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RechtsprechungUrteil zur GOÄ-Abrechnung: Vorsicht bei Abtretung von Honoraransprüchen
| Wenn ein Gläubiger seine (vermeintlichen) Ansprüche gegen einen Schuldner an eine dritte Person abtritt, so muss sich der Schuldner mit einer fremden Person/Institution streiten, die bisher außerhalb des Vertragsverhältnisses stand. Um das zu verhindern, gibt es vertragliche Abtretungsverbote. Die Wirksamkeit eines solchen Abtretungsverbots als Teil eines Behandlungsvertrags ist fraglich. Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat in einem Fall entschieden, dass die Klausel zum Abtretungsverbot als Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) einzustufen und im konkreten Fall unwirksam ist (Urteil vom 17.08.2022, Az. 7 U 143/21). |
Inhaltsverzeichnis
Der Fall
Ein Arzt hatte bei seiner privat krankenversicherten Patientin Operationen an der Wirbelsäule durchgeführt und diese mit insgesamt rund 27.000 Euro in Rechnung gestellt. Die Patientin hatte die Rechnungen bezahlt und bei ihrer Krankenversicherung, der späteren Klägerin, zur Erstattung eingereicht. Die Krankenversicherung erstattete die bezahlten Beträge zunächst, machte aber in einem Gerichtsverfahren gegen den Arzt Rückforderungsansprüche geltend, weil sie die GOÄ-Rechnung im Umfang von fast 20.000 Euro für fehlerhaft überzogen ansah. Unter Berücksichtigung des 30-Prozent-Tarifs der Patientin errechnete die Krankenversicherung einen Rückforderungsbetrag von rund 6.000 Euro, worauf sie den Arzt verklagte. Der Arzt machte in dem Rechtsstreit geltend, seine GOÄ-Rechnung sei korrekt, da die Patientin über die angesetzten Steigerungsfaktoren informiert und damit einverstanden gewesen sei. Vor allem aber argumentierte der Arzt, die klagende Krankenversicherung dürfe ihn überhaupt nicht (auf Rückzahlung) verklagen, da die Patientin im schriftlichen Behandlungsvertrag ausdrücklich zugestimmt hätte, keine Ansprüche an ihre Versicherung abzutreten. Im Behandlungsvertrag war folgendes Abtretungsverbot formuliert:
Klausel zum Abtretungsverbot im Behandlungsvertrag: |
„Mit Ihrer Unterschrift versichern Sie, Forderungen aus der Behandlungsrechnung nicht an Ihre Krankenversicherung/Beihilfestelle abzugeben und das berechnete Honorar selbst zu tragen, soweit Ihre Versicherung oder Beihilfestelle dies nicht oder nicht in vollem Umfang erstattet.“ |
Das Urteil
Das Landgericht hatte der Klage in Höhe von rund 4.700 Euro stattgegeben. Die Berufungsinstanz bestätigte dies und wies die Berufung zurück. Was die inhaltliche Richtigkeit der ursprünglichen GOÄ-Rechnungen angeht, hatte das Landgericht durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben und die von der Versicherung monierten Rechnungspositionen auf Basis dieses Gutachtens beurteilt. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen hatte das Landgericht die Einwendungen der Versicherung gegen die Abrechnungen nach GOÄ größtenteils als begründet angesehen und daher den Rückforderungsbetrag überwiegend bestätigt.
Von besonderer Bedeutung war nun aber die Frage, ob die behaupteten Rückforderungsansprüche von der Patientin/Versicherungsnehmerin überhaupt wirksam an die Versicherung abgetreten worden waren und daher die Versicherung überhaupt befugt war, klageweise gegen den Arzt vorzugehen. Dies bejahten im Ergebnis sowohl das Landgericht als auch das OLG. Die Klausel zum Abtretungsverbot wurde durch das Berufungsgericht als AGB angesehen und als solche rechtlich überprüft. Keine AGB lägen nur dann vor, wenn die vertragliche Regelung (Klausel) individuell und frei verhandelbar sei. Diese sogenannte AGB-Kontrolle führte hier zur Feststellung der Unwirksamkeit, da die Klausel sowohl als „überraschende Klausel“ als auch als „unangemessene benachteiligende Klausel“ qualifiziert wurde.
Überraschend sei eine Klausel, wenn der Vertragspartner mit ihr nach den Umständen des Falls vernünftigerweise nicht zu rechnen bräuchte. Es fehlte zwar vorliegend nicht an einem ausdrücklichen Hinweis auf das Abtretungsverbot als solches. Dieses wurde im Gegenteil hinreichend kenntlich gemacht. Überraschend sei dieses Abtretungsverbot dennoch gewesen, weil es sich nicht allein auf die zuvor im Behandlungsvertrag aufgeführten Leistungen bezogen habe, sondern auf alle Forderungen aus der letztlich zu stellenden Rechnung. Mit einem so umfangreichen Abtretungsverbot habe man nicht rechnen müssen. Daneben hielt das Berufungsgericht die Klausel auch für „unangemessen benachteiligend“. So sei zu berücksichtigen, dass der Versicherte – im Gegensatz zu seiner Krankenversicherung – nicht über die notwendige Sachkunde bzw. Kapazitäten verfüge, um qualifiziert zu beurteilen, ob eine Leistung zulässig abgerechnet worden sei.
Merke | Abtretungsverbote sind nur dann nicht überraschend und unangemessen benachteiligend, wenn der Patient die (nicht abtretungsfähigen) Forderungen genau kennt und daher im Vorfeld prüfen kann, ob die späteren Forderungen überhaupt berechtigt sind. Auch wenn die AGB-Kontrolle häufig streng ausfällt: Eine Abtretungsklausel kann durchaus Bestand haben und ist dann möglicherweise sinnvoll, um den Patienten zu zwingen, den Honorarstreit selbst zu führen, wenn er dies denn wirklich will. |
Fazit | Ärztinnen und Ärzte, die in Behandlungsverträgen ein Abtretungsverbot verankern wollen, versuchen dies regelmäßig – mit gleichem Wortlaut – in allen ihren schriftlichen Behandlungsverträgen. Dann aber handelt es sich regelmäßig um AGB, die einer besonderen rechtlichen Kontrolle unterliegen. Solche Klauseln sind z. B. dann unwirksam, wenn die Klausel aus Sicht des Gerichts überraschend oder für den Patienten unangemessen benachteiligend ist. Um den Eindruck einer „überraschenden Klausel“ zu verhindern, ist es notwendig, die Klausel klar herauszustellen und aus den Formulierungen im Behandlungsvertrag deutlich diesen Regelungsinhalt erkennbar zu halten. Patienten sind jedenfalls dann nicht unangemessen benachteiligt, wenn sie vor Unterzeichnung eines Abtretungsverbots die Möglichkeit haben, hinsichtlich aller später abgerechneten Leistungen die Wirksamkeit der Forderungen im Vorfeld zu klären, beispielsweise durch Anfrage an die Versicherung. |
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AUSGABE: AAA 12/2022, S. 13 · ID: 48750102