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Betriebswirtschaftliche ApothekensteuerungWichtige Kennzahlen für Apotheken: Die Kundenstruktur
| Die Kundenstruktur einer Apotheke gibt Auskunft über Gemeinsamkeiten und Unterschiede ihrer Kunden. Eine hilfreiche Grundlage zur Abbildung der Kundenstruktur ist eine Kundendatei, in der neben den Stammdaten der Kunden wie Alter, Geschlecht und Wohnort auch Bewegungsdaten (Kaufdaten) wie Art, Anzahl und Zeitpunkt der gekauften Produkte und psychografische Daten wie Einstellungen zu Gesundheit und Ernährung erfasst werden. |
Was sich aus der Kundenstruktur ablesen lässt
Aus den Daten lässt sich z. B. ablesen, wie hoch der Anteil der Stamm- und der Laufkunden ist. So kann eine Apotheke festgestellt haben, dass sie 60 Prozent Stammkunden und 40 Prozent Laufkunden hat. Die Apotheke kann sich nun fragen, ob dies die gewünschte Kundenstruktur ist, wenn nicht, ob sie verändert werden kann und wenn ja, in welche Richtung und mit welchen Mitteln.
Die Apotheke kann die Kundenstruktur teilweise durch ihre Leistungen beeinflussen, z. B. durch die Gestaltung der Preise und des Sortiments in der Sicht- und Freiwahl. Die Kundenstruktur ist daher auch eine Zielgröße.
Beispiel |
Kunden, die ausschließlich Produkte im Sonderangebot kaufen und keine Zusatzkäufe tätigen, prägen die Kundenstruktur einer Apotheke stark, sind aber nicht unbedingt erwünscht, wenn sie kaum zum Rohertrag beitragen. Hier stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Sonderangeboten. |
Die Kenntnis der Kundenstruktur hilft also zu erkennen, ob das Kundenpotenzial ausreichend ausgeschöpft wird oder ob es Erfolg versprechende Ansatzpunkte gibt, um die angestrebten Ziele, z. B. einen höheren Rohertrag, besser erreichen zu können.
Merke | Eine Kundendatei kann auch genutzt werden, um Stammkunden gezielt mit Sonderangeboten für ihre Treue zu belohnen. Aber auch das ist ein zweischneidiges Schwert: Würden diese Kunden weiterhin zu Normalpreisen kaufen, könnte unnötig Rohertrag „geopfert“ werden. |
Faktoren, die sich auf die Kundenstruktur auswirken
Die Kundenstruktur hängt von mehreren Einflussfaktoren ab: der Art und dem Standort der Apotheke, dem Ausmaß und der Intensität des Wettbewerbs sowie zahlreichen personenbezogenen Merkmalen der Kunden.
Einzelhandelsrelevante Kaufkraft
Ein kundenbezogener Einflussfaktor ist die einzelhandelsrelevante Kaufkraft. Sie wird ermittelt, indem von der Kaufkraftherkunft (Nettoeinkommen, Vermögensverzehr, Konsumkreditaufnahme)
- die gebundene Kaufkraft (Versicherungsprämien, private Altersvorsorge, Schuldentilgung etc.),
- freiwilliges Sparen und
- sonstige Konsumausgaben (Reisen, Kultur etc.)
abgezogen werden.
Diese Daten erhebt MB Research (www.iww.de/s12555) und stellt sie in Kaufkraftlandkarten sowie Tabellen dar. So betrug die einzelhandelsrelevante Kaufkraft 2024 im Bundesdurchschnitt 7.547 Euro pro Person, in Duisburg 6.459 Euro, in Oberhausen 6.831 Euro und in Hünxe (Kreis Wesel) 8.226 Euro. Diese Daten sind i. d. R. bei den Industrie- und Handelskammern erhältlich.
Beachten Sie | Die Unterschiede sind nicht nur zwischen den Städten, sondern auch innerhalb einer Stadt teilweise sehr groß. Auch hierfür können Daten herangezogen werden, und zwar auf der Ebene von Mikro-Postleitzahlen, die noch feiner sind als die Postleitzahlen selbst. Solche Daten bilden die Grundlage für das sogenannte mikrogeografische Marketing oder Geomarketing.
Einzugsgebiet
Für die Apotheke stellt sich zudem die Frage nach ihrem Einzugsgebiet:
- Woher kommen ihre Kunden?
- Welche Kunden erreicht sie nicht, obwohl dies aufgrund ihres Wohnorts oder der Nähe zu Arztpraxen zu erwarten wäre?
Eine Arztpraxis bzw. ein Ärztehaus bietet zweifelsohne ein großes Potenzial an Kunden. Aus Untersuchungen ist aber bekannt, dass eine Reihe von Kunden ihre Rezepte nicht unmittelbar nach dem Arztbesuch in der nächstgelegenen Apotheke einlöst, sondern zu einem anderen Zeitpunkt, etwa auf dem Weg zur oder von der Arbeit. Und die Einzugsgebiete verändern sich mit der Bereitschaft von Kunden, verstärkt in Versandapotheken einzukaufen, und mit der Veränderung der Struktur der Vor-Ort-Apotheken.
Wettbewerbsintensität
An dieser Stelle ist die Wettbewerbsintensität zu betrachten. Es gibt Apotheken, die an ihrem Standort sehr wenige Vor-Ort-Apotheken als Wettbewerber haben. An anderen Standorten kann das Gegenteil der Fall sein. Und hier hat es in den letzten Jahren erhebliche Veränderungen gegeben. Die Zahl an Vor-Ort-Apotheken hat deutlich abgenommen: von rund 21.500 im Jahr 2005 auf rund 17.000 im Jahr 2024. Geodatenbasierte Analysen zeigen, welche Stadtteile davon stärker und welche weniger stark betroffen sind. Dies wirkt sich auf die Kundenstruktur der verbleibenden Apotheken aus, aber auch auf den Personalbedarf. Reicht das Personal nicht aus, um neue Kunden zu betreuen, besteht die Gefahr, dass Kunden zu anderen Vor-Ort-Apotheken oder zu Versandapotheken abwandern.
Abbildung der Kundenstruktur
Eine Methode, die Kundenstruktur abzubilden, ist die sogenannte ABC-Analyse. Sie teilt die Kunden in die Kategorien A, B und C ein. Das Merkmal für die Einteilung kann z. B. der Umsatz oder der Rohertrag sein, den die Apotheke mit den Kunden erzielt. Die Verwendung des Rohertrags ist sinnvoller, aber auch aufwendiger und möglicherweise in der Apotheke nicht immer erwünscht.
Für die ABC-Analyse müssen Grenzen für den Umsatz oder den Rohertrag festgelegt werden, um die A-Kunden von den B-Kunden und die B-Kunden von den C-Kunden zu trennen. A-Kunden sind diejenigen mit dem höchsten Umsatz oder Rohertrag, C-Kunden diejenigen mit dem niedrigsten. Ein Ergebnis könnte sein, dass die Apotheke 20 Prozent A-Kunden, 30 Prozent B-Kunden und 50 Prozent C-Kunden hat. Aber was bedeutet das dann? Soll nun versucht werden, die B-Kunden zu A-Kunden zu entwickeln? Soll das Engagement bei den C-Kunden reduziert werden? Beides kann richtig, aber auch falsch sein. Eine solche Kundenstruktur sagt nämlich nur etwas über das Ergebnis aus, aber nichts über die Ursachen, wie es dazu gekommen ist und nichts über das künftige Potenzial, das z. B. durch das Alter der Kunden bestimmt wird. Insofern ist eine ABC-Kundenanalyse ohne weitere Analysen mit großer Vorsicht zu genießen.
Einen Einblick in die Ursachen geben soziodemografische Merkmale, z. B. Haushalte mit älteren Menschen und Haushalte mit kleinen Kindern. Noch näher kommt man den Ursachen des Kaufverhaltens, wenn man psychografische Merkmale hinzunimmt. Aus der Kombination verschiedener Arten von Merkmalen lassen sich Kundentypen ableiten, wie z. B. bei einem Lebensmitteleinzelhändler, der zehn Typen identifiziert hat:
- So ist der Haushaltstyp „Junge Familie mit Baby“ preis- und gesundheitsorientiert und kauft sowohl Herstellermarken als auch Produkte im Sonderangebot.
- Ein anderer Haushaltstyp ist „Preiseinstieg“: Hier handelt es sich um junge Menschen mit wenig Geld; für diese Haushalte ist der Preis wichtiger als die Qualität, sie tendieren zu Handelsmarken aus der Preiseinstiegsklasse.
Auch eine Apotheke kann ihre Kundendaten nutzen, um in ähnlicher Weise die Kundenstruktur zu analysieren. Dabei sollte sie sich nicht auf ökonomische Größen wie Absatz, Umsatz, Rohertrag und Kosten beschränken. Denn diese sind das Resultat des wirtschaftlichen Handelns, sagen aber nichts über die Ursachen aus, warum das Ergebnis so ausgefallen ist. Die Ursachen liefern Erkenntnisse z. B. über Einstellungen, Kaufmotive, Zufriedenheit und Bequemlichkeit des Einkaufs (Convenience) der Kunden. Solche Daten lassen sich nur über Kundenbefragungen gewinnen. Das mag zeitaufwendig und mühsam sein, liefert aber mehr Aufschlüsse für die Zukunft.
- Die Reihe der wichtigen Kennzahlen für Apotheken wird mit der „Kundenrentabilität“ fortgesetzt.
AUSGABE: AH 6/2025, S. 6 · ID: 50327291