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BefristungLeih-ArbN auf Dauerarbeitsplätzen
| Der Entleiher ist nicht gehindert, einen zuvor bei ihm eingesetzten Leih-ArbN auf Basis eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags einzustellen. Das Leiharbeitsverhältnis ist nicht auf die Befristungshöchstdauer anzurechnen. Eine auf § 1 Abs. 1b AÜG basierende Besetzung von Dauerarbeitsplätzen mit Leih-ArbN ist auch unionsrechtlich nicht zu beanstanden. |
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristungsvereinbarung. Die ArbN war zunächst über ein Zeitarbeitsunternehmen beim ArbG eingesetzt. Dann hatten die Parteien einen befristeten Arbeitsvertrag ohne Sachgrund geschlossen, der noch einmal verlängert wurde.
Die ArbN behauptet, ihr sei mitgeteilt worden, dass sie fest übernommen werde. Die Übernahme sei nur aufgrund einer unverschuldeten Krankheit unterblieben. Der ArbG handele daher widersprüchlich und rechtsmissbräuchlich. Dies folge auch aus der Tatsache, dass er Dauerarbeitsplätze durch den wechselnden Einsatz von Leih-ArbN besetze. Außerdem umgehe der ArbG durch die Befristungen im Anschluss an ein Leiharbeitsverhältnis die gesetzliche Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten.
Der ArbG beruft sich darauf, dass er die Höchstgrenze von zwei Jahren für eine sachgrundlose Befristung eingehalten habe. Das Arbeitsgericht Weiden wies die Klage daraufhin ab (9.9.20, 3 Ca 53/20).
Entscheidungsgründe
Auch die dagegen gerichtete Berufung vor dem LAG Nürnberg (25.2.21, 5 Sa 396/20, Abruf-Nr. 222992) blieb erfolglos. Die gegenständliche Befristung des Arbeitsverhältnisses sei rechtmäßig erfolgt. Sie habe das Arbeitsverhältnis wirksam beendet. Der vorherige Einsatz eines Leih-ArbN sei keine Vorbeschäftigung nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG.
Zwar könne eine sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen bei Vorliegen besonderer Umstände gegen § 242 BGB verstoßen und daher rechtsmissbräuchlich sein. Es könne rechtsmissbräuchlich sein, wenn die durch das TzBfG vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten ausgenutzt würden. Dann müssten mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene ArbG im bewussten und gewollten Zusammenwirken aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge mit demselben ArbN ausschließlich deshalb abschließen, um so über die vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können.
Dies sei vorliegend nicht erkennbar. Dafür erforderliche Indizien, wie etwa eine tatsächliche und rechtliche Verbindung des ArbG, eine Identität des Arbeitsplatzes oder Fortführung der Tätigkeit ohne zeitliche Unterbrechung würden nicht vorliegen. Voraussetzung für die Feststellung einer missbräuchlichen Befristung wäre die Notwendigkeit einer Umgehung des Anschlussverbots des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG und die mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarende Rechtsfolge der in dem Vertrag vereinbarten Befristung.
Selbst wenn es sich bei der von der ArbN ausgefüllten Stelle um Dauerarbeitsplätze beim ArbG handele, sei nicht von einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung durch den ArbG auszugehen. Darin liege insbesondere keine Umgehung des § 1 Abs. 1b AÜG. Eine darauf basierende Besetzung von Dauerarbeitsplätzen mit Leih-ArbN halte einer Missbrauchsprüfung Stand. Dies sei auch unionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die nach Art. 5 Leiharbeitsrichtlinie 2008/104 EG vom 19.11.08 geforderte Missbrauchsprüfung erfasse nur die Zahl der mit derselben Person abgeschlossenen Verträge, nicht hingegen die zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen Verträge.
Relevanz für die Praxis
Leider konnte über die Revision nicht mehr entschieden werden, da die Parteien sich verglichen haben (BAG 19.10.22, 7 AZR 259/21, Abruf-Nr. 232727). Dies ist deswegen bedauerlich, weil das BAG noch keine Gelegenheit hatte, sich zur neuen Regelung des § 1 Abs. 1b AÜG in Bezug auf den dagegen gerichteten Einwand einer rechtsmissbräuchlichen Nutzung im Falle einer Besetzung von Dauerarbeitsplätzen mit Leih-ArbN zu äußern.
Das LAG Nürnberg sieht darin genauso wenig ein Problem wie bereits zuvor das LAG Köln (6.9.19, 9 TaBV 23/19, Abruf-Nr. 232728). Die gegenständliche Regelung ist seinerzeit als gesetzgeberischer Kompromiss formuliert worden. Anknüpfungspunkt für eine zeitliche Begrenzung des Einsatzes von Leih-ArbN auf 18 Monate sollte dabei nicht der Beschäftigungsbedarf beim Entleiher, sondern allein die Person des betreffenden Leih-ArbN sein. Die dauerhafte Besetzung eines Arbeitsplatzes beim Entleiher und die damit verbundene Einschränkung der Stammbelegschaft dürfte daher nach der Konzeption des Gesetzes zulässig sein.
Die dagegen bestehenden europarechtlichen Einwände dürften zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Regelungen der Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG vom 19.11.08 verfolgen das Ziel, für den Schutz der Leih-ArbN zu sorgen und die Qualität der Leiharbeit zu verbessern. Die Sicherung von Dauerarbeitsplätzen im Entleihunternehmen wird weder erwähnt noch ergibt sie sich aus deren Sinn und Zweck. Ziel soll es danach sein, dass die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für Leih-ArbN mindestens denjenigen entsprechen, die für diese ArbN gelten würden, wenn sie von dem entleihenden Unternehmen für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt würden. Im Falle von ArbN, die einen unbefristeten Vertrag mit dem Leih-ArbN geschlossen haben, wird angesichts des hierdurch gegebenen besonderen Schutzes die Möglichkeit eröffnet, von den im entleihenden Unternehmen geltenden Regeln abzuweichen. Dies dürfte in keinem Zusammenhang damit stehen, ob die Tätigkeiten im Entleihunternehmen dauerhaft sind oder nicht. Es bleibt abzuwarten, wie sich das BAG zu dieser Frage verhalten wird, nachdem der EuGH hierzu auch noch keine klaren Vorgaben gemacht hat (EuGH 17.3.22, C-232/20, Abruf-Nr. 232729).
AUSGABE: AA 1/2023, S. 6 · ID: 48754542