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DatenschutzArbN will die Anzahl und den Wert von Stock Units der Kollegen erfahren: Und der Datenschutz?
| Beim Lohnausfallprinzip des § 37 Abs. 2 BetrVG kann bei variablen Vergütungsbestandteilen ein Indiz für die hypothetische Zielerreichung des BR-Mitglieds der Zielerreichungsgrad einer Vergleichsgruppe sein. Das BR-Mitglied kann einen Auskunftsanspruch gegen den ArbG haben, um den hypothetischen variablen Vergütungsbestandteil durchzusetzen. |
Entscheidungsgründe
Das LAG Düsseldorf (26.2.25, 12 Sa 817/23, Abruf-Nr. 247238) stellte fest, dass sich der Auskunftsanspruch auch auf die konkrete individuelle und nicht anonymisierte Angabe der Zielerreichungsgrade der einzelnen ArbN richte. Datenschutzrechtliche Bedenken ständen dem nicht entgegen.
Zwar habe der ArbG dem ArbN bereits anonymisierte Zielerreichungsgrade mitgeteilt, diese allerdings mehrfach geändert. Zugleich habe er diese Zielerreichungsgrade in ihrer Zuordnung so in der Zeitschiene gemischt, dass eine Zuordnung zu einzelnen namentlich genannten Personen nicht mehr möglich sei. Erforderlich sei aber für den konkret maßgeblichen Zweck auch unter Berücksichtigung des Datenschutzes der betroffenen sechs ArbN, um deren Zielerreichungsgrad es jeweils gehe, die individuelle Zuordnung. Für eine individuelle, aber anonymisierte Auskunft habe das BAG (8.9.21, 10 AZR 11/19) von vornherein keinerlei datenschutzrechtliche Bedenken gesehen. Die hier begehrte und zugesprochene Auskunft gehe darüber hinaus.
Zu berücksichtigen sei, dass es sich bei dem Auskunftsbegehren um eine zweckändernde Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO handele. Es gehe darum, dass diese Daten durch Übermittlung an den ArbN offengelegt werden sollen. Die Zielerreichungsgrade der einzelnen benannten ArbN habe der ArbG zur Feststellung des Maßes der Zielerreichung und zur Bemessung der daraus resultierenden Vergütung der einzelnen ArbN, das heißt für Zwecke der Durchführung des Arbeitsverhältnisses mit diesen (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO; § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG), erhoben. Wenn dem ArbN nun die Daten für die Durchsetzung seiner arbeitsvertraglichen Vergütungsansprüche gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG und für die Ermittlung einer hypothetischen Zielerreichung überlassen werden würden, sei das eine andere Zwecksetzung.
Eine zweckändernde Datenerhebung sei, wenn – wie vorliegend – keine Einwilligung der sechs betroffenen ArbN vorliege, nur nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO zulässig. Danach könne zunächst eine Bestimmung des nationalen Rechts die Datenverarbeitung erlauben. § 24 Abs. 1 Nr. 2 BDSG erlaube nichtöffentlichen Stellen die Verarbeitung personenbezogener Daten zu einem anderen Zweck als zu demjenigen, zu dem die Daten erhoben wurden. Dies müsse aber erforderlich sein, um zivilrechtliche Ansprüche geltend zu machen, auszuüben oder zu verteidigen. Außerdem dürften die Interessen der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung nicht überwiegen. Zugleich seien die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Datenminimierung gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO zu beachten.
Die Anforderungen des Art. 6 Abs. 4 DSGVO seien im konkreten Fall erfüllt. Die Zweckänderung sei mit dem Zweck, zu welchem die Daten erhoben wurden, vereinbar. Es gehe in beiden Fällen darum, die Vergütungshöhe im Arbeitsverhältnis zu bestimmen. Die grundlegende Art des Zwecks bleibe mithin unverändert. Er betreffe nur eine andere Person und sei für die Bestimmung von deren Vergütungshöhe Hilfsmittel. Die Personen ständen auch nicht zusammenhanglos nebeneinander, sondern unterfielen jeweils dem gleichen Regelungsmechanismus für die Festlegung der hier maßgeblichen auf die Planelemente bezogenen Zielerreichung.
Es handele sich nicht um eine Kategorie besonders sensibler Daten i. S. v. Art. 9 oder 10 DSGVO. Es gehe nur um den Zielerreichungsgrad bezogen auf die einzelnen Planelemente als solchen, nicht aber um die zugrunde liegenden vereinbarten Ziele oder die daraus folgenden Vergütungshöhen.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Datenminimierung sei beachtet worden. Das Gericht halte die individuelle Angabe der Zielerreichungsgrade im konkreten Fall für erforderlich und unter Berücksichtigung der Interessen der sechs ArbN für angemessen. Mit der anonymisierten Angabe der Zielerreichungsgrade könne der ArbN nicht feststellen, ob diese Daten, d. h. die angegebenen Zielerreichungsgrade und ein daraus folgender Durchschnitt, zutreffend seien. Dies gelte zunächst für die zeitversetzten und durcheinandergewürfelten Angaben durch den ArbG. Eine zeitlich linear zugeordnete Angabe hingegen eröffne hier ohnehin einen Rückschluss auf die einzelnen Personen, wäre mithin überhaupt keine Anonymisierung. Dem ArbN müsse zudem die Möglichkeit offenstehen, Umstände vorzutragen, die Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Daten ergäben.
Bei einer Anonymisierung sei das in diesem konkreten Fall nicht möglich. Es sei auch erwogen worden, gegenüber dem ArbN anzuordnen, die Daten nur zum Zwecke des Verfahrens zu nutzen. Dazu bestände aber kein Anlass. Der ArbN sei aus seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflicht gegenüber dem ArbG ohnehin verpflichtet, die Daten nur für die Zwecke des Verfahrens zu benutzen. Er mache sich zudem gegebenenfalls schadenersatzpflichtig oder verwirke einen Bußgeldtatbestand nach der DSGVO, wenn er die erhaltenen Daten missbräuchlich verwende. Anhaltspunkte für ein solches Verhalten des ArbN seien ohnehin nicht ersichtlich.
Relevanz für die Praxis
Eine datenschutzrechtliche Vorwirkung des ab dem 1.4.25 geltenden § 273a ZPO, die zudem mangels Antrags des ArbG nur entsprechend von Amts wegen hätte erfolgen können, komme nicht in Betracht. Entgegen der Ansicht des ArbG verbietet das Datenschutzrecht die Weitergabe von individuellen Daten auch ohne Einwilligung der Betroffenen nicht absolut. Vielmehr könne die Abwägung wie hier die vollständige Offenlegung personenbezogener Daten gebieten (EuGH 2.3.23, C-268/21).
AUSGABE: AA 7/2025, S. 113 · ID: 50459384