deutschland.

So lässt sich interkulturelle Kompetenz fördern

Wie nun lässt sich interkulturelle Kompetenz fördern? Zunächst einmal helfen profunde Auslandserfahrung und vielfältige, tiefgehende interkulturelle Kontakte, auch innerhalb Deutschlands. Verschiedene Universitäten haben interkulturelle Angebote für Juristen ebenso im Programm wie das 2018 vom Ministerium der Justiz NRW eingerichtete Zentrum für interkulturelle Kompetenz (ZIK). Darüber hinaus gibt es eine Reihe interessanter Buchtitel und Untersuchungen, die sich unter kommunikationstheoretischen, kulturwissenschaftlichen oder ganz praktischen Blickwinkeln mit dem Thema beschäftigen (zum Teil mit Übungen). Eine gute Möglichkeit zur Erweiterung der eigenen Kompetenzen sind Coachings und Trainings, die auf die Kommunikation mit Angehörigen anderer Kulturen und auf Auslandsaufenthalte vorbereiten.

Bei alldem ist es allerdings wichtig, sich nicht auf starre Verhaltensregeln zu versteifen. Viel wichtiger sind die folgenden „Top Ten“ der erfolgreichen interkulturellen Kommunikation:

  • 1. Fakten über die andere Kultur wissen
  • 2. Verbale und nonverbale Ausdrucksformen beherrschen, die in der anderen Kultur akzeptiert sind
  • 3. Empathie, Toleranz und Respekt zeigen
  • 4. Aufgeschlossen gegenüber bestehenden Unterschieden sein
  • 5. Grundsätzlich bereit sein, Mehrdeutigkeiten zu ertragen
  • 6. Gutes Beobachtungsvermögen mitbringen, ohne zu bewerten
  • 7. Aktiv zuhören
  • 8. Eigene Denk- und Handlungsmuster erkennen und hinterfragen und zu Veränderungen bereit sein
  • 9. Umsichtig, besonnen und kooperativ handeln
  • 10. Kulturelle Eigenheiten an Dritte vermitteln können

Auf dieser Basis – kombiniert mit der möglichst perfekten Beherrschung einer oder mehrerer Fremdsprachen – sollte eine Zusammenarbeit mit dem Mandanten gelingen, die von allen Seiten als angenehm und effektiv empfunden wird und die dadurch Ihrer Kanzlei nachhaltigen Nutzen bringt.

AUSGABE: AK 2/2025, S. 26 · ID: 50248206

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