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DirektionsrechtKonfliktlage innerhalb des Kollegenkreises: Wie weit darf der ArbG gehen?

Abo-Inhalt11.06.20254 Min. Lesedauer

| Es ist Sache des ArbG zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren will. Liegt in Gestalt einer Konfliktlage ein hinreichender Anlass vor und ist eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, ist grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Der ArbG verletzt seinen Ermessensspielraum erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lässt. |

Entscheidungsgründe

Das LAG Köln (25.2.25, 7 SLa 456/24, Abruf-Nr. 247500) musste über die Versetzung eines ArbN aufgrund des Vorwurfs der sexuellen Belästigung entscheiden. Dabei kam das LAG zum Ergebnis, dass die örtliche Umsetzung dem billigen Ermessen nach § 106 S. 1 GewO, § 315 BGB entsprochen habe.

Der Vorwurf der mehrfachen sexuellen Belästigung einer Arbeitskollegin und die ausgesprochene Empfehlung der Antidiskriminierungsstelle, dem ArbN für das Büro ein Betretungsverbot auszusprechen, waren zwar Auslöser für die Umsetzungsentscheidung des ArbG. Der gerichtliche Nachweis einer sexuellen Belästigung sei aber keine Tatbestandsvoraussetzung für die Umsetzung. Daher sei es unerheblich, dass das beklagte Land in der über einem Jahr später stattgefundenen Beweisaufnahme die sexuelle Belästigung nicht habe nachweisen können. Dies ergebe sich zudem daraus, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle der Zeitpunkt sei, zu dem der ArbG die Ermessensentscheidung zu treffen habe.

Es sei Sache des ArbG zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren wolle (BAG 24.10.18, 10 AZR 19/18). Er müsse dabei nicht zunächst die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die entstandenen Konflikte im Einzelnen aufklären. Liege in Gestalt einer Konfliktlage ein hinreichender Anlass vor und sei eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, sei grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Seinen Ermessensspielraum verletze der ArbG erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lasse (Hessisches LAG 23.10.20, 10 SaGa 863/20, Abruf-Nr. 222144).

Solche sachfremden Erwägungen seien im vorliegenden Fall nicht gegeben. Bei Konflikten wie im vorliegenden Fall sei eine Trennung der betroffenen ArbN eine geeignete und sachgerechte Maßnahme zur Lösung des Konflikts. Es gebe keinerlei objektive Anhaltspunkte dafür, dass sich der ArbG bei seiner Entscheidung von sachfremden Erwägungen habe leiten lassen. Vielmehr habe der ArbG im Rahmen seiner Möglichkeiten sogar überobligatorisch alles getan, um den Sachverhalt aufzuklären.

Zwar möge der ArbN die Umsetzung als „Strafe“ empfinden. Die Umsetzung diene aber der Befriedung des Konflikts und sei keine „Bestrafung“. Der ArbG habe sich bei der Entscheidung von zutreffenden Erwägungen leiten lassen. Eine räumliche Trennung der Protagonisten innerhalb des Projektbüros sei aufgrund dessen Größe und der gemeinsam genutzten Flächen nicht möglich. Es sei daher ermessensgerecht, dem ArbN einen anderen Dienstort zuzuweisen. Einerseits habe der ArbN durch den neuen Dienstort einen längeren Arbeitsweg und höhere Fahrtkosten. Anderseits entstehe dieser Mehraufwand nur, wenn der ArbN den neuen Arbeitsort auch tatsächlich aufsuchen müsse. Denn aufgrund der großzügigen Regelung zum „Home-office“ und mobilen Arbeiten sowie aufgrund der zahlreichen Auswärtstermine dürfe dies nicht allzu oft sein. Zudem habe er eingeräumt, dass er seine Präsenz regelmäßig mit Auswärtsterminen kombiniere und hierfür einen Dienstwagen nutze. Die Änderung des Arbeitsorts sei mithin keine im Verhältnis zur Lösung des Konflikts unzumutbare Belastung.

Letztlich könne die Kammer sich nicht vorstellen, wie die ArbN und der ArbN jemals wieder unbefangen hätten zusammenarbeiten können. Denn mindestens aus Sicht der Kollegin sei der ArbN ein sexueller Belästiger. Und aus Sicht des ArbN sei die Frau eine Falschbeschuldigerin. Dies beeinträchtige nicht nur das Verhältnis der Protagonisten untereinander, sondern in einem so kleinen Büro auch den Betriebsfrieden insgesamt.

Relevanz für die Praxis

Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 S. 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Versetzung für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Dem Gericht obliegt nach § 106 GewO, § 315 Abs. 3 S. 1 BGB die Prüfung, ob der ArbG als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat. Bei dieser Prüfung kommt es nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der ArbG die Ermessensentscheidung zu treffen hatte (BAG 18.10.17, 10 AZR 330/16).

Weiterführende Hinweise
  • Hund am Arbeitsplatz: Erst geduldet, dann vertrieben, LAG Düsseldorf in AA 25, 86
  • 20 wichtige Entscheidungen zum Thema „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz“ in AA 24, 122

AUSGABE: AA 6/2025, S. 103 · ID: 50424931

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