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Zahnersatz„Freischussregelung“ greift auch bei Lückenjahr in den letzten fünf Jahren vor Behandlungsbeginn

Abo-Inhalt13.08.202510813 Min. LesedauerVon RAin Meike Schmucker, LL. M., Münster

| Bei der Genehmigung von Zahnersatzversorgungen müssen Krankenkassen den Festzuschuss in Höhe von 75 Prozent ausnahmsweise auch dann gewähren, wenn ein Lückenjahr in den letzten fünf Jahren vor der Behandlung besteht. Das geht aus zwei aktuellen Gerichtsurteilen hervor (Landes sozialgericht [LSG] Mainz, Urteil vom 06.02.2025, Az. L 5 KR 141/24 und Sozialgericht [SG] Duisburg, Urteil vom 10.04.2025, Az. S 39 KR 830/24). Während in der Vergangenheit unterschiedlich interpretiert wurde, wann die einmalige Fehlzeit innerhalb des Zehn-Jahres-Zeitraums liegen durfte, haben das LSG Mainz und das SG Duisburg die „Freischussregelung“ nach § 55 Abs. 1 S. 7 Sozialgesetzbuch (SGB) V nunmehr übereinstimmend ausgelegt. |

Hintergrund: „Freischussregelung“ laut § 55 Abs. 1 S. 5 SGB V

Gemäß § 55 Abs. 1 S. 5 SGB V erhöhen sich die Festzuschüsse zum Zahnersatz auf 75 Prozent, wenn der Versicherte seine Zähne regelmäßig pflegt und in den letzten zehn Kalenderjahren vor Behandlungsbeginn jährlich Vorsorgeuntersuchungen wahrgenommen hat. Zusätzlich, und zwar unabhängig davon, gibt es die Ausnahmeregelung („Freischussregelung“) gemäß § 55 Abs. 1 S. 7 SGB V: Demnach können die Krankenkassen den Zuschuss in Höhe von 75 Prozent im Einzelfall auch dann gewähren, wenn der Versicherte im Zehn-Jahres-Zeitraum vor der Behandlung die zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchungen aus nachvollziehbaren Gründen einmal(!) nicht wahrnehmen konnte (AAZ 03/2022, Seite 5 ff.).

In den beiden entschiedenen Fällen hatten schwerwiegende Gründe die Zahngesundheitsuntersuchung verhindert

Im Fall des LSG Mainz hatte der Kläger im Zeitraum von 2012 bis 2020 jährlich eine Vorsorgeuntersuchung wahrgenommen. Im Winter 2021 hatte der Kläger die geplante Zahngesundheitsuntersuchung abgesagt. Grund dafür war eine Krebserkrankung mit Prostatektomie und anschließender Rehabilitationsmaßnahme. Er holte die Vorsorgeuntersuchung im Frühjahr 2022 nach. Im selben Jahr beantragte der Kläger einen Festzuschuss in Höhe von 75 Prozent für eine provisorische Oberkieferversorgung, der von der Krankenkasse mit Verweis auf die Unterbrechung des Zehn-Jahres-Zeitraums jedoch nur in Höhe von 60 Prozent bewilligt wurde.

Ähnlich stellte sich der Sachverhalt im Fall des SG Duisburg dar. Hier hatte der Kläger in den Jahren 1997 bis 2019 mindestens einmal jährlich eine Kontrolluntersuchung durchführen lassen. In den Jahren 2020 und 2021 hatte der Kläger wegen des Ansteckungsrisikos während der Coronapandemie die Kontrollen in der Praxis jedoch ausgelassen, da die Ehefrau des Klägers aufgrund einer Autoimmunerkrankung mit medikamentöser Immunsuppression als Hochrisikopatientin keinem Ansteckungsrisiko mit dem Coronavirus ausgesetzt werden durfte. Im Jahr 2024 beantragte der Kläger für eine notwendige Zahnersatzbehandlung einen Zuschuss in Höhe von 75 Prozent, der von der Krankenkasse mit Verweis auf die Unterbrechung in den Jahren 2020 und 2021 jedoch nur in Höhe von 60 Prozent gewährt wurde.

So begründeten die Gerichte ihre Entscheidungen

In beiden Fällen, die das LSG Mainz und das SG Duisburg entschieden haben, war unstreitig, dass die geplante zahnprothetische Versorgung medizinisch notwendig und die regelmäßige Zahnpflege durch die Kläger eingehalten war. Ebenso erkannten das LSG Mainz und das SG Duisburg in beiden Fällen aufgrund der schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die einer Wahrnehmung der geplanten Vorsorgeuntersuchungen entgegenstanden, dass nachvollziehbare Gründe für die Unterbrechung i. S. d. § 55 Abs. 1 S. 7 SGB V gegeben waren.

Die Ausnahmeregelung gilt auch dann, wenn eine einmalige Unterbrechung des Zehn-Jahres-Zeitraums innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Behandlung liegt. Es erschließt sich nach Auffassung der Gerichte nicht, dass eine einmalige Unterbrechung des Zehn-Jahres-Zeitraums nur in den ersten fünf Jahren des maßgeblichen zehnjährigen Zeitraums privilegiert werden sollte. Anderenfalls würden Versicherte, wie die beiden Kläger, die jahrzehntelang regelmäßig Kontrolltermine wahrgenommen haben und dies in den letzten fünf Jahren vor Behandlungsbeginn einmalig versäumt haben, mit Versicherten gleichgestellt, die sich überhaupt nicht um Kontrolltermine bemüht haben.

In dem vom SG Duisburg entschiedenen Fall fiel das zweite Lückenjahr 2020 wegen der Sonderregelung des § 55 Abs. 1 S. 6 SGB V für die Coronazeit nicht ins Gewicht.

Exkurs: eZahnbonusheft seit dem 01.01.2022

Das elektronische Zahnbonusheft (eZahnbonusheft) ist seit 01.01.2022 Teil der elektronischen Patientenakte (ePA) der Versicherten. Eine ePA ist daher Grundvoraussetzung für die Führung eines eZahnbonushefts. Sowohl ePA als auch eZahnbonusheft sind freiwillige Anwendungen der Patienten. Die papiergebundenen Zahnbonushefte behalten weiterhin ihre Gültigkeit und können wie gewohnt genutzt werden.

Diese Vorteile hat das Zahnbonusheft für Praxen und Patienten

  • Praxen können Bonuseinträge automatisch ins Praxisverwaltungssystem (PVS) übertragen.
  • Praxen und Patienten können die aktuellen Einträge stets einsehen, aufwendige Suchen oder Datenverluste entfallen.
  • Die Patienten können das Bonusheft nicht vergessen oder verlieren.
  • Mit einer automatisierten Erinnerungsfunktion werden die Patienten an ihre zu sichernden Boni erinnert.

AUSGABE: AAZ 9/2025, S. 2 · ID: 50498087

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