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BegründungsmanagementSo begründen Sie Faktoranpassungen souverän und schlüssig

Abo-Inhalt02.06.202510808 Min. LesedauerVon Birgit Brunn, ZMV und Praxismanagerin, Oldenburg

| Viele Zahnarztpraxen empfinden den Umgang mit den Erstattungsstellen der Privatpatienten als lästig. Vor allem bei Beihilfepatienten frustriert der fast immer auf die Rechnung folgende Ablehnungsbescheid, der sich aus offensichtlich zementierten Textbausteinen, unterlegt mit Paragrafen, darstellt. Unsere Patienten legen uns diesen vor und bei uns kommt dann sinngemäß an „Können Sie das bitte besser, anders oder gar nicht machen?“ Gemeint sind neben Analogien vor allem sogenannte Schwellenwertüberschreitungen – die Faktorenerhöhungen oder, positiv ausgedrückt, Faktorenanpassungen. Um Beanstandungen richtig zu begegnen, ist eine professionelle Kommunikation gefragt – souverän, aber nicht zu pauschal und zu ruppig. Und hierfür müssen unsere Begründungen stimmig sein. Textbausteine helfen hier nur bedingt weiter. |

Schaffen Sie im Vorfeld Klarheit!

  • Wenn eine Praxis selbst Antwortschreiben auf eine Beanstandung durch den Kostenträger verfasst, so liegt meist schon ein Fundus an Textbausteinen vor. Dennoch ist es unerlässlich, die eigene Abrechnung hieb- und stichfest zu begründen. Nur eine solide Begründung ist die Basis für die einen erfolgreichen Widerspruch des Patienten an die Kostenträger.
  • Vermeiden lassen sich Ablehnungsbescheide i. d. R. nicht, denn die privaten Kostenträger haben ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten, um Beitragsgelder maßvoll für die Versicherten und Anspruchsberechtigten auszugeben – eine Vorgehensweise, welche bei uns Steuer- und Beitragszahlern grundsätzlich Verständnis auslösen sollte. Um den Patienten diese Problematik verständlich zu machen, sollte jede Praxis mit der Anamnese den Patienten ein generelles Schriftstück vorlegen, um von vornherein klarzustellen, dass diese Vorgehensweise zu erwarten ist (Abruf-Nr. 42341866)
  • Sinnvoll ist generell auch eine Honorarvereinbarung, die in regelmäßigen Abständen und besonders bei den einzelnen Behandlungen spezifiziert zur Unterschrift den Patienten vorgelegt werden sollte (Abruf-Nr. 43353293). Die Praxisverwaltungssoftware sollte so eingestellt sein, dass sie den entsprechenden Gesetzestext samt den betreffenden Positionen gleich mit ausdruckt bzw. virtuell generiert. So lässt sich der Zeit- und Arbeitsaufwand deutlich senken.

Begründen Sie individuell und patientenbezogen!

Eine Faktoranpassung folgt meist den wirtschaftlichen Beweggründen einer Zahnarztpraxis (z. B. bei der Minus-Liste BEMA/GOZ; AAZ 12/2024, Seite 3 ff.). Und doch darf es in der Begründung niemals um die Wirtschaftlichkeit oder Preispolitik oder das Konzept einer Praxis gehen. Faktorenanpassungen sind mit den passenden, d. h. patientenbezogenen, Argumenten zu begründen. Gemäß GOZ/GOÄ können wir in der Praxis Faktorenanpassungen vornehmen, wenn folgende Bemessungskriterien erfüllt sind:

Beispiel: Begründung der Faktoranpassung bei einer PZR

ZMP Lisa führt bei Herrn Müller (63 Jahre, gesetzlich versichert) eine Prophylaxesitzung durch. Sie teilt Herrn Müller im Anschluss mit, es sei alles in Ordnung. Es lägen sehr wenig Beläge vor, diese auch nur noch oberflächlich und Herr Müller sei auf einem guten Weg, die erlernten Skills auch im häuslichen Bereich sehr gut umzusetzen. Die Sitzung hat 20 Minuten gedauert (geplant waren 45 Minuten).

Herr Müller hat einen Heil-und Kostenplan (HKP) für die Nr. 1040 GOZ mit einer Summe über 104 Euro unterschrieben. Da Herr Müller nur noch 25 Zähne besitzt, lassen sich die 104 Euro nur mit einem höheren Faktor als 2,3-fach erzielen. Die Rechnung wird entsprechend dem HKP generiert und Herrn Müller zugestellt. Als Begründung wählt Lisa folgenden Textbaustein: „Erhöhter Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand beim Ausführen der Leistung, da bei Herrn Müller ein vermehrtes Vorkommen stark anhaftender Plaquebeläge zu entfernen war.“ Zwar entspricht die Rechnung dem im HKP vereinbarten Betrag, aber die gewählte Begründung ist im vorliegenden Fall sachlich falsch, denn sie entspricht weder den Tatsachen noch den Informationen, die Herr Müller in der Behandlungssitzung erhalten hat.

Herr Müller meldet sich telefonisch und moniert die Rechnung. Im direkten Gespräch argumentiert Lisa ungeschickt.

So bitte nicht:

  • „Bitte haben Sie Verständnis, wir müssen auf unseren Satz kommen.“

So ist es richtig:

  • Sofort: „Danke für den Hinweis. Wir prüfen das und werden uns melden, die Rechnung lassen Sie bitte erst mal liegen.“
  • Nach Prüfung wird die Rechnung an den tatsächlichen zeitlichen Aufwand angepasst. Insbesondere die sachlich falsche Begründung wird entfernt.
  • Info an den Patienten: „Wir haben uns das angeschaut und alles überprüft. Das haben wir zu entschuldigen und danken, dass Sie sich gemeldet haben. Sie bekommen eine korrigierte Rechnung.“
  • 1. Schwierigkeit,
  • 2. Zeitaufwand und
  • 3. besondere Umstände bei der Ausführung einer Leistung (die Schwierigkeit einer Leistung kann auch durch die Schwierigkeit des ganzen Krankheitsfalles begründet sein).

Wichtig | Dieser Fall ist keine Schablone für alle Beschwerden dieser oder ähnlicher Art. Wenn in einem vergleichbaren Fall schon die vereinbarte Summe angesetzt werden soll, dann ist der Patient auch lange genug in der Praxis zu halten (z. B. durch eine Überpolitur oder eine Klärung offener Fragen).

Holen Sie den Patienten mit ins Boot!

Wer kennt ihn nicht, den Klassiker unter den Monierungen durch Patienten („Ich habe doch gar nicht gespeichelt“), weil mal der Begründungstextbaustein ganz oben in der EDV („vermehrter Speichelfluss“) verwendet wurde (und das womöglich noch im Frontzahnbereich des Oberkiefers, wo der Speichelfluss an sich so gut wie nicht vorkommen kann)? Jede Begründung muss unbedingt passend, individualisiert und vor allem auch für die Patienten verständlich sein. Wenn Sie den Rückhalt des Patienten haben, dass auch dieser in seinem Widerspruch bekräftigt, notfalls sogar bei einer Klage gegen Erstatter vor Gericht, dass dem so war, ist dies mehr als die halbe Miete.

Doch wie erreichen wir, dass der Patient, welcher unsere Behandlung nicht visuell erfasst, die spätere Begründung auf der Rechnung akzeptiert? Wir machen den Behandlungsaufwand für ihn hörbar:

Beispiele: So bereiten Sie den Patienten auf eine spätere Faktorerhöhung vor

Das sagen Sie dem Patienten

So begründen Sie die Faktoranpassung

„Hier sind zwar wenige, aber unheimlich hartnäckige Beläge, die ich entfernen muss.“

„hartnäckige, fest anhaftende, schwer zu entfernende Plaqueablagerungen, welche sich interdental schwer erreichbar darstellen“

„Ihre Kiefergelenke machen uns die Behandlung heute schwer. Wir machen noch mal eine Pause, damit Sie sich davon erholen können.“

„behutsame Vorgehensweise mit vermehrten Pausen unter der Behandlung aufgrund einer vorliegenden CMD-Problematik“

Wichtig | Beziehen Sie auch die Anamnese mit ein. Gibt es hier vielleicht Medikationen, die eine Behandlung erschweren und Faktorenanpassungen plausibel machen (z. B. Blutverdünner)? Oder liegt ein Diabetes (mit möglichen Wundheilungsstörungen) vor, der eine erhöhte Aufklärung und Unterweisung erfordert?

So organisieren Sie Ihr Begründungsmanagement sinnvoll

Beispiel: So gelingt die Begründung der Faktoranpassung anhand der Behandlungsdokumentation

Einleitung

„Erhöhter Aufwand bei Ausführung der Leistung während der Behandlung von Herrn ... wegen ...“

Kernaussage

(hier wurde an einem oberen Seitenzahn im 1. Quadranten gearbeitet): „... einer anatomisch bedingten schweren Einsehbarkeit des Arbeitsfeldes.“

  • Die Begründung ist stets Sache der behandelnden Zahnärztin oder des behandelnden Zahnarztes. Eingespielte Teams setzen bereits beim Eintragen der Behandlungspositionen die Begründung zumindest ansatzweise ein.
  • Natürlich helfen Textbausteine ungemein. Sie sollten jedoch wirklich gut individualisiert werden. Wer schnell im Schreiben ist, nimmt sich die Behandlungsdokumentation kurz vor und zieht hieraus eine völlig freie, aber treffende Kernaussage. Den Grundstein hierfür legt eine einwandfreie Dokumentation der Behandlung.
  • Seien Sie nicht enttäuscht, wenn der Kostenträger doch wieder pauschal per Textbaustein ablehnt. Idealerweise geben Sie dann ab an die Erstattungsstelle Ihres Factoringunternehmens. Diese freut sich, wenn die Begründung individuell und vollständig passend zu den entsprechenden Umständen ist. Der Patient ist, wenn wir ihm vorab unseren Text mit den Erstattungsanmerkungen gegeben haben, auch hierauf vorbereitet.
  • Lassen Sie sich nicht verunsichern, wenn die Versicherer in ihrem Ablehnungsschreiben unterschwellig eine andere Begründung vorschlagen (weil sie diese besser akzeptieren würden), und weichen Sie in Ihrer Nachbegründung von Ihrer ursprünglichen Begründung nicht ab. Denn dies würde Ihre Begründung und somit auch Ihre Dokumentation unglaubwürdig machen.

AUSGABE: AAZ 9/2025, S. 16 · ID: 50419465

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