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SchadenersatzVersehentliche Erwähnung von Ex-Mitarbeiterin in Werbeflyer ist kein Schaden im Sinne der DSGVO

Abo-Inhalt11.04.20256 Min. LesedauerVon Dr. Guido Mareck, Direktor Arbeitsgericht Dortmund

| Das Ansprechen auf die Namensnennung in einem Flyer reicht allein für die Annahme eines immateriellen Schadens nicht aus, sondern stellt eine bloße Unannehmlichkeit dar (Landesarbeitsgericht [LAG] Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.08.2024, Az. 5 SLa 66/24). |

Arbeitgeber verwendet alte Druckvorlage versehentlich weiter, Ex-Mitarbeiterin lehnt Gesprächsangebot ab

Die Parteien streiten darüber, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, einer Mitarbeiterin wegen Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen ein Schmerzensgeld i. H v. 15.000 Euro zu zahlen. Die Arbeitnehmerin war mehrere Jahre in einer Senioreneinrichtung des Arbeitgebers beschäftigt, zuletzt als Pflegedienst- und Bereichsleiterin. Das Arbeitsverhältnis endete und sie fing bei einem anderen Arbeitgeber als Leiterin einer Seniorenresidenz an.

Während ihrer Beschäftigungszeit bei dem alten Arbeitgeber hatte die Arbeitnehmerin an einem Flyer mitgewirkt, den der Arbeitgeber als Werbemittel drucken ließ. Hierin heißt es u. a.: „Herzlich willkommen in unserer Tagespflege! Hier gestalten wir Ihren Tag in familiärer Atmosphäre. … Unsere qualifizierten Fachkräfte beraten Sie gerne und unverbindlich. Ihre Ansprechpartnerin A. ist unter .... zu erreichen und berät Sie gerne zu kostenlosen Schnuppertagen.“ Vor- und Nachname der Arbeitnehmerin sind im Flyer zusammen mit einer dienstlichen Telefonnummer des Arbeitgebers angegeben. Der Arbeitgeber verwendete die Druckvorlage dieses Flyers, die im EDV-System abgespeichert war, nach dem Ausscheiden der Arbeitnehmerin für einen neu gedruckten Flyer, der einer Wochenzeitung zu Werbezwecken beigefügt war. Der Personalleiter des Arbeitgebers entschuldigte sich umgehend nach Kenntnis hiervon per E-Mail bei der ehemaligen Mitarbeiterin. Er erklärte, die alte Druckvorlage sei nach ihrem Ausscheiden versehentlich nicht angepasst und jetzt sofort aus dem Verkehr gezogen worden. Von dem Gesprächsangebot des Personalleiters machte die ehemalige Mitarbeiterin keinen Gebrauch.

Klage auf Schmerzensgeld scheitert vor dem LAG

Die ehemalige Mitarbeiterin erhob Klage. Sie verlangte ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 15.000 Euro aufgrund von Art. 82 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sowie § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Sie sei nach Verteilung der Wochenzeitung von zahlreichen Personen angeschrieben, angerufen und auch persönlich angesprochen worden. Sie habe sich gegenüber neuen Kollegen rechtfertigen und erklären müssen, dass sie nicht mehr für den Arbeitgeber tätig sei. Sie sei sehr aufgebracht gewesen und habe befürchtet, dass ihr neuer Arbeitgeber durch die „Flyer-Aktion“ den Eindruck gewinnen könne, sie betreibe eine verbotene Konkurrenztätigkeit. Es sei daher angemessen und erforderlich, ihr ein Schmerzensgeld in Höhe von drei Monatsgehältern zuzusprechen: Anders als die Vorinstanz wies das LAG Rheinland-Pfalz die Klage vollumfänglich ab.

Merke | Die Vorinstanz hatte der Klägerin noch 3.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen (Arbeitsgericht Koblenz, Urteil vom 31.01.2024, Az. 12. Ca 1487/23). Das Arbeitsgericht stützte sein Urteil auf Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Der Arbeitgeber habe die zu Werbezwecken personenbezogenen Daten der Klägerin veröffentlicht. Die Klägerin habe einen immateriellen Schaden in Form einer persönlichen/psychologischen Beeinträchtigung schlüssig dargelegt. Erschwerend komme hinzu, dass das vom Arbeitgeber im Flyer angegebene Persönlichkeitsprofil mit einer beruflichen Zuordnung das berufliche Selbstbestimmungsrecht der Klägerin berühre und die Gefahr des konkreten Arbeitsplatzverlusts gedroht habe.

Darum sah LAG keinen Schaden für die Klägerin

Die Arbeitnehmerin habe gegen den Arbeitgeber keinen Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO oder aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Zwar habe der Arbeitgeber gegen die Bestimmungen der DSGVO verstoßen. Der Klägerin sei aber kein Schaden im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO entstanden.

Klägerin konnte zwar Datenschutzverstoß, aber keinen Schaden nachweisen

Das Erfordernis eines Schadens und der Darlegungslast der Klagepartei sei durch die jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hinreichend geklärt. Aus dem Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 DSGVO gehe hervor, dass das Vorliegen eines „Schadens“ eine der Voraussetzungen für den Schadenersatzanspruch sei. Zusätzlich müsse ein Verstoß gegen die DSGVO und ein Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und dem Verstoß vorliegen. Diese drei Voraussetzungen seien kumulativ. Der Schadenersatzanspruch habe, insbesondere im Fall eines immateriellen Schadens, eine Ausgleichsfunktion. Die Entschädigung nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO solle ermöglichen, den konkret aufgrund des Verstoßes gegen die DSGVO erlittenen Schaden vollständig auszugleichen. Er erfülle keine Abschreckungs- oder Straffunktion. Der Schaden müsse keinen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht haben (BAG, Urteil vom 20.06.2024, Az. 8 AZR 124/23). Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast habe der EuGH klargestellt, dass die Person, die auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO den Ersatz eines immateriellen Schadens verlange, nicht nur den Verstoß gegen Bestimmungen dieser Verordnung nachweisen müsse. Sie müsse auch nachweisen, dass ihr durch diesen Verstoß ein solcher Schaden entstanden sei.

Klägerin habe nicht damit rechnen müssen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren

Die Klägerin habe objektiv nicht damit rechnen müssen, dass sie ihren Arbeitsplatz bei dem neuen Arbeitgeber verliere, weil sie im Werbeflyer des alten Arbeitgebers noch als Ansprechpartnerin namentlich aufgeführt worden sei. Es handele sich ersichtlich um ein Versehen, das sich mit einfachen Mitteln hätte sofort aufklären lassen. Der Personalleiter habe sich unverzüglich in einer E-Mail entschuldigt. Die Weiterleitung dieser E-Mail an den neuen Arbeitgeber oder ein kurzes Gespräch hätten genügt, um die Situation nachvollziehbar zu klären. Der neue Arbeitgeber habe keinen Grund gehabt, anzunehmen, die Klägerin wäre noch bei ihrem alten Arbeitgeber beschäftigt. Die von der Klägerin behauptete Furcht vor einer außerordentlichen Kündigung wegen verbotener Konkurrenztätigkeit, entbehre jeder Tatsachengrundlage.

„Psychische Beeinträchtigungen“ nicht zu erkennen, Furcht unbegründet

Soweit sie vortrage, sie sei im Freundes- und Bekanntenkreis sowie von einer Mitarbeiterin des neuen Arbeitgebers – insgesamt von elf Personen – auf ihre Namensnennung im Flyer angesprochen worden, vermag die Kammer die abstrakt behaupteten „persönlichen/psychologischen Beeinträchtigungen“ nicht ansatzweise zu erkennen. Es habe ausgereicht, auf das Versehen hinzuweisen. Es habe auch keine Gefahr bestanden, noch von weiteren Personen angesprochen zu werden. Im Flyer sei kein Foto und keine private Telefonnummer der Arbeitnehmer veröffentlicht worden. Daher sei die Auflagenstärke der kostenlosen Wochenzeitung (78.500) unerheblich. Auch die Furcht der Klägerin, dass manche Haushalte den Flyer aufheben könnten, um im (Pflege-)Bedarfsfall in der Senioreneinrichtung anrufen zu können, reiche für die Annahme eines immateriellen Schadens nicht aus. Im Flyer werde eine dienstliche Rufnummer der Klägerin genannt. Es bestehe keine Gefahr, dass die Klägerin künftig von fremden Personen kontaktiert werde.

Kein Anspruch auf Geldentschädigung

Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf eine Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Es liege keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung der Arbeitnehmerin vor. Der unantastbare Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung sei nicht tangiert. Die Ehre der Klägerin, ihr guter Ruf und ihre soziale Anerkennung seien nicht beeinträchtigt worden. Ein Foto von ihr sei nicht veröffentlicht worden. Der Inhalt des Flyers sei nicht ansatzweise geeignet, ihr Ansehen in der Öffentlichkeit zu schädigen. Es sei nicht zu befürchten, der neue Arbeitgeber könne das Arbeitsverhältnis mit ihr wegen dieses Flyers kündigen. Dass sie im Freundes-, Bekannten- oder Kollegenkreis auf ihre Namensnennung im Flyer angesprochen worden sei, sei eine bloße Unannehmlichkeit, nicht aber eine ersatzfähige schwere Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts.

EuGH: Kontrollverlust über Daten kann ein Schaden sein

Der 85. Erwägungsgrund der DSGVO zählt ausdrücklich den „Verlust der Kontrolle“ zu den Schäden, die durch eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten verursacht werden können. Daher entschied der EuGH, dass der – selbst kurzzeitige – Verlust der Kontrolle über solche Daten ein „immaterieller Schaden“ im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO sein kann. Dieser kann einen Schadenersatzanspruch begründen, sofern die betroffene Person nachweist, dass sie tatsächlich einen solchen Schaden erlitten hat. Dabei kann die durch einen Verstoß gegen die DSGVO ausgelöste Befürchtung einer betroffenen Person, ihre personenbezogenen Daten könnten von Dritten missbräuchlich verwendet werden, für sich genommen einen „immateriellen Schaden“ im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen. Ein rein hypothetisches Risiko der missbräuchlichen Verwendung durch einen unbefugten Dritten reicht nicht aus. Nach dem EuGH können negative Gefühle („Befürchtung“) einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens begründen. Das bloße Berufen auf eine bestimmte Gefühlslage reicht aber nicht aus.

AUSGABE: ZP 4/2025, S. 9 · ID: 50367790

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