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PatientenrechteNeues Notvertretungsrecht unter Eheleuten ab dem 01.01.2023 – das sollten Hausärzte wissen

Abo-Inhalt28.11.20221319 Min. LesedauerVon RAin, FA MedR Dr. Christina Thissen, Münster

| Zum 01.01.2023 erhalten Ehepartner und Lebenspartner i. S. d. § 21 Lebenspartnerschaftsgesetz ein wechselseitiges Notvertretungsrecht in Gesundheitsangelegenheiten. Für behandelnde Ärztinnen und Ärzte bringt die Neuregelung Erleichterungen im Arbeitsalltag, aber auch neue Pflichten. Diese Notfallsituationen spielen vor allem im Krankenhaus und bei der Behandlung dort eine Rolle, doch auch Hausärzte werden dabei vielfach hinzugezogen oder von den betroffenen Ehepartnern kontaktiert, sodass sie die Rechtslage kennen sollten. |

Bisherige Regelung erfordert Bestellung eines Betreuers

Wenn heute ein verheirateter Patient ohne Vorsorgevollmacht, der aufgrund seines akuten Gesundheitszustands z. B. einwilligungsunfähig ist, in einem Krankenhaus behandelt wird, muss der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner zunächst gerichtlich als Betreuer bestellt werden, um rechtsverbindlich über die weitere Behandlung entscheiden zu dürfen. Sie kommen als behandelnder Arzt daher nicht umhin, bei Gericht entweder eine einstweilige Anordnung zur beabsichtigten Behandlungsmaßnahme zu beantragen oder eine Betreuerbestellung zu initiieren – ein umständliches Prozedere für alle Beteiligten.

Das neue Notvertretungsrecht ab dem 01.01.2023

Ab dem 01.01.2023 soll die Neuregelung des § 1358 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für Vereinfachung sorgen, indem Ehegatten und Lebenspartnern im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes ein wechselseitiges Notvertretungsrecht in Gesundheitsangelegenheiten eingeräumt wird. Dieses gilt auch uneingeschränkt für ausländische Patienten auf deutschem Staatsgebiet.

Berechtigungen der Ehepartner/eingetragener Lebenspartner ab dem 01.01.2023

Wenn ein Patient aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit nicht in der Lage ist, seine Gesundheitsangelegenheiten selbst zu besorgen, wird der betreffende Ehepartner/eingetragener Lebenspartner demnach berechtigt,

  • in Untersuchungen, Heilbehandlungen oder Eingriffe einzuwilligen oder sie zu untersagen und für den Patienten die ärztliche Aufklärung entgegenzunehmen, inklusive Einsichtnahme in die Patientenakte,
  • Behandlungs-, Krankenhaus- oder eilige Rehabilitations/Pflegeverträge abzuschließen und durchzusetzen,
  • für einen Maximalzeitraum von sechs Wochen in freiheitsentziehende Maßnahmen einzuwilligen (z. B. Bettgitter, Fixierung oder Sedierung) und
  • Ansprüche aus Anlass der Erkrankung gegenüber Dritten geltend zu machen oder an die betreffenden Leistungserbringer abzutreten bzw. Zahlung unmittelbar an diese zu verlangen (z. B. gegen den Krankenversicherer auf Übernahme von Behandlungskosten)

Das Gesetz enthält keine Vertretungspflicht. Der betroffene Ehepartner/eingetragene Partner kann die Übernahme der Notvertretung auch ablehnen. Als behandelnder Arzt müssen Sie in diesem Fall auf das altbekannte Handlungsregime zurückgreifen und ein Betreuungsverfahren bei Gericht anregen. Gleiches gilt im Fall der vom Gesetz vorgesehenen Rückausnahmen der Notvertretung gemäß § 1358 Abs. 3 BGB (neue Fassung ab dem 01.01.2023).

In diesen Fällen scheidet die Notvertretung von vornherein aus

  • Die Ehegatten/eingetragenen Lebenspartner leben getrennt, d. h., eine häusliche Wohngemeinschaft besteht entweder tatsächlich nicht oder wird bei einer bislang fehlenden räumlichen Trennung vom Partner abgelehnt.
  • Dem behandelnden Arzt ist bekannt, dass der erkrankte Ehepartner die Vertretung durch den anderen Teil ablehnt.
  • Dem behandelnden Arzt ist eine Vorsorgevollmacht oder andere auch Gesundheitsangelegenheiten betreffende Vollmacht bekannt.
  • Es wurde bereits ein Betreuer gerichtlich bestellt.

Neue Informationsquellen für behandelnde Ärzte ...

In den meisten Fällen werden Sie den Patienten nicht selbst befragen können, ob er z. B. getrennt lebt oder eine Vorsorgevollmacht ausgestellt hat, die nicht seinen Partner ausweist. Sie werden also in weiten Teilen auf die Angaben des Ehepartners angewiesen sein, die einer Nachprüfung nur sehr eingeschränkt zugänglich sind. Auch wenn Sie laut Gesetzesbegründung insoweit keine spezifische Prüf- und Nachforschungspflicht trifft, werden Ihnen neue Informationsquellen eröffnet, auf die Sie bei Zweifeln zurückgreifen können, wenn Sie dies möchten. So erhalten Ärzte ab dem 01.01.2023 ein Einsichtsrecht über das Zentrale Vorsorgeregister, das bislang nur den Betreuungsgerichten zugänglich war. Patienten können dort einen Widerspruch gegen das Notvertretungsrecht eintragen lassen.

... aber auch neue Pflichten!

Zwar haben Sie keine Nachforschungspflicht, aber § 1358 Abs. 4 BGB (neue Fassung) erlegt Ihnen spezifische Bestätigungs-/Versicherungspflichten auf. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass das Notvertretungsrecht automatisch sechs Monate nach erstmaligem Eintritt der Voraussetzungen erlischt.

Bestätigungs-/Versicherungspflichten für behandelnde Ärzte ab dem 01.01.2023

  • Schriftliche Bestätigung, dass die Voraussetzungen des Vertretungsfalls nach § 1358 Abs. 1 BGB (neue Fassung) vorliegen mit Angabe des Zeitpunkts, zu dem diese spätestens eingetreten sind
  • Vorlage dieser schriftlichen Bestätigung an den Vertreter zusammen mit einer schriftlichen Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1358 Abs. 1 BGB und dem Fehlen eines Ausschlussgrunds nach § 1358 Abs. 3 BGB
  • Einholung einer schriftlichen Versicherung des Vertreters, dass das Notvertretungsrecht bislang nicht ausgeübt wurde und kein Ausschlussgrund nach § 1358 Abs. 3 BGB vorliegt
Weiterführende Hinweise
  • Ein Musterformular zur Ehegattennotvertretung steht bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft online zum Download unter iww.de/s7266 zur Verfügung.
  • Beratung zur Patientenverfügung – Abrechnung aus hausärztlicher Sicht (AAA 11/2022, Seite 9)

AUSGABE: AAA 12/2022, S. 15 · ID: 48764920

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