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Berufs- und VertragsrechtNeues Urteil zur GOÄ-Abrechnung: Was tut sich an der Facharztgrenze?
| Ein Orthopäde, der Magnetresonanztomografie(MRT)-Untersuchungen abgerechnet hat, ohne die – fachgebundene – Zusatz-Weiterbildung MRT nach der Weiterbildungsordnung für die Ärzte (Bayerns) absolviert zu haben, braucht Rückforderungsansprüche der gezahlten Vergütung nicht zu fürchten. Die für einen Anspruch auf ärztliches Honorar maßgeblichen Behandlungsverträge sind jedenfalls nicht nichtig. Welche Folgerungen lassen sich aus diesem Urteil allgemein und auch für die privat zu liquidierenden Leistungen von Hausärzten ableiten (Urteil des Bayerischen Oberlandesgerichts [OLG] vom 18.01.2022, Az. 1 Z RR 40/20)? |
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt
Geklagt hatte ein privater Krankenversicherer, der die Rückzahlung bereits gezahlter ärztlicher Honorare forderte. Der beklagte niedergelassene Facharzt für Orthopädie, Chirurgie und Unfallchirurgie hatte auf der Grundlage eines Kooperationsvertrags mit einem Krankenhaus bei einem Privatpatienten MRT-Untersuchungen erbracht und abgerechnet. Die Versicherung versuchte den Rückzahlungsanspruch als „ungerechtfertigte Bereicherung“ geltend zu machen. Der Behandlungsvertrag sei wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz (hier: Art. 34 Abs. 1 des Heilberufe-Kammergesetzes Bayern [HKaG]) nichtig.
Entscheidungsgründe
Wie schon die vorgehenden Instanzen (wenn auch mit abweichender Begründung) erachtete das Revisionsgericht die Zahlungen nicht als „ohne Rechtsgrund“ geleistet. Der Orthopäde habe die MRT-Untersuchungen auf der Basis wirksamer Behandlungsverträge erbracht.
Merke | Ob von Fachärzten für Orthopädie und Unfallchirurgie erbrachte MRT-Leistungen grundsätzlich fachfremd und damit möglicherweise unzulässig sind, ließ das Gericht allerdings im Ergebnis offen. |
Behandlungsvertrag ist nicht nichtig und daher gültig
Die Nichtigkeit des Behandlungsvertrags mit der Folge eines fehlenden Anspruchs auf Zahlungen lehnte das OLG ab. Denn Art. 34 HKaG sei kein Verbotsgesetz nach § 134 BGB. Nach § 134 BGB „ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, […] nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.“ Art. 34 Abs. 1 HKaG besagt: „Wer eine Gebietsbezeichnung führt, darf grundsätzlich nur in dem Gebiet, wer eine Teilgebietsbezeichnung führt, muss auch in dem Teilgebiet tätig sein, dessen Bezeichnung er führt.“ Bereits die Tatsache, dass dem Wortlaut nach („grundsätzlich“) Ausnahmen zugelassen seien, spreche gegen die Annahme eines Verbotsgesetzes. Das Gericht kommt auch zu dem Ergebnis, dass ein Verstoß gegen Art. 34 HKaG nicht die Nichtigkeit eines ärztlichen Behandlungsvertrags sein solle, da es nur einen Vertragspartner betreffe. Der Vertrag bleibe demnach also gültig.
GOÄ steht der fachfremden Leistung nicht entgegen
Auch die Regelungen der GOÄ stehen den Honoraransprüchen des beklagten Arztes nach Ansicht des Gerichts nicht entgegen. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ darf der Arzt Vergütungen (§ 3 GOÄ) nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich sind.
Weder sah das Gericht, dass die Untersuchung nicht medizinisch indiziert und damit nicht notwendig gewesen wäre, noch erkannte es Anhaltspunkte dafür, dass die Untersuchungen nicht „nach den Regeln der ärztlichen Kunst“ erfolgt wären. Zwar sei der Arzt bei der Behandlung den Regeln der medizinischen Wissenschaft verpflichtet. Daraus ergebe sich jedoch nicht, dass einem Arzt für fachfremde Leistungen kein Honoraranspruch zustünde. Dem Arzt obliege die Prüfung, ob er aufgrund seiner Fähigkeit und der sonstigen Umstände in der Lage sei, seine Patienten nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu behandeln. Damit sei dem Schutz der Patienten ausreichend Rechnung getragen.
Fazit | Im Bereich der privatärztlichen Behandlungen bestätigt das Urteil die Wirksamkeit von Verträgen über Behandlungen, die außerhalb der formalen Facharztgrenzen der Weiterbildungsordnung liegen. Zwingend ist aber in jedem Fall, dass der Arzt faktisch über die Qualifikation zur Erbringung der Leistung verfügt. Keine Unklarheiten zu fachfremder Abrechnung im Vertragsarztwesen Für den vertragsärztlichen Bereich schließt das OLG hingegen eine vom Gesetz intendierte Nichtigkeit eines Behandlungsvertrags über eine MRT-Untersuchung eines Nichtradiologen nicht aus. Dort könnte der Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit der Versorgung weitergehende Beschränkungen der vertragsärztlichen Versorgung rechtfertigen. Dieser Aspekt ist aber faktisch von keiner großen Bedeutung, weil die ständige Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit es für rechtmäßig hält, dass allein Radiologen die für eine Abrechnung von MRT-Leistungen vorausgesetzten Abrechnungsgenehmigungen erteilt werden dürfen. Eine darüber hinausgehende Positionierung lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Das OLG hält beispielsweise berufsrechtliche Sanktionen für fachgebietsüberschreitende LeistungserbringerInnen für denkbar. Daraus folgt, dass das Gericht ersichtlich nicht der Auffassung ist, dass jegliche Überschreitung der Facharztgrenzen grundsätzlich nicht zu beanstanden wäre. Da schließlich das Gericht im zu entscheidenden Fall davon ausging, dass der klagende Arzt die faktische Qualifikation für die Durchführung der MRT-Untersuchungen aufwies, kann aus dem Urteil auch nicht abgeleitet werden, dass mit der Entscheidung jede ohne ausreichende Qualifikation erbrachte fachfremde Leistung zulässig und abrechenbar wäre. Bei Privatliquidation bleiben Fragen offen Somit bringt auch das Urteil des OLG leider keine eindeutige Gewissheit in der Frage, inwieweit fachfremde Arztleistungen privat liquidiert werden dürfen. |
AUSGABE: AAA 4/2022, S. 13 · ID: 48104261