FeedbackAbschluss-Umfrage

UmsatzsteuerBFH: Leistungen von Praxisgemeinschaften an ihre beteiligten Zahnärzte sind umsatzsteuerfrei

Abo-Inhalt11.04.20256 Min. LesedauerVon Dipl.-Fw. und Dipl.-Kfm. André Reineke, Bielefeld

| Leistungen einer (zahn-)ärztlichen Praxisgemeinschaft, die gegründet wurde, um Praxisräume und Personal gemeinsam zu nutzen, und die nach dem Prinzip der Kostendeckung tätig ist, sind unter bestimmten Voraussetzungen umsatzsteuerfrei. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden (Beschluss vom 04.09.2024, Az. XI R 37/21). ZP stellt Ihnen den konkreten Sachverhalt vor und macht Sie mit der umsatzsteuerrechtlichen Bedeutung der BFH-Entscheidung vertraut. |

Hintergrund zur Umsatzsteuer bei Praxisgemeinschaften

Praxisgemeinschaften sind dadurch gekennzeichnet, dass die beteiligten Zahnärzte rechtlich als Einzelunternehmer agieren. Das bedeutet: Anders als die Gemeinschaftspraxis übernimmt die Praxisgemeinschaft weder gegenüber den Patienten eine gemeinsame Verantwortung noch tritt sie nach außen als wirtschaftliche Gemeinschaft auf. Sie beschränkt sich auf die gemeinsame Nutzung von Praxisräumen und Praxiseinrichtungen sowie gegebenenfalls auf die gemeinsame Beschäftigung von Hilfspersonal. Jeder Zahnarzt in der Praxisgemeinschaft ist wirtschaftlich für sich selbst verantwortlich und verantwortet den Behandlungserfolg auch allein. Daher werden die an der Praxisgemeinschaft beteiligten Zahnärzte steuerlich im Wesentlichen wie Einzelpraxen geführt, weshalb die Umsätze von Zahnärzten nach § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz (UStG) von der Umsatzsteuer befreit sind.

Allgemeine Verwaltungskosten sind nach Auffassung der Finanzverwaltung allerdings nicht von der Umsatzsteuer befreit, da sie nur mittelbar den steuerfreien Umsätzen der Mitglieder einer Kostengemeinschaft dienen würden (BMF, Schreiben vom 19.07.2022, Abruf-Nr. 230404, Tz. 1.4.). Der Begriff „unmittelbar“ in § 4 Nr. 29 UStG (vorher § 4 Nr. 14 Buchst. d) UStG) wird hier also sehr eng ausgelegt. Aus diesem Grund führt die Auslegung des Begriffs „unmittelbar“ in diesem Zusammenhang immer wieder zu Diskussionen zwischen Finanzverwaltung und Steuerzahlern. Der BFH hat hier jetzt für Klarheit gesorgt. Der Beschluss ist zwar zur alten Rechtslage entschieden (§ 4 Nr. 14 Buchst. d) UStG). Er enthält aber wichtige Grundsätze zur Auslegung der Nachfolgeregelung (§ 4 Nr. 29 UStG ) und von Art. 132 Abs. 1 Buchst. f) Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL). Im Kern geht es darum, wie Kostengemeinschaften, die in der Praxis vor allem bei (Zahn-)Ärzten häufig anzutreffen sind, umsatzsteuerlich zu behandeln sind.

Das war der konkrete Sachverhalt

Im konkreten Fall hatten zwei Ärzte eine Praxisgemeinschaft zur gemeinsamen Nutzung von Praxisräumen, -einrichtung und Personal gegründet. Die Kosten der Gesellschaft wurden durch monatliche Zahlungen der Gesellschafter gedeckt. Der Gesellschaftszweck bestand darin, die Kosten gemeinsam zu tragen, ohne eigene Gewinne zu erwirtschaften. Einer der beiden Ärzte übernahm zudem die Geschäftsführung der Kostengemeinschaft. Hinsichtlich einer Vergütung existierte nur eine mündliche Absprache.

Praxisgemeinschaft übernahm Personal von vorherigem Arzt

Die Praxisgemeinschaft übernahm die zuvor bei einem der Ärzte beschäftigten medizinischen Fachangestellten sowie eine Büro- und eine Rezeptionskraft. Darüber hinaus schloss sie verschiedene Verträge in eigenem Namen ab, wie z. B. einen Anstellungsvertrag mit einer Reinigungskraft und Verträge über die freie Mitarbeit einer Krankengymnastin und einer Heilpraktikerin.

Beide Gemeinschafter übten ihre ärztliche Tätigkeit selbstständig in eigenem Namen und auf eigene Rechnung aus. Hierbei erhielten sie von der Kostengemeinschaft u. a. Rechnungen über Personaldienstleistungen.

Finanzamt: Leistung der Gemeinschaft an jeden Arzt ist umsatzsteuerbar

Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Ansicht, dass die Gemeinschaft als Unternehmerin anzusehen ist. Sie habe an ihre Gesellschafter steuerbare Leistungen gegen Entgelt erbracht. Diese Leistungen seien umsatzsteuerpflichtig, soweit sie nicht in der steuerfreien Überlassung von Räumlichkeiten bestünden oder unmittelbar für steuerfreie Heilbehandlungen verwendet worden seien. Dies betreffe die Verwaltungstätigkeiten für die Gemeinschafter sowie Arbeiten bei der Erstellung der Abrechnungen, den Zahlungsverkehr, die Praxisorganisationsleistungen und die Raumpflege.

Das Finanzamt behandelte daher die Reinigungsleistungen, die die Kostengemeinschaft durch die Reinigungskraft an die beiden Ärzte erbracht hatte, in voller Höhe und die Geschäftsführungstätigkeit und die Tätigkeit der Bürokraft teilweise als umsatzsteuerbare und -steuerpflichtige Leistungen an die Gesellschafter, da diese nicht unmittelbar für steuerfreie Heilbehandlungen verwendet worden seien. Zudem würde im Vergleich zu anderen externen Firmen eine Wettbewerbsverzerrung eintreten, da diese für ihre gleichartigen Leistungen Umsatzsteuer in Rechnung stellen müssten.

Praxisgemeinschaft berief sich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. f) MwStSystRL

Die Praxisgemeinschaft berief sich hingegen auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. f) MwStSystRL, wonach Dienstleistungen von der Umsatzsteuer befreit werden müssen, die „selbstständige Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist […], an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen, soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordert, vorausgesetzt, dass die Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt“.

Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen folgte dieser Argumentation und gab der Klage statt. Die Geschäftsführungstätigkeit sei nicht steuerbar. Die übrigen Leistungen seien gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. d) UStG a. F. (alte Fassung) steuerfrei (Urteil vom 11.11.2021, Az. 5 K 62/19, Abruf-Nr. 246297). Da die Finanzverwaltung in Revision ging, musste letztlich der BFH entscheiden.

Entscheidung und Argumentation des BFH

Der BFH stellte zunächst fest, dass es sich bei einer zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks nach außen auftretenden Praxisgemeinschaft um eine Unternehmerin handelt. Eine Praxisgemeinschaft, die Leistungen für die Führung ihrer eigenen Geschäfte bezieht, muss aber nicht zwangsläufig gleichzeitig Geschäftsführungsleistungen an ihre Mitglieder erbringen. Dadurch, dass die Kostengemeinschaft Geschäftsführungsleistungen bezog, verschaffte sie ihren Gesellschaftern keinen Vorteil. Sie war Leistungsempfängerin und nicht Leistende. Die Leistungen dienten ausschließlich der Innenorganisation und seien aus diesem Grund nicht steuerbar.

Zudem führt der BFH aus, dass sich eine aus Ärzten bestehende Praxisgemeinschaft, die mit einer angestellten Mitarbeiterin Reinigungsleistungen an ihre Mitglieder ausführt und dafür Subunternehmerleistungen bezieht, erfolgreich auf die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f) MwStSystRL berufen kann, wenn die Praxisgemeinschaft lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordert und aufgrund der Gewährung der Steuerbefreiung keine Wettbewerbsverzerrungen drohen. Die Kosten für die Reinigungskraft dienten unmittelbar der steuerfreien Tätigkeit der Ärzte.

Der Zweck der Bestimmung sei, bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer zu befreien, um höhere Kosten für diese Dienstleistungen und die Lieferung bestimmter Gegenstände zu vermeiden. Diese höheren Kosten würden entstehen, wenn diese Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterworfen wären.

Außerdem soll jemand, der bestimmte Dienstleistungen anbietet, nicht Mehrwertsteuer entrichten müssen, wenn er genötigt ist, mit anderen Berufsausübenden im Rahmen einer gemeinsamen Gesellschaft zusammenzuarbeiten, die Tätigkeiten übernimmt, die zur Erbringung dieser Dienstleistungen erforderlich sind. Dass die Kostenteilungsgemeinschaft die Anstellung der Reinigungskraft übernommen hat, rechtfertige keine andere Behandlung, als wenn die Ärzte die Reinigungsleistungen von einer bei ihnen angestellten Reinigungskraft hätten ausführen lassen.

Die Konsequenz für die Praxis

Die Argumentation des BFH steht in Kontrast zum BMF-Schreiben vom 19.07.2022, wonach allgemeine Verwaltungskosten nicht von der Umsatzsteuer befreit sind, da sie nur mittelbar den steuerfreien Umsätzen der Mitglieder einer Kostengemeinschaft dienen. Der BFH hat letztlich den Begriff „unmittelbar“ deutlich weiter auslegt als die Finanzverwaltung. Aufgrund der deutlichen Worte des BFH ist zu erwarten, dass die Finanzverwaltung das BMF-Schreiben in diesem Punkt überarbeiten wird.

Der Beschluss des BFH ist zwar zu § 4 Nr. 14 Buchst. d) UStG a. F. ergangen. Da sich der Begriff „unmittelbar“ auch in der Nachfolgeregelung § 4 Nr. 29 UStG befindet, hat er auch für aktuelle Zeiträume eine große Bedeutung.

AUSGABE: ZP 4/2025, S. 14 · ID: 50373425

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025

Bildrechte