Zwangsvollstreckung
Ist niemand da, muss keine Zustellung „versucht“ werden
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KanzleiorganisationKanzleisoftware blockiert den beA-Versand …
| Misslingt die elektronische Übermittlung, ist eine Ersatzeinreichung nach § 46g S. 3 ArbGG zwingend. Zudem dürfen eidesstattliche Versicherungen nach § 46c Abs. 3 S. 3 ArbGG nicht als einfache Anlagen übermittelt werden. |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Im vorliegenden Fall scheiterte die Übermittlung einer Berufungsschrift über das beA aufgrund von Problemen mit der Anwaltssoftware. Der IT-Administrator der Kanzlei konnte ein notwendiges Update erst später installieren. Als der Anwalt die Berufung über die beA-Webanwendung zu versenden versuchte, brach die gesamte Kanzlei-EDV zusammen („Totalabsturz“).
Der Vortrag war dem LAG Baden-Württemberg (10.4.25, 2 Sa 8/25, Abruf-Nr. 247717) zu dünn: Stütze sich ein Antrag auf Wiedereinsetzung auf vorübergehende „Computer-Defekte“, „Abstürze“ oder „technische Probleme“, seien die konkreten Umstände zu schildern (BGH 1.3.23, XII ZB 228/22, Abruf-Nr. 234608). Der Anwalt habe sich „schmallippig“ gezeigt und habe pauschal „schwerwiegende[n] technische[n] Probleme[n]“ vorgetragen, die „Software [sei] aufgrund eines Fehlers nicht korrekt ausgeführt“ worden. Zudem habe die Kanzlei zu passiv agiert: Außer einem versuchten zweiten Anruf beim IT-Administrator habe sie nichts unternommen. Warum auch die Übermittlung über die beA-Webanwendung gescheitert sei, blieb ebenso unklar.
Nutze der Anwalt sein beA über eine Schnittstelle mit einer Kanzleisoftware, sei dies nicht die einzige Möglichkeit, Dokumente elektronisch zu übermitteln. Falle die Software aus oder arbeite nicht korrekt, könne – und müsse – ein Anwalt auf die beA-Webanwendung zugreifen. Diese könne online unabhängig von der internen Software aufgerufen und genutzt werden. Anwälte müssten zwar nicht zwingend selbst einen zweiten elektronischen Übermittlungsweg vorhalten. Seien weitere Übermittlungswege vorhanden, sind diese auszuschöpfen, bevor eine Ersatzeinreichung erfolgen dürfe. Da der Anwalt zum „Totalabsturz“ der Kanzlei-EDV ungenügende Angaben gemacht habe, sei es für das Gericht möglich gewesen, dass er selbst auch an den misslungenen Sendeversuchen über die Webanwendung schuld gewesen sei. Der Anwalt habe zudem nicht einfach ab 18 Uhr aufhören dürfen zu versuchen, den Schriftsatz elektronisch zu übermitteln. Seine zitierte BGH-Entscheidung (19.12.24, IX ZB 41/23, Abruf-Nr. 246233) sei hier nicht anwendbar. Nur wenn ein Anwalt eine zulässige Ersatzeinreichung veranlasst habe, müsse er vor Fristablauf keine weiteren Versuche der elektronischen Übermittlung unternehmen.
Relevanz für die Praxis
Anwälte müssen die beA-Webanwendung zwingend beherrschen, selbst wenn sie diese selten nutzen. Ob dies auch für die beA-App auf mobilen Endgeräten des Anwalts gilt, ließ das LAG offen. Eidesstattliche Versicherungen von Dritten, die die technischen Probleme in der Kanzlei bestätigen, sind an das Gericht als elektronisches Dokument qualifiziert signiert bzw. einfach signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg einzureichen (§ 46c Abs. 3 S. 3 ArbGG).
AUSGABE: AA 7/2025, S. 118 · ID: 50409159