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KooperationenCompliance in der BAG: So stellen Sie die Einhaltung der Berufspflichten sicher

Top-BeitragAbo-Inhalt20.02.202474 Min. LesedauerVon RAin und FAin Handels- und GesellschaftsR Tina Bieniek, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg

| Seit nunmehr zwei Jahren gilt das reformierte Berufsrecht für die rechts- und steuerberatenden Berufe. Die Reform hat unter anderem eine Aufwertung der Berufsausübungsgesellschaft (BAG) mit sich gebracht. Zugleich ist sie selbst Adressatin der berufsrechtlichen (Compliance-)Pflichten geworden. Dass sie diese tatsächlich erfüllen kann, müssen ihre Gesellschafter sicherstellen. Was das im Einzelnen bedeutet, unterscheidet sich von BAG zu BAG. |

1. Rechtliche Ausgangssituation

Mit der „Compliance-Pflicht“ im Berufsrecht ist im Grundsatz die Einhaltung berufsrechtlicher Vorschriften und Sicherstellung eines berufsrechtskonformen Zustands gemeint. „Compliance“ heißt also „Regeltreue“. Die rechtliche Grundlage sind die neugefassten berufsrechtlichen Regelungen in § 59e Abs. 2 BRAO, § 52e Abs. 2 PAO und § 52 Abs. 2 StBerG. Dort ist – abgesehen von den Querverweisen – wortlautidentisch geregelt, dass die BAG

  • geeignete (z. T. gesellschaftsrechtliche) Maßnahmen veranlassen muss,
  • um berufsrechtliche Verstöße frühzeitig zu erkennen und abzustellen.

Die Vorschriften treffen nur generelle Vorgaben dazu, wer Adressat der Compliance-Pflichten ist (die BAG, vertreten durch ihre Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane), was zu ihrem Pflichtenkreis gehört (geeignete Maßnahmen) und was das Ziel ist (Verstöße vermeiden oder abstellen). Etwas konkreter wird die BORA, die in einem neugefassten § 31 einen Standard für die Einhaltung der Berufspflichten formuliert. Danach muss die BAG

  • eine Risikoanalyse mit Blick auf die Gefahr berufsrechtlicher Verstöße vornehmen,
  • auf Grundlage der Risikoanalyse geeignete Maßnahmen ergreifen, mit denen Verstöße vermieden oder zumindest frühzeitig erkannt und abgestellt werden und
  • (in größeren Kooperationen) die Risikoanalyse dokumentieren und die Dokumentation mindestens alle zwei Jahre aktualisieren.

2. Ziel der Compliance

Die berufsrechtlichen Compliance-Vorschriften dienen dem Ziel, berufsrechtliche Verstöße der BAG selbst sowie ihrer Gesellschafter und Organe zu verhindern oder – wenn das nicht möglich ist – jedenfalls so früh wie möglich zu erkennen und dann abzustellen. Der Gesetzgeber erhofft sich dadurch eine bessere Achtung berufsrechtlicher Vorgaben. Die gleiche Erwartung betrifft die nun ebenfalls neu geschaffenen Sanktionsmöglichkeiten zulasten der (zugelassenen) BAG (§ 113 BRAO).

Beachten Sie | Nach der in der Literatur vorherrschenden Meinung erstreckt sich die Compliance-Pflicht nach BRAO, PAO und StBerG nicht auf alle denkbaren berufsrechtlichen Pflichten. Vielmehr soll sich die Compliance aus systematischen Gründen nur auf die Berufspflichten beziehen, die in § 59e BRAO, § 52e PAO und § 52 StBerG – jeweils in Abs. 1 – aufgezählt sind. Für die Praxis ist diese Unterscheidung kaum von Bedeutung, denn diese Regelungen erfassen die meisten und wichtigsten Berufspflichten. So nimmt beispielsweise § 59e Abs. 1 BRAO Bezug auf

  • die allgemeinen Berufspflichten (gewissenhafte Berufsausübung)
  • die anwaltlichen Grundpflichten (Unabhängigkeit, Verschwiegenheit, Sachlichkeit, Vermeidung von Interessenkollisionen),
  • die Beschränkungen bei der Werbung für anwaltliche Leistungen
  • die Tätigkeitsverbote bei Vorbefassung in der gleichen Sache und
  • eine Vielzahl sonst in der BRAO und – über den Verweis in § 59a BRAO – der BORA genannten Berufspflichten.

3. Geeignete Maßnahmen im Überblick

Die Gesetzesbegründungen zum neugefassten Berufsrecht stellen ebenso wie die Erwägungen zur Neufassung des § 31 BORA klar, dass es nicht „das eine“ Compliance-System gibt. Vielmehr stellt sich die Frage nach der Umsetzung der Compliance-Pflicht für jede BAG individuell. Dabei kommen in Betracht:

  • Präventive Maßnahmen zur Vermeidung von (berufsrechtlichen) Pflichtverstößen in der Zukunft
  • Kurative Maßnahmen zur Beseitigung von in der Vergangenheit bereits eingetretenen (berufsrechtlichen) Pflichtverstößen

Beachten Sie | § 31 BORA nennt Beispiele für geeignete Maßnahmen, u. a. Schulungen oder die Bestellung von Berufsrechtsbeauftragten. Es müssen nicht alle genannten Maßnahmen in jeder BAG umgesetzt werden. Die Ausgestaltung des Compliance-Systems bleibt eine Angelegenheit des Einzelfalls.

Die in den Gesetz- bzw. Satzungsgebungsunterlagen angesprochenen Beispiele sind eine hilfreiche Leitlinie, gerade weil es nach der erstmaligen Einführung einer solchen berufsrechtlichen Compliance-Pflicht bislang nur wenig sonstige Erfahrungswerte geben wird. Als denkbare – also nicht abschließende – Compliance-Maßnahmen kommen somit insbesondere in Betracht:

  • Bestellung eines Compliance-Officers
  • Durchführung berufsrechtlicher Schulungen
  • Erstellung von Merkblättern und Checklisten zu berufsrechtlich relevanten Punkten als Arbeitshilfe für Mitarbeiter
  • Nutzung technischer Hilfsmittel (z. B. zur Verhinderung von Interessenkollisionen oder Überwachung von Anderkonten)
  • Schaffung interner Hinweisgebersysteme zur Meldung von Berufsrechtsverstößen
  • gesellschaftsvertragliche Regelungen
  • Ausübung von Weisungsrechten zur Vermeidung von Berufsrechtsverstößen, v. a. gegenüber angestellten Mitarbeitern (soweit berufs- und arbeitsrechtlich zulässig)

Ausgehend von diesen möglichen Maßnahmen können (und müssen) im Rahmen der – von § 31 BORA n. F. zwingend vorgeschriebenen – Risikoanalyse für jede betroffene AG die passenden und erforderlichen Compliance-Maßnahmen ermittelt werden.

Gerade bei sog. Konfliktchecks (= Prüfung etwaiger Interessenkollisionen nach § 43a Abs. 4 BRAO) und durch eine ordentliche Aktenführung werden die meisten BAG besonders im Bereich der klassischen „sozietätsfähigen Berufe“ (Rechts- und Patentanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer), jetzt schon eine gute rechtliche und technische Grundlage haben, auf die sie zurückgreifen können. Handlungsbedarf kann aber an anderen Stellen bestehen – so werden die wenigsten BAG bereits einen Compliance-Officer bestellt haben.

Beachten Sie | Bei interprofessionellen BAG wird der Prüfungs- und Gestaltungsbedarf in einigen Fällen deutlich größer sein. Hier ist die berufsrechtliche Ausgangssituation komplexer. Darüber hinaus gibt es für solche Konstellationen viel weniger Erfahrungswerte, auf die man bei der Schaffung eines Compliance-Systems aufbauen kann. Bei Angehörigen der sonstigen freien Berufe (z. B. Ärzte oder Ingenieure) wird es zudem nachvollziehbarerweise Lücken hinsichtlich der berufsrechtlichen Vorschriften in der BRAO, PAO oder dem StBerG geben. Diese müssen durch Schulungen und sonstige Compliance-Maßnahmen beseitigt oder jedenfalls mit einer angemessenen Risikoprävention abgesichert werden.

Merke | Wenn (zugelassene) BAG keine oder unzureichende Compliance-Maßnahmen ergreifen, drohen ihnen selbst anwaltsgerichtliche Maßnahmen (§ 113 Abs. 3, § 114 BRAO). Die Sanktionen reichen von Warnungen über Geldbußen bis hin zur Aberkennung der Rechtsdienstleistungsbefugnis.

4. Risikoanalyse nach § 31 BORA n. F.

BAG, an denen mindestens ein Rechtsanwalt beteiligt ist, sind künftig zu einer Risikoanalyse über die bei ihnen bestehenden konkreten Risiken für Berufsrechtsverstöße verpflichtet. Die Analyse ist dabei kein Selbstzweck, sondern soll dazu dienen, dass die erforderlichen und sinnvollen Compliance-Maßnahmen abgeleitet werden können. Bei der Risikoanalyse und der dafür erforderlichen Bestandsaufnahme werden (auch) deshalb insbesondere die folgenden Punkte zu berücksichtigen sein:

Merke | Je größer oder komplexer die BAG oder ihre Tätigkeit strukturiert ist, desto umfassendere Compliance-Maßnahmen sind daraus abzuleiten.

Praxistipp | Die Risikoanalyse sollte nachvollziehbar aufgebaut werden, beispielsweise zuerst mit einer Bestandsaufnahme und dann daraus abgeleiteten Compliance-Maßnahmen. Bei der Strukturierung und dem Inhalt der Risikoanalyse kann sich ein Blick in viele andere Risikoanalysen anbieten, zu denen die BAG inzwischen verpflichtet ist (z. B. Datenschutz- oder Geldwäscherisikoanalyse). So lassen sich zugleich unnötige Doppelungen und Widersprüche vermeiden.

Die Dokumentation der Risikoanalyse in geeigneter Form (z. B. schriftlich oder elektronisch) und ihrer Umsetzung sowie die regelmäßige, mindestens alle zwei Jahre erforderliche Aktualisierung sind nach § 31 Abs. 3 BORA nur für größere BAG mit regelmäßig mehr als zehn Berufsträgern verpflichtend. Trotzdem ist eine angemessen dokumentierte Risikoanalyse aufgrund der mit ihr verbundenen Verbindlichkeit und Handlungssicherheit auch für kleinere Einheiten empfehlenswert.

Für BAG ohne Bezug zur rechtsanwaltlichen Tätigkeit (z. B. Steuerberatungsgesellschaften) gibt es bislang keine dem § 31 BORA vergleichbare Regelung. Ungeachtet dessen bietet sich auch für diese die Erstellung einer Risikoanalyse nach den vorstehenden Überlegungen an. Denn ohne eine individuelle Analyse wird die (auch für diese Gesellschaften verpflichtende!) Prüfung und Umsetzung der erforderlichen Compliance-Maßnahmen schwierig.

  • Zusammensetzung und Organisationsstruktur der BAG
  • Tätigkeitsfelder und Mandate der BAG
  • Größe der BAG
  • Aufgabenverteilung zwischen den Abteilungen / Teams / Mitarbeitern
  • Technische Ausstattung / Kanzlei- oder Dokumentenmanagementsysteme

5. Empfehlenswert: Einen Compliance-Officer bestellen!

Die in § 31 BORA angesprochene (freiwillige!) Möglichkeit zur Bestellung eines sog. Compliance-Officers wird in der Auseinandersetzung mit den neuen Compliance-Vorgaben vielfach als eine der wichtigsten und besten Maßnahmen benannt und empfohlen.

Der Compliance-Officer soll als Leitungsperson die technischen, organisatorischen und personellen Aufsichtsmaßnahmen hinsichtlich der Einhaltung der Berufspflichten verantworten. Man könnte folglich auch von einem „Berufsrechtsbeauftragten“ sprechen. Seine (oder ihre) Aufgaben sind so einzelfallabhängig wie die Compliance-Aufgaben der BAG selbst.

In den meisten Fällen wird der Compliance-Officer als erster Ansprechpartner für berufsrechtliche Fragen zur Verfügung stehen und zuständig sein für die

  • Erstellung, Aktualisierung und Dokumentation der Risikoanalyse,
  • Organisation und Durchführung von Schulungen,
  • Implementierung technischer Maßnahmen (z. B. für Konfliktchecks) sowie
  • berufsrechtsbezogene Kommunikation mit den Rechtsanwalts- bzw. Patentanwalts- und Steuerberaterkammern.

Beachten Sie | Aufgrund der Komplexität dieser Aufgaben ist es sinnvoll, dass der Compliance-Officer eng mit den Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen, der IT-Abteilung und sonstigen Fachbereichen in seiner BAG zusammenarbeitet. Damit ein Compliance-Officer seine Aufgaben gut erfüllen kann, muss er die BAG und die Arbeitsabläufe gut kennen, berufsrechtliche Kenntnisse haben und in vielen Fällen zudem eine gewisse Technikaffinität mitbringen. Findet sich nicht der oder die Eine, der/die all diese Punkte in sich vereint, können und sollten Sie daher auch ein „Compliance-Team“ erwägen.

6. Insbesondere: Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen

§ 59e Abs. 2 BRAO und die Parallelvorschriften in der PAO und dem StBerG formulieren pauschal, dass die BAG durch geeignete Maßnahmen sicherstellen muss, dass berufsrechtliche Verstöße frühzeitig erkannt und abgestellt werden. Nur im jeweiligen Satz 2 werden die Vorschriften konkreter: Bei der Beteiligung von nicht anwaltlichen Gesellschaftern muss durch geeignete gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen sichergestellt werden, dass die Gesellschaft für die Einhaltung der Berufspflichten sorgen kann. Sinnvoll für eine BAG sind deshalb die folgenden Regelungen:

  • allgemeine Verpflichtung aller Berufsträger zum berufsrechtskonformen Verhalten
  • interne Aufgaben- und Kompetenzverteilung, insbesondere zur Sicherstellung der beruflichen Unabhängigkeit
  • Umgang mit berufsrechtlichem Fehlverhalten (z. B. Abberufung, Kündigung oder Ausschluss aus der Gesellschaft)
  • Informationsrechte und -pflichten (z. B. im Verhältnis zum Compliance-Officer)

In vielen BAG gibt es solche Vorgaben bereits. Die neuen berufsrechtlichen Regelungen könnten gleichwohl zum Anlass genommen werden, den eigenen Gesellschaftsvertrag auf Anpassungs- oder Aktualisierungsbedarf zu überprüfen. Insofern werden folglich auch die Gesellschafter der BAG in die Pflicht genommen – es ist an ihnen, ihre Gesellschaftsverträge entsprechend zu gestalten.

Praxistipp | Auch wenn die berufsrechtlichen Vorschriften das nicht ausdrücklich anordnen: Über die gesellschaftsvertraglichen Regelungen hinaus bieten sich ggf. korrespondierende Vereinbarungen beispielsweise in Arbeits- oder Dienstverträgen mit den Mitarbeitern der BAG an (z. B. zu Weisungsrechten).

Fazit | Die neue berufsrechtliche Compliance-Pflicht ist wichtig und eine nachvollziehbare Folge der berufsrechtlichen „Aufwertung“ der BAG. Angesichts der Vielzahl der in Betracht kommenden Compliance-Maßnahmen und der Komplexität der betroffenen BAG selbst ist die Umsetzung jedoch keine leichte Aufgabe – nicht zuletzt, weil das neue Berufsrecht diese für neue Rechtsformen, Gesellschafterkreise und Tätigkeitsfelder geöffnet hat. Umso wichtiger ist es, das Compliance-Thema ernst zu nehmen und auf eine sorgfältige Prüfung, Umsetzung und Dokumentation eines passenden Compliance-Systems zu achten.

AUSGABE: AK 3/2024, S. 44 · ID: 49707948

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