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AGGMitarbeiter wird wegen Geschlechts diskriminiert: Wer nicht einschreitet, riskiert Schadenersatz

Abo-Inhalt11.04.20254609 Min. LesedauerVon RA Michael Röcken, Bonn, ra-roecken.de

| Stellen Sie sich folgende Situation vor: Ein neuer Patient, für dessen Behandlung Sie eine Zahnärztin eingeplant haben, „wünscht“ sich lieber eine Behandlung durch einen Mann. Dem kommen Sie nach und Sie bekommen von Ihrer Mitarbeiterin eine Klage auf den Tisch, weil sie sich diskriminiert fühlte. Glauben Sie nicht? Und doch hatte in einem solchen Fall die Klage der Mitarbeiterin Erfolg (Landesarbeitsgericht [LAG] Baden-Württemberg Urteil vom 20.11.2024, Az. 10 Sa 13/24). Der Fall betrifft zwar ein Architekturbüro, ist aber auch auf Zahnarztpraxen übertragbar. |

Die Schadenersatzforderung von 84.300 Euro ...

Eine Architektin wurde durch eine Kundin abgelehnt, weil diese „nicht durch eine Frau betreut werden wollte“. Daraufhin betreute der Regionalleiter die neue Kundin persönlich. Dadurch verlor die abgelehnte Architektin auch einen Provisionsanspruch. Die Architektin erhob Klage. Sie sah sich diskriminiert und verlangte Schadenersatz nach § 15 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) i. H. v. 84.300 Euro. Das Gericht gab der Klage im Grunde statt, hielt aber die Schadenersatzforderung für überzogen.

... hielt das Gericht aus diesen Gründen für überzogen

Das LAG sah eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts durch die Kundin. Hierauf hätte der Arbeitgeber reagieren müssen und dies nicht widerspruchslos hinnehmen dürfen. Er hätte auf die Kundin zugehen und sie zu überzeugen versuchen können, dass es sich bei der Klägerin um eine sehr gute Betreuerin handelt, mit der die Kundin sicherlich gute Erfahrungen machen werde. Er hätte sich – noch niederschwelliger – nach den Gründen für die Vorbehalte der Kundin gerade gegenüber Frauen erkundigen und so eruieren können, ob gerade die Klägerin aufgrund ihrer menschlichen und/oder fachlichen Qualifikation besonders gut geeignet gewesen wäre, die Ansprüche und Wünsche der Kundin zu erfüllen. Das LAG sah hier aber auch, dass das Interesse an der Kundenbeziehung in angemessener Weise zu berücksichtigen ist. Eine Beendigung der Kundenbeziehung wäre unverhältnismäßig!

Da hier aus Sicht des Gerichts keine geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz gegen eine Benachteiligung durch Dritte nach § 7 Abs. 1 AGG vorlagen, bestand der Schadenersatzanspruch dem Grunde nach. Das LAG hielt jedoch 1.500 Euro für angemessen.

Fazit | Zahnärztliche Behandlungen erfordern stets mehr Vertrauen als eine „normale“ Geschäftsbeziehung. Daher sind auch die Patientenwünsche zu hören. Wenn ein Patient in Ihrer Praxis die Behandlung durch eine bestimmte Person wegen ihres Geschlechts ablehnt, fragen Sie, warum er das tut. Versuchen Sie nachweislich (z. B. unter Zeugen, schriftliche Dokumentation), den Patienten zu überzeugen, seine Vorbehalte fallen zu lassen. Bleibt er gleichwohl bei seiner Entscheidung, haben sie nichts zu befürchten.

AUSGABE: ZP 4/2025, S. 2 · ID: 50359950

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