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GesetzgebungReferentenentwurf zum Apotheken-Reformgesetz: Das sind die wichtigsten Eckpunkte
| Am 14.06.2024 hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) den Entwurf für ein Gesetz für eine Apothekenhonorar- und Apothekenstrukturreform (Apotheken-Reformgesetz – ApoRG) vorgelegt. Zur Umsetzung dieser Reform sollen das Apothekengesetz (ApoG), die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) und die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) geändert werden. AH stellt die wichtigsten geplanten Neuregelungen vor. |
„Apotheke light“
Kernstück des Entwurfs sind weitreichende strukturelle Änderungen, die u. a. den Betrieb einer Abgabestelle ohne Anwesenheit eines approbierten Apothekers ermöglichen sollen (sogenannte Apotheke light). Hier markiert der verfassungsgerichtlich geprägte Aspekt des „Apothekers in seiner Apotheke“ eine rote Linie, die nicht überschritten werden darf, wenn die bewährte Arzneimittelversorgung auf hohem Niveau in Deutschland erhalten bleiben soll.
Änderungen bei der Honorierung
Das Apothekenhonorar ist seit dem 01.01.2013 auf 8,35 Euro festgeschrieben und somit seit 11 ½ Jahren nicht angepasst worden. Während das Fixum schrittweise zum 01.01.2025 auf 8,66 Euro und zum 01.01.2026 auf 9 Euro angehoben werden soll, soll der Festzuschlag zum 01.01.2025 auf 2,5 Prozent und zum 01.01.2026 auf 2 Prozent gesenkt werden. Daneben sind folgende Änderungen vorgesehen:
- Der Betrag, der zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes erhoben wird, soll von 21 auf 28 Cent angehoben werden.
- Demgegenüber soll der Betrag, der zur Finanzierung von pharmazeutischen Dienstleistungen erhoben wird, von 20 auf 13 Cent gesenkt werden.
- Darüber hinaus soll erstmals mit Wirkung zum 01.01.2027 eine Anpassung des Fixums auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Apothekerverband e. V. (DAV) erfolgen.
- Der Großhandel soll wieder handelsübliche Skonti und Rabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gewähren dürfen, auch wenn sie den prozentualen Aufschlag von 3,15 Prozent überschreiten.
Strukturelle Anpassungen
Die folgenden geplanten Änderungen haben Auswirkungen auf die Betriebsabläufe in Apotheken:
- Es soll die Möglichkeit eröffnet werden, sowohl die Identitätsprüfung von Ausgangsstoffen als auch von Rezepturen selbst zentral innerhalb eines Filialverbunds durchzuführen. Die Rezepturherstellung für Zweigapotheken muss im Verbund unverzüglich erfolgen.
- Die Leitung von Filial- und Zweigapotheken kann auf zwei Apotheker aufgeteilt werden. Die Leitung von Filial- und Zweigapotheken eines Filialverbunds kann von den Apothekeninhabern selbst übernommen werden.
- Die Anforderungen für die Gründung von Filial- und Zweigapotheken werden gelockert:Einfachere Gründung
- Aufhebung des Kriteriums der Kreisgrenze: Die Neugründung einer Filialapotheke ist zukünftig nicht mehr auf denselben oder einen benachbarten Kreis bzw. auf dieselbe oder eine benachbarte kreisfreie Stadt beschränkt
- Einfachere Gründung von Zweigapotheken mit geringeren Anforderungen an die Ausstattung in Gebieten mit eingeschränkter ArzneimittelversorgungZweigapotheken als neue Versorgungsform
- Öffentliche Apotheken können bei Anwesenheit von erfahrenen pharmazeutisch-technischen Assistenten (PTA) geöffnet werden, sofern eine telepharmazeutische Anbindung an Apotheker im Filialverbund sichergestellt ist und die Apothekenleitung mindestens acht Stunden pro Woche persönlich anwesend ist. Dazu wird ein neuer § 3 Abs. 3a ApBetrO eingeführt. Außerdem wird eine Definition des Begriffs „Telepharmazie“ aufgenommen (geplanter neuer Abs. 19 in § 1a ApBetrO: „Telepharmazie ist die pharmazeutische Beratung insbesondere von Kunden oder Patienten durch entsprechend befugtes Personal der Apotheke mittels einer synchronen Echtzeit-Videoverbindung.“). Damit soll den Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung Rechnung getragen werden und die Möglichkeiten der Digitalisierung in der Apotheke sollen noch besser genutzt werden können.
- Darüber hinaus sollen flexible Öffnungszeiten ermöglicht werden, um diese an Personalressourcen und Bedürfnisse der Versorgung vor Ort anzupassen. Gemäß der Anpassung in § 23 ApBetrO soll sich eine Mindestöffnungsdauer von 39 Stunden pro Woche ergeben. Wenn insoweit nur noch über acht Stunden ein Apotheker in der Apotheke persönlich anwesend sein muss, mithin nur ca. 20 Prozent der geöffneten Zeit, entspricht dies nicht mehr dem Leitbild einer Apotheke. Daran ändert auch die Möglichkeit nichts, einen Apotheker im Rahmen der Telepharmazie hinzuzuziehen. Denn die Besonderheit der Arzneimittelversorgung besteht darin, dass die Bürger auf einen niedrigschwelligen persönlichen Zugang zu einem Pharmazeuten in der Apotheke vertrauen dürfen.Flexible Öffnungszeiten
- Für approbierte Apotheker, die ihre Prüfung außerhalb Deutschlands bestanden haben, besteht die Möglichkeit der Apothekenneugründung (anstatt wie bisher nur Übernahme).Pläne gegen den Fachkräftemangel
- Fachkräfte aus dem Ausland sollen bereits während des Anerkennungsverfahrens wie Auszubildende für pharmazeutische Tätigkeiten eingesetzt werden können.
- Für bestimmte unterstützende Tätigkeiten werden Beschäftigungsmöglichkeiten für weitere Berufsgruppen mit geeigneter Ausbildung geschaffen. So können z. B. Umfüll-, Verpackungs- und Kennzeichnungsarbeiten auch von anderem nicht pharmazeutischem Personal durchgeführt werden.
- Die Lagerung von Betäubungsmitteln in Kommissionierautomaten wird zugelassen. Hierbei ist zu bedenken: Die Einlagerung in Kommissionierautomaten erfolgt nach einem chaotischen Lagersystem. Für Unbefugte wären Betäubungsmittel als solche aufgrund der rein computergestützten Lagersystematik nicht erkennbar.
- Impfen und Testen: Bislang dürfen Apotheker nur gegen Corona und Influenza impfen. Zukünftig sollen Apotheker zusätzlich berechtigt sein, Impfungen mit Totimpfstoffen durchzuführen. Damit können sie beispielsweise auch die Impfung gegen Tetanus, Diphtherie oder Keuchhusten anbieten. Auch die Impfung gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) dürfen sie künftig anbieten, nicht aber andere Reiseimpfungen. Auch beim Gesunde-Herz-Gesetz sollen Apotheken Dienstleistungen zur Früherkennung und Vorsorge übernehmen. Die Ärzteschaft kritisiert dagegen den Impfvorstoß. Sie kritisiert auch, dass Apotheken zukünftig mehr testen dürfen. Neben Coronatests sollen sie künftig auch Schnelltests auf Influenza-, Rota- und Noroviren sowie auf das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) durchführen.Apotheken dürfen zukünftig mehr testen und impfen
Begründung und Bewertung
Das BMG begründet sein Gesetzesvorhaben damit, dass die Arzneimittelversorgung in der Fläche mittel- und langfristig weiterhin sichergestellt werden soll. Der Umbau bei der Vergütung soll demnach „Honoraranreize für Apothekenstandorte in ländlichen Regionen“ schaffen und eine „gerechtere Verteilung der Honorare“ erreichen. Branchenkenner sind sich hingegen überwiegend einig, dass die Probleme in der qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch den Referentenentwurf eher verschärft als gelöst werden. Man kann also nur hoffen, dass die jetzige Fassung des Referentenentwurfs auf dem Weg durch die Gremien noch überarbeitet wird. Denn: Im Rahmen einer Apothekenreform sollte das Wohl der Patienten durch eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung durch Apotheken und die Schaffung einer wirtschaftlichen Basis für die selbstständigen Apotheker und ihre Teams das oberste Ziel der vorgeschlagenen Maßnahmen sein.
Weiterer Zeitplan
Die 1. Lesung im Bundestag könnte Ende September erfolgen. Daran schließt sich die öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags an. Danach können Änderungsanträge eingebracht werden, die dann in der 2./3. Lesung im Bundestag mit dem Gesetz beschlossen werden. Auch die abschließende Beratung im Bundesrat steht im Herbst noch aus. In Kraft treten sollen die neuen Regelungen spätestens zum 01.01.2025. Dieses Datum ist für das Inkrafttreten der Honorarpläne ausdrücklich genannt, während die übrigen Regelungen des Gesetzes nach Verkündung im Bundesanzeiger wirksam werden sollen.
AUSGABE: AH 8/2024, S. 11 · ID: 50079949