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BerufsrechtEinteilung zum Notfalldienst bei Betrieb von (mehreren) Zweigpraxen

Abo-Inhalt11.04.20254812 Min. LesedauerVon RA, FA MedR und Zahnarzt Dr. Stefan Droste, LL. M., Kanzlei am Ärztehaus, Münster

| Die Heranziehung zum Notfalldienst am Standort einer nicht im Kammerbezirk gelegenen Zweigpraxis muss nicht zwingend faktormindernd bei der Einteilung zum Notfalldienst der Hauptpraxis berücksichtigt werden (Oberverwaltungsgericht [OVG] NRW, Urteil vom 03.09.2024, Az. 13 A 2243/21). |

Inhaltsverzeichnis

Der Fall

Ein Zahnarzt betreibt mit einem Kollegen und einem angestellten Zahnarzt eine Gemeinschaftspraxis mit mehreren Standorten. Die Hauptpraxis sowie eine Zweigpraxis liegen im Kammerbezirk Westfalen-Lippe, eine weitere Zweigpraxis liegt im Kammerbezirk Niedersachsen. Der klagende Zahnarzt moniert, dass er selbst und sein angestellter Zahnarzt jeweils mit dem Faktor 1,0 im Kammerbezirk Westfalen-Lippe und mit dem Faktor 0,3 im Kammerbezirk Niedersachsen zum Notfalldienst herangezogen wurden. Bei der Einteilung hätte nach Ansicht des Zahnarztes berücksichtigt werden müssen, dass er auch in Niedersachsen zum Notfalldienst herangezogen wurde. Der Faktor 1,0 pro Zahnarzt dürfe nicht überschritten werden, da die Einteilung an den Versorgungsauftrag gebunden sei. Damit verstoße die Einteilung gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 Grundgesetz (GG). Außerdem liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 GG vor. Aus der Berufsordnung der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe nebst ergänzender Notfalldienstordnung (NDO) ergebe sich, dass die Heranziehung zum Notfalldienst am Sitz der Hauptpraxis für den von der Kammer festgelegten Notfalldienstbezirk erfolge und der Betrieb von Zweigpraxen, die in einem anderen Notfalldienstbezirk lägen, bei der Heranziehung zum Notfalldienst verhältnismäßig zu berücksichtigen sei. Dieses Prinzip aber müsse auch gelten, wenn die Zweigpraxis nicht nur in einem anderen Notfalldienstbezirk, sondern auch außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Kammer liege. Zahnärzte, die die Haupt- und Zweigpraxis im selben Notfalldienstbereich hätten, würden deshalb bessergestellt als Zahnärzte mit einer Zweigpraxis im Zuständigkeitsbereich anderer Kammern.

Die Entscheidung

Wie bereits die Vorinstanz ist auch das OVG NRW der Argumentation des Zahnarztes nicht gefolgt. Durch die Heranziehung zum Notfalldienst sowohl in Westfalen-Lippe als auch in Niedersachsen ohne Berücksichtigung des jeweiligen Faktors werde der Zahnarzt in seinen Rechten nicht verletzt, so der Senat. Nach den Vorschriften der entsprechenden NDO durfte der Zahnarzt mit dem Faktor von 2,0 (1,0 für ihn selbst und 1,0 für den angestellten Zahnarzt) herangezogen werden. Hierbei entfielen 1,5 auf den Sitz der Hauptpraxis und 0,5 auf den Sitz der Zweigpraxis im Kammerbezirk Westfalen-Lippe. Da der Zahnarzt darum gebeten hatte, den Notdienst nur am Sitz der Hauptpraxis zu verrichten, führte die hiervon abweichende Heranziehung ausschließlich für diesen Sitz nicht zu einer Rechtsverletzung. Die Heranziehung zum Notfalldienst sei grundsätzlich nicht schon deshalb nach Art. 12 GG im Lichte der Berufsfreiheit unzulässig, weil der Zahnarzt neben einer Hauptpraxis noch Zweigpraxen betreibt und auch für diese zum Notfalldienst herangezogen werde, so der Senat in gefestigter Senatsrechtsprechung.

Ferner sei geklärt, dass ein mehrere Praxen betreibender Zahnarzt grundsätzlich verpflichtet werden darf, für jede seiner Praxen gesondert am zahnärztlichen Notfalldienst teilzunehmen. Dies schließt eine Befreiung im Einzelfall wegen unzumutbarer Belastung durch die mehrfache Heranziehung aber nicht aus. Zu einer unzumutbaren Belastung kann im Einzelfall eine parallele Heranziehung des Zahnarztes zum zahnärztlichen bzw. vertragszahnärztlichen Notfalldienst von mehreren Zahnärztekammern und/oder Kassenzahnärztlichen Vereinigungen führen. Eine Befreiungsmöglichkeit besteht dem Grunde nach in § 6 Abs. 1 NDO. Im vorliegenden Fall hat der Zahnarzt keine Befreiung beantragt. Der Senat führt jedoch ungeachtet dessen weiter aus, dass ein Befreiungsgrund seiner Ansicht nach im konkreten Fall nicht vorgelegen hätte. Der Zahnarzt und sein Angestellter sind im entscheidungserheblichen Zeitraum zu 12 Notfalldiensten am Sitz der Hauptpraxis und am Sitz der Zweigpraxis in Niedersachsen zu einem Wochenenddienst herangezogen worden. Dies stellte nach Ansicht des Senats keine übermäßige Belastung dar.

Ferner verneinte der Senat auch einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG. Eine Berücksichtigung der Heranziehung mit dem Faktor 0,3 im Bezirk der Nachbarkammer war durch die beklagte Zahnärztekammer Westfalen-Lippe nicht erforderlich. Die Aufgaben- und Kompetenzordnung berechtige die jeweiligen Entscheidungsträger zur autonomen Wahrnehmung ihrer Entscheidungsbefugnisse. Der allgemeine Gleichheitssatz verpflichte den Normgeber grundsätzlich nur, innerhalb seines Kompetenz- und Wirkungsbereichs Gleichheit zu achten und herzustellen. Voraussetzung für eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG ist deshalb, dass die Vergleichsfälle derselben Stelle zuzurechnen seien.

Schließlich stand die Heranziehung des Zahnarztes zum zahnärztlichen Notfalldienst auch nicht im Widerspruch zum Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.02.2019 (Az. B 6 KA 51/17 R). Anders als die Heranziehung zum kassenzahnärztlichen Notfalldienst wird die Heranziehung zum allgemeinen zahnärztlichen Notfalldienst nicht durch den Umfang des Versorgungsauftrags beschränkt. Sie dürfe deshalb grundsätzlich den Faktor 1 überschreiten, so die abschließenden Ausführungen der Richter.

Fazit | Die Entscheidung verdeutlicht wieder einmal, wie restriktiv Richter bei der Beurteilung von Verstößen gegen die Einteilung zum Notfalldienst sind. Falls sich ein Zahnarzt gegen seine Einteilung zur Wehr setzen möchte, ist bereits im Vorfeld einer etwaigen Klage sein aktives Tun erforderlich, so etwa die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, Befreiungsanträge zu stellen.

AUSGABE: ZP 4/2025, S. 5 · ID: 50367793

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