Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Okt. 2022 abgeschlossen.
KostenfestsetzungDarauf sollte der Anwalt bei einer Verzögerungsrüge achten
| Ein Anwalt kann nach dem OLG Hamm eine Entschädigung verlangen, wenn über die festzusetzenden Kosten nicht schnell genug entschieden wird. Der Rechtspfleger darf den Antrag auf Kostenfestsetzung nicht einfach zurückstellen, bis das Rechtsmittelgericht die Akten zurücksendet, sondern muss sie anfordern. Auch in Rechtsmittelverfahren gibt es Zeiträume, in denen das Gericht die Akten nicht benötigt. |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Abruf-Nr. 227276
Die Anwältin verlangte von dem beklagten Land eine Geldentschädigung, da die Kostenfestsetzung hinsichtlich der erstinstanzlich angefallenen Pflichtverteidigergebühren in einem Strafverfahren überlang dauerte. Das OLG Hamm gab ihr grundsätzlich Recht (8.9.21, 11 EK 11/20, Abruf-Nr. 227276).
Denn in Rechtsmittelverfahren sind erfahrungsgemäß (kurze) Zeiträume vorhanden, in denen das Gericht die Akten nicht benötigt und zurücksenden kann. Da die Klägerin mitgewirkt hat und ihr Antrag entscheidungsreif war, war es zumutbar und geboten, dass der Rechtspfleger beim AG entscheidet, die Akten zeitnah vom LG anfordert, die (voraussichtliche) Bearbeitungsdauer anfragt und ggf. diese Frage binnen angemessener Frist wiederholt. Ob die Akten beim Rechtsmittelgericht entbehrlich sind oder nicht, muss dort je nach Stand des Berufungsverfahrens entschieden werden. Braucht das Rechtsmittelgericht die Akten, muss es eine Wiedervorlage verfügen, um neu zu prüfen, ob die Akten an das Untergericht zurückgesandt werden können.
Hier musste sich das AG die zweite Verfahrensverzögerung zurechnen lassen, da es angesichts des schon am 29.5.20 beschiedenen Antrags über die Vergütung für die zweite Instanz keinen sachlichen Grund gab, warum nicht gleichzeitig auch über den erstinstanzlichen Antrag entschieden wurde. Für die fünfmonatige Verzögerung sah das OLG eine Entschädigung von 200 EUR als angemessen, aber auch als ausreichend an.
Relevanz für die Praxis
Anwälte müssen sich nicht vertrösten lassen. Sie haben auch dann einen Anspruch, dass ihre Kostenfestsetzungsanträge zügig bearbeitet werden, wenn die Akten des Verfahrens temporär nicht beim entscheidenden Gericht liegen. Es ist nicht Aufgabe des Anwalts, sich selbst bei dem Gericht zu melden, das die Akten aktuell hält, und dort auf deren Rückgabe zu drängen. Das Gericht muss im Rahmen der Kostenfestsetzung dafür sorgen, dass ihm die entsprechenden Akten vorliegen, und muss mögliche Zeitfenster nutzen.
Vorliegend hat das OLG eine geringere als die Regelentschädigung des § 198 Abs. 2 S. 3 GVG angenommen. Das Festsetzungsverfahren betraf eine Anwaltsvergütung von nicht übermäßigem Wert. Dass die verzögerte Auszahlung zu einem den Zinsverlust übersteigenden Nachteil geführt hätte, war von der Klägerin weder dargelegt worden noch war dies sonst ersichtlich. Insoweit folgten die Richter dem OLG Zweibrücken (26.1.17, 6 Sch 1/16):
- Bei verzögerten Kostenfestsetzungsverfahren mit geringem Streitwert kann eine Abweichung von der Regelentschädigung nach unten in Betracht kommen.Anwalt muss Nachteile darlegen
- Anderenfalls muss der Anwalt entsprechend vortragen und entstandene Nachteile darlegen.
Das LSG Hessen entschied in einer ähnlich gelagerten Sache in einem PKH-Festsetzungsverfahren auf einen Entschädigungsbetrag von 20 EUR pro Monat der Verzögerung (12.5.21, L 6 SF 21/19 EK AS). Dort wurde auf folgende Aspekte hingewiesen:
- Ist zu beurteilen, ob eine überlange Verfahrensdauer vorliegt, sind aktive und inaktive Zeiten der Bearbeitung gegenüberzustellen.Bedenkzeiten sind aktive Zeiten
- Eine Vorbereitungs- und eine Bedenkzeit von sechs Monaten ist angemessen.
- Trotz Überlastung des Gerichts wird Mandant für lange Verfahrensdauer entschädigt, AK 22, 38
- Verzögerungsrüge: Vom Normsatz kann nur bei besonderen Gründen abgewichen werden, ID 47503237
- Dauerbrenner: Verzögerte Kostenfestsetzung – so setzen Sie sich zur Wehr, RVG prof. 19, 44
- Festsetzung trotz verjährter Anwaltsvergütung, RVG prof. 20, 117
- Entschädigungsanspruch wegen verzögerter Bearbeitung eines Vergütungsantrags, FMP 19, 85
AUSGABE: AK 10/2022, S. 167 · ID: 47910302