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SteuerrechtUmsatzsteuerliche Beurteilung von zahnärztlichen Leistungen

Abo-Inhalt23.12.20221239 Min. LesedauerVon StB Marcel Nehlsen u. StB Marie Karrenberg, Master of Laws (LL.M.), Kanzlei Laufenberg Michels und Partner mbB, Köln

| Selbstständige Zahnärzte gelten als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes, da sie eine berufliche Tätigkeit selbstständig ausüben (§ 2 Abs. 1 S. 1 Umsatzsteuergesetz, UStG). Im Folgenden informieren wir Sie darüber, wie einzelne zahnärztliche oder zahntechnische Leistungen umsatzsteuerlich zu beurteilen sind. Denn die berufliche Tätigkeit umfasst bei Zahnärztinnen und Zahnärzten sowohl die originären Heilbehandlungen, als auch weitere Tätigkeiten, wie sie z. B. im Zusammenhang mit einem Eigenlabor vorkommen. |

Umsatzsteuerfreie zahnärztliche Leistungen

Heilbehandlungen, die im Rahmen der zahnärztlichen Tätigkeit ausgeübt werden, sind von der Umsatzsteuer befreit (§ 4 Nr. 14 a) S. 1 UStG). Unter die klassischen umsatzsteuerfreien Heilbehandlungen fallen u. a. folgende zahnärztliche Leistungen:

  • Einsetzen von Zahnersatz (Achtung: Nicht die Herstellung!)
  • PAR-Behandlungen
  • Füllungen
  • Befunde
  • Zahnsteinentfernung
  • Einsetzen von Implantaten, Verschlussschrauben, Gingivaformern
  • Nicht individuell hergestellte Provisorien
  • Verwenden von Material für die direkte Unterfütterung von Prothesen oder direkte Verblendungserneuerungen zum Auffüllen von Außenteleskopen
  • Herstellen von Schienen und Aufbissbehelfen bei Kiefer- und Kiefergelenkbehandlungen (inkl. Modelle, Doublieren, Modelle im Artikulator)
  • Versandkosten für Abdrücke
  • Nutzung der intraoralen Kamera des CEREC für diagnostische Zwecke
  • Therapeutisch indizierte Behandlungen mit Veneers
  • Übliche Nebenleistungen, wie z. B. das Anfertigen von Röntgenaufnahmen oder die Verabreichung von Medikamenten

Die Umsatzsteuerbefreiung hat zur Folge, dass auf den Patientenrechnungen für diese Leistungen keine Umsatzsteuer ausgewiesen werden darf und auch keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt werden muss.

Dementsprechend darf aus den Eingangsrechnungen, die im Zusammenhang mit der Heilbehandlung stehen, auch keine Vorsteuer gegenüber dem Finanzamt geltend gemacht werden. Hiervon betroffen sind z. B. alle Rechnungen für Praxismaterialien sowie für Instandhaltungen von Praxisgeräten wie z. B. Behandlungseinheiten.

Nicht umsatzsteuerfreie zahnärztliche Leistungen

Nicht unter die umsatzsteuerfreien Heilbehandlungen fallen u. a. folgende Leistungen:

Merke | Für die Prothetik-Leistungen des Eigenlabors ist der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent anzuwenden (§ 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG). Auf die anderen genannten Leistungen fallen 19 Prozent Umsatzsteuer (§ 12 Abs. 1 UStG) an.

Leistungen des kieferorthopädischen Eigenlabors sind nicht umsatzsteuerpflichtig, da sie als Nebenleistung der umsatzsteuerbefreiten kieferorthopädischen Leistung anzusehen sind.

Besonderheit: Leistungen aus dem EU-Ausland

Zahnärzte nehmen teilweise Leistungen von Anbietern in Anspruch, die im EU-Ausland ansässig sind. Hierzu zählen bspw. Facebook, Indeed oder auch Instagram, die alle ihren europäischen Sitz in Irland haben. Für Leistungen dieser Unternehmen schulden die Zahnärzte als Leistungsempfänger die Umsatzsteuer gem. § 13b Abs. 1 UStG.

Beispiel: Indeed stellt für die Zahnarztpraxis Stellenausschreibungen online. Da Indeed im EU-Ausland ansässig ist, erhält der Zahnarzt eine Eingangsrechnung mit einem Steuerausweis in Höhe von 0 Prozent sowie dem Hinweis, dass er als Leistungsempfänger Steuerschuldner ist. Der Rechnungsbetrag stellt den Nettobetrag dar und der Zahnarzt muss auf den Rechnungsbetrag zusätzlich 19 Prozent Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Enthält die Rechnung einen Rechnungsbetrag i. H. v. 100 Euro, so müssen hier 19 Euro (100 Euro * 19 Prozent = 19 Euro) Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt werden.

  • Herstellen von Prothetik und Zahnersatz im Eigenlabor
  • Kosmetisches Bleaching
  • Zahnschmuck
  • Gutachten zum Zwecke der Kostenübernahme durch die Krankenkasse
  • Gutachten für den Medizinischen Dienst (MD) der Krankenversicherung
  • Vortragstätigkeiten
  • Pkw-Überlassung an Arbeitnehmer
  • Überlassung von Praxis- und Operationsräumen, Ausstattung und/oder Personal an andere Zahnärzte
  • Überlassung von Gold an Fremdlabore zur Herstellung von Zahnersatz

Vorsteuerabzug

Zahnärzte können aus den Eingangsrechnungen, die im Zusammenhang mit den o. g. steuerpflichtigen Umsätzen stehen, die Vorsteuer gegenüber dem Finanzamt in voller Höhe geltend machen. Hierzu zählen z. B. alle Rechnungen für Labormaterialien. Lesen Sie zum Thema auch den Beitrag (Zahnarzt und Vorsteuer: Gute Zusammenarbeit mit dem Steuerberater spart Zeit und Geld! unter iww.de/zp > Abruf-Nr. 47474797.

In der Praxis kommt es häufig vor, dass Lieferungen oder Leistungen in Anspruch genommen werden, die sowohl für die umsatzsteuerfreien Heilbehandlungen als auch für die umsatzsteuerpflichtigen Leistungen benötigt werden (z. B. Stromkosten). Hier steht dem Zahnarzt ein anteiliger Vorsteuerabzug zu, welcher anhand des Verhältnisses der steuerfreien zu den steuerpflichtigen Umsätzen ermittelt wird.

Es sind folgende drei Varianten bei der Beurteilung von Umsatzsteuer und Vorsteuer zu unterscheiden:

Beispiele

zu Variante 1): kein Vorsteuerabzug

  • Der Zahnarzt kauft Materialien ein, die er für eine Heilbehandlung (z. B. eine Zahnsteinentfernung) benötigt. Aus diesen Rechnungen kann keine Vorsteuer gegenüber dem Finanzamt geltend gemacht werden, da es sich hierbei um eine umsatzsteuerfreie Behandlung handelt.
  • Der Zahnarzt kauft eine Behandlungseinheit. Aus dieser Rechnung kann ebenfalls keine Vorsteuer gegenüber dem Finanzamt geltend gemacht werden, da die Behandlungseinheit vorrangig zur Erbringung umsatzsteuerfreier Heilbehandlungen verwendet wird. Auch wenn durch die Behandlungen Umsatz im Eigenlabor generiert wird, sieht die Finanzverwaltung hier keinen kausalen Zusammenhang und untersagt hier den Vorsteuerabzug.

zu Variante 2): voller Vorsteuerabzug

  • Der Zahnarzt kauft Material zur Herstellung von Zahnersatz für das Eigenlabor ein. Die Herstellung von Zahnersatz ist mit 7 % umsatzsteuerpflichtig. Aus der Eingangsrechnung kann die volle Vorsteuer gezogen werden, auch wenn die in der Eingangsrechnung ausgewiesene Umsatzsteuer 19 % beträgt. Wichtig | Die Lieferung eines Implantats gehört zur umsatzsatzsteuerfreien Heilbehandlung. Da der Einkauf der Implantate 1:1 an die Patienten weiterberechnet wird, kann aus den Eingangsrechnungen keine Vorsteuer geltend gemacht werden.
  • Der Zahnarzt richtet das Eigenlabor mit Geräten ein, bspw. mit einem CEREC-Gerät. Aus der Eingangsrechnung kann die volle Vorsteuer gegenüber dem Finanzamt geltend gemacht werden, da mit dem CEREC-Gerät umsatzsteuerpflichtige Eigenlaborleistungen erbracht werden.

zu Variante 3): anteiliger Vorsteuerabzug

  • Bei allen Kosten, die sowohl auf die Praxis als auch auf das Eigenlabor entfallen, wie z. B. Stromkosten, kann die Vorsteuer anteilig geltend gemacht werden. Der Strom wird sowohl für umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen als auch für umsatzsteuerpflichtige Leistungen des Eigenlabors benötigt.
  • Variante 1: Der Zahnarzt zahlt Rechnungen im Zusammenhang mit umsatzsteuerfreien Heilbehandlungen = er kann die in diesen Rechnungen enthaltene Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer vom Finanzamt zurückfordern.
  • Variante 2: Der Zahnarzt zahlt Rechnungen im Zusammenhang mit umsatzsteuerpflichtigen Eigenlaborleistungen = er kann die in diesen Rechnungen enthaltene Umsatzsteuer in vollem Umfang als Vorsteuer vom Finanzamt zurückfordern.
  • Variante 3: Der Zahnarzt zahlt Rechnungen im Zusammenhang mit umsatzsteuerfreien Heilbehandlungen und umsatzsteuerpflichtigen Eigenlaborleistungen = er kann die in diesen Rechnungen enthaltene Vorsteuer teilweise als Vorsteuer vom Finanzamt zurückfordern.

Ausnahme: Kleinunternehmerregelung

Wenn in der Praxis sowohl steuerfreie als auch steuerpflichtige Umsätze ausgeführt werden, kann der Praxisinhaber von der sog. „Kleinunternehmerregelung“ (i.S.d. § 19 UStG) Gebrauch machen, sofern die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze im vorangegangenen Kalenderjahr haben 22.000 Euro nicht überstiegen und
  • im laufenden Kalenderjahr werden sie 50.000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen.

Hierbei sind alle umsatzsteuerpflichtigen Leistungen zu betrachten, auch wenn diese außerhalb der Zahnarztpraxis erbracht werden, weil man für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung immer als ein Unternehmer mit allen Leistungen zählt.

Wenn die Kleinunternehmerregelung angewandt wird, muss keine Umsatzsteuer für die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze an das Finanzamt abgeführt werden. Wichtig ist, dass die Rechnungen den Hinweis enthalten müssen, dass von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch gemacht wird. Ebenfalls darf keine Vorsteuer gegenüber dem Finanzamt geltend gemacht werden.

Sollte man auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichten, so bindet man sich für fünf Kalenderjahre. Die Fünfjahresfrist ist vom Beginn des ersten Kalenderjahres an zu berechnen, für das der Verzicht gilt.

Prüfschema online | Ob Sie unter die Kleinunternehmerregelung fallen oder umsatzsteuerpflichtig sind, können Sie anhand unseres Prüfschemas checken. Sie finden es online unter iww.de/zp, Abruf-Nr. 46296733).

Fazit | Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine genaue Beurteilung der jeweiligen Leistungen des Zahnarztes vorgenommen werden muss, damit die richtigen steuerrechtlichen Folgerungen hieraus gezogen werden können. Für Leistungen, bei denen die Heilbehandlung im Vordergrund steht, ist die Umsatzsteuerbefreiung zu beachten.

Es empfiehlt sich, regelmäßig mit dem Steuerberater einen Umsatzsteuer-Check-up zu machen, damit es im Rahmen von Betriebsprüfungen nicht zu überraschenden Nachzahlungen kommt. Diese Nachzahlungen wären eine echte Liquiditätsbelastung, da man in der Regel die Umsatzsteuer im Nachhinein nicht mehr von den Patienten einfordern kann.

Weiterführende Hinweise
  • Das Eigenlabor aus Sicht der Umsatzsteuer (ZP 08/2021, Seite 19)
  • Die Umsatzsteuer als Prüfungsschwerpunkt (ZP 02/2022, Seite 15)
  • Umsatzsteuer: Aufgepasst beim Einkauf von Zahnschienen aus EU-Mitgliedstaaten! (ZP 09/2022, Seite 2)
  • Umsatzsteuerausweis durch Zahnarzt auf Laborrechnungen? (Abruf-Nr. 46217855)
  • Gute Zusammenarbeit mit dem Steuerberater spart Zeit und Geld! (ZP 05/2017, Seite 3)
  • Umsatzsteuerfalle bei Vorabgewinnen (ZP 09/2022, Seite 5)
  • Sonderausgabe „Umsatzsteuer in der Zahnarztpraxis“ (Abruf-Nr. 45177004)

AUSGABE: ZP 1/2023, S. 17 · ID: 48754451

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