Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Jan. 2025 abgeschlossen.
AnwaltshaftungEs gibt kein Gebot des „sicheren Wegs“
| Bei unklarer Rechtslage muss ein Anwalt damit rechnen, dass das Gericht eine für den Mandanten ungünstige Rechtsauffassung vertreten könnte. Er muss den Mandanten entsprechend beraten und die verschiedenen Handlungsoptionen darstellen. Der Mandant muss entscheiden, welchen Weg er gegangen wäre, wenn er belehrt worden wäre. Einen Anscheinsbeweis dafür, dass er den sichersten Weg gewählt hätte, gibt es nach dem BGH bei verschiedenen Optionen nicht. |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Die Ehefrau E hatte nach der Scheidung im Jahr 2004 vor dem AG MA Klage auf Zugewinnausgleich und ihr geschiedener Mann M seine Gegenansprüche beim AG DEL eingereicht. Das AG DEL regte aus prozessökonomischen Gründen ein Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des AG MA an. Damit waren E und M einverstanden. Das Verfahren in MA zog sich allerdings hin und die Anwältin des M rief deshalb nach zehn Monaten das Verfahren in DEL wieder auf. E erhob die Einrede der Verjährung. Nach dem AG DEL sei die Hemmung der Verjährung wegen Nichtbetreibens nach sechs Monaten weggefallen (§ 204 Abs. 2 S. 2 BGB), was die Verjährung bedeutete. Daraufhin verklagte M die Anwältin auf Schadenersatz in Höhe von rund 86.000 EUR. In der Folge gingen auch drei weitere Gerichte vom Ende der Hemmung aus, bevor das OLG Bremen die Rechtslage genau umgekehrt bewertete. Der BGH sah das wiederum anders, hob das Urteil zugunsten des Mannes auf und verwies die Sache an das OLG (19.9.24, IX ZR 130/23, Abruf-Nr. 244048).
Die Anwältin hätte berücksichtigen müssen, dass das AG DEL und weitere Gerichte die Hemmung für beendet hielten und ein Gericht das Gegenteil angenommen hatte. Nach dem „Grundsatz des sichersten Wegs“ hätte sie vorsorgen und den Mandanten aufklären müssen. Beispielsweise hätte M einen Verjährungsverzicht mit E vereinbaren können. Alternativ sei es trotz der Anregung durch das FamG denkbar gewesen, das Ruhen nicht zu beantragen.
Relevanz für die Praxis
Der BGH hat insgesamt noch einmal die Grundsätze für die Anwaltshaftung und die Schadensberechnung zusammengefasst. Es bleibt bei den sehr hohen Anforderungen an die Beratung durch den Anwalt, gerade bei unsicherer Rechtslage. Auch Anregungen der Gerichte muss der Anwalt hinterfragen und umfassend rechtlich beurteilen.
Die fehlerhafte Beratung muss für den Schaden kausal sein. Der Geschädigte muss den Ursachenzusammenhang zwischen der Vertragsverletzung (durch den Anwalt) und dem Schaden dartun und beweisen. Dabei genügt, dass er Tatsachen vorträgt und beweist, die für eine Beurteilung nach § 287 ZPO ausreichende greifbare Anhaltspunkte bieten. Der Mandant muss beweisen, welchen von verschiedenen möglichen Wegen er gegangen wäre.
AUSGABE: AK 1/2025, S. 2 · ID: 50188641