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BetriebsratDie Freistellung des Betriebsrats von Rechtsanwaltskosten

Abo-Inhalt07.07.20257018 Min. LesedauerVon RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FOM Hochschule Bremen

| Der Betriebsrat (BR) kann vom ArbG eine Freistellung von Anwaltskosten für die außer- und gerichtliche Durchsetzung von Rechten verlangen. Dies gilt auch, wenn der Beschluss, mit dem er den Anwalt beauftragt hat, zunächst unwirksam war. Voraussetzung ist, dass in einem späteren ordnungsgemäß gefassten Beschluss dieser Beauftragung ausdrücklich zugestimmt wird. |

Sachverhalt

Der ArbG stellte eine Beschäftigte ein, ohne zuvor den BR zu beteiligen. Diesem wurde mitgeteilt, dass diese Beschäftigte leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG sei. Eine schriftliche fristgebundene Bitte des BR um weitere Informationen ließ der ArbG unbeantwortet. Daraufhin beschloss der BR, vom ArbG die Aufhebung der personellen Maßnahme zu verlangen und soweit notwendig, ein Verfahren nach § 101 S. 1 BetrVG einzuleiten sowie die Verfahrensbevollmächtigten mit dem Verfahren zu beauftragen.

Nach erfolgloser anwaltlicher Aufforderung gegenüber dem ArbG, die personelle Maßnahme aufzuheben, leiteten die BR-Verfahrensbevollmächtigten das gerichtliche Beschlussverfahren ein. Noch während der Probezeit kündigte der ArbG das Arbeitsverhältnis mit der als HR-Leitung beschäftigten Mitarbeiterin. Das Beschlussverfahren wurde mit Beschluss eingestellt, ohne dass zuvor ein Termin stattgefunden hatte. Der ArbG beglich die Rechnungen der Verfahrensbevollmächtigten des BR nicht. Daraufhin beschloss der BR die Einleitung des Verfahrens und eine entsprechende Beauftragung seiner Verfahrensbevollmächtigten sowie die Bestätigung des ursprünglichen Beauftragungsbeschlusses. Die Wirksamkeit dieser Beschlüsse ist streitig.

Der BR ist der Auffassung, er habe die Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung und Vertretung für erforderlich halten dürfen. Die Beschlussfassungen seien ordnungsgemäß erfolgt. Insbesondere seien die Ersatzmitglieder zu den Sitzungen jeweils zutreffend hinzugezogen gewesen. Der ArbG meint, bei der Beschlussfassung habe ein Ersatzmitglied, das zu laden gewesen wäre, nicht mitgewirkt. Der erste Beschluss sei daher unwirksam, dies habe der zweite Beschluss auch nicht mehr heilen können. Das LAG Nürnberg (23.11.23, 2 TaBV 8/23) verpflichtete den ArbG zur Freistellung von den Anwaltskosten.

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde des ArbG vor dem BAG (25.9.24, 7 ABR 37/23, Abruf-Nr. 246833) blieb erfolglos. Der ArbG sei verpflichtet, den BR gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG von den mit Rechnungen der Rechtsanwälte erhobenen Forderungen freizustellen. Der ArbG trage die durch die Tätigkeit des BR entstehenden Kosten, wozu auch erforderliche Rechtsanwaltskosten gehören. Der ArbG habe aber nur diejenigen Kosten einer anwaltlichen Tätigkeit zu tragen, die auf eine Beauftragung aufgrund eines ordnungsgemäßen BR-Beschlusses zurückgehen. Dies sei hier der Fall gewesen.

Zwar sei zur ersten Betriebsratssitzung wegen der zeitweiligen Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds nicht dasjenige Ersatzmitglied geladen, welches gemäß § 25 Abs. 2 S. 1 BetrVG in den BR nachgerückt war, sondern ein anderes Ersatzmitglied. Der erste Beschluss sei mithin unwirksam, weil eine wesentliche Verfahrensvorschrift erheblich verletzt worden sei. Werde für ein zeitweilig verhindertes Betriebsratsmitglied ein vorhandenes Ersatzmitglied nicht geladen, sei der BR an einer wirksamen Beschlussfassung gehindert, denn das Ersatzmitglied hat keine Gelegenheit, sich in die Beratung einzubringen.

Den fehlerhaften Betriebsratsbeschluss habe das Gremium mit der späteren zweiten Beschlussfassung in rechtswirksamer Weise gebilligt. Die der anwaltlichen Beauftragung zugrunde liegende Vereinbarung zwischen dem Verfahrensbevollmächtigten und dem BR zur Geltendmachung und Durchsetzung seiner Rechte sei genehmigungsfähig, da zunächst ein Vertragsschluss durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht vorgelegen habe. Der BR könne später einen ordnungsgemäßen Beschluss fassen und damit der zunächst schwebend unwirksamen Vereinbarung nachträglich zustimmen. Ein uneingeschränkter Rückbezug der Genehmigung sei nur ausgeschlossen bei fristgebundenen Rechtsgeschäften. Insoweit werde die Rückwirkung der Genehmigung durch die nach § 40 BetrVG gebotene Erforderlichkeitsprüfung begrenzt. Die Frage der Erforderlichkeit sei vom Zeitpunkt des Beschlusses aus zu beurteilen, der die Kosten ausgelöst habe. Da die Erforderlichkeit zwischen den Beteiligten unstreitig sei, liege folglich eine wirksame Genehmigung vor.

Relevanz für die Praxis

Der 7. Senat stellt instruktiv die Erfordernisse einer wirksamen Beschlussfassung des BR dar. Dabei wird die bisherige Rechtsprechungslinie bestätigt und fortgeführt. Verstöße gegen Verfahrensvorschriften, die für das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Betriebsratsbeschlusses als wesentlich anzusehen sind, führen zur Unwirksamkeit des Beschlusses. Danach bewirkt zwar nicht jeder Verstoß gegen die formellen Anforderungen einer ordnungsgemäßen Betriebsratssitzung die Unwirksamkeit eines darin gefassten Beschlusses. Der Verstoß muss so schwerwiegend sein, dass der Fortbestand des Beschlusses von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden kann. Nur dann kann die Beachtung von Verfahrensvorschriften Vorrang vor dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit beanspruchen (BAG 15.4.14, 1 ABR 2/13). Das ist der Fall, wenn ein (Ersatz-)Mitglied nicht geladen wurde, weil es dann an der Beratung und Beschlussfassung gar nicht teilnehmen konnte. Schließt der BR aufgrund eines unwirksamen Beschlusses einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit einem Rechtsanwalt, liegt nach § 177 Abs. 1 BGB mangels Vertretungsmacht schwebende Unwirksamkeit vor. Durch eine spätere rechtswirksame Beschlussfassung kann die Genehmigung erfolgen.

Zu den Kosten des BR gehören auch Kosten für einen Rechtsanwalt, dessen Heranziehung in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren der BR zur Durchsetzung seiner Rechte für erforderlich halten durfte (vgl. BAG 8.3.23, 7 ABR 10/22). Hierfür hat der BR eine Einschätzungsprärogative. Die Prüfung der Erforderlichkeit muss damit ex ante, also bezogen auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung, erfolgen.

AUSGABE: AA 7/2025, S. 116 · ID: 50459335

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