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InterviewDie Marketingphasen rund um die Praxisgründung bzw. -übernahme
| Sie überlegen, eine Zahnarztpraxis zu übernehmen oder neu zu gründen? Sicherlich werden Sie sich dann früher oder später mit dem Thema Marketing/Kommunikation beschäftigen. Denn reichten früher, wenn überhaupt notwendig, noch ein Schild, eine Anzeige und ein Telefonbucheintrag, so ist die Medienvielfalt – und damit das Aufgabenspektrum für jeden Praxisgründer (m/w/d) – heute deutlich komplexer geworden. Doch wann fängt man mit dem Marketing an? Was ist zu beachten? Und welche Phasen gibt es? Zu diesen und weiteren Themen sprach ZP mit den beiden Experten Stephan Hinzen, Finanzberater der Zahnärzte (pma-consult.de) und Dr. Sebastian Schulz, ieQ-health GmbH & Co. KG aus Münster (ieq-health.de). |
Frage: Herr Dr. Schulz, Sie begleiten seit vielen Jahren inzwischen mehrere hundert Zahnarztpraxen im Praxismarketing, darunter jedes Jahr einige Dutzend Gründer und Übernehmer. Wann raten Sie den jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten, mit dem Praxismarketing loszulegen?
Dr. Schulz: Wir empfehlen Praxisgründern, idealerweise vier bis fünf Monate vor dem Start mit dem Thema Praxismarketing loszulegen – gerne natürlich eher. Insbesondere bei Praxen, die zusätzlich Zuweiser als Zielgruppe ansprechen müssen, wie beispielsweise KFO- oder MKG-Neugründungen, ist dies wichtig. Auch das potenzielle Personal als weitere Zielgruppe muss frühzeitig auf den neuen Arbeitgeber aufmerksam gemacht werden.
Hinzen: Dem kann ich nur uneingeschränkt zustimmen. Ein „zu früh“ gibt es in dem Zusammenhang, wann ich mit dem Praxismarketing beginnen sollte, nicht. In der täglichen Praxis nimmt die Aussage: „Ich brauche keine eigene Homepage“ immer mehr ab. Denn die eigentliche Frage lautet in diesem Zusammenhang eher: „Kann ich es mir erlauben, keine eigene Homepage zu haben?“ Selbst in eher ländlich geprägten Gegenden informieren sich die (potenziellen) Patienten vorab gerne über den Zahnarzt bzw. die Praxis.
Frage: Gibt es aus Ihrer Sicht Unterschiede im Marketing bei einer Neugründung vs. dem Marketing bei einer Übernahme?
Dr. Schulz: Die grundsätzliche Idee und Wirkungsweise von Praxismarketing – nämlich über gesteuerte professionelle Kommunikation auf die eigene Praxis aufmerksam zu machen, Unterschiede zu anderen Praxen aufzuzeigen und sich so zu positionieren, um gezielt und nachhaltig Patienten, ggf. Zuweiser und Personal zu gewinnen – ist bei Neugründung und Übernahme gleich.
Bei einer kompletten Neugründung ist der rechtzeitige Start und damit der zeitliche Vorlauf sicherlich noch mal wichtiger, da ich praktisch bei null starte – und zwar sowohl im Hinblick auf meine allgemeine Präsenz im regionalen Markt als auch damit verbunden im Hinblick auf Neupatienten und Personal. Ich muss für das Praxisumfeld und die Zielgruppen überhaupt erst mal „da“ sein – physisch am Standort und digital. Das rechtzeitige Standortmarketing spielt also eine ganz zentrale Rolle.
Bei der Übernahme ist der Standort bekannt. Hier gilt es eher, die mit der Übernahme angestrebten Veränderungen (neue Behandlungen? neue Preise z. B. für die PZR? Renovierung?) den Patienten gegenüber elegant zu kommunizieren. Das Stichwort lautet hier also „Veränderungskommunikation“. Macht man dies geschickt, werden bestehende Patienten gehalten und parallel neue, attraktive Patientenzielgruppen über moderne neue Räume und zusätzlich angebotene Leistungen durch gezielte Kommunikation erschlossen.
Hinzen: Je nach Standort habe ich die Möglichkeit, mich mit einem klugen und ansprechenden Marketing sehr schnell von meinen Kollegen abzuheben. Das gilt in diesem Fall ebenfalls für beide Varianten. Denn in einem etablierten Markt trete ich die Nachfolge an und sollte versuchen, meine eigene Handschrift sichtbar werden zu lassen. Und bei einer Neugründung werden die Blicke aller (Patienten und Kollegen) sowieso sehr neugierig darauf schauen, was und wer da kommt.
Frage: In welche Phasen könnte man das Marketing bei einer Gründung aus Ihrer Sicht denn grob unterteilen?
Dr. Schulz: Wir unterscheiden gerne in die Pre-Eröffnungs-, die Eröffnungs- und die Post-Eröffnungsphase.
- In der Pre-Eröffnungsphase geht es grundsätzlich erst mal darum, möglichst frühzeitig ein Konzept für die Markenpositionierung und die aufzubauenden Kommunikationskanäle der Praxis zu entwickeln. Pflichtbereich aus medialer Sicht sind sicherlich eine Corporate Identity und damit ein Logo, eine Geschäftsausstattung Print inkl. der Visitenkarte und die Homepage. Letztere ggf. übergangsweise noch mit einer Baustellenseite, damit der auf den anderen Medien eingesetzte Link und/oder QR-Code nicht ins Leere läuft. Viele Gründerinnen und Gründer bedienen rund um einen Neubau oder eine bauliche Renovierung inzwischen auch sehr früh die sozialen Medien – alleine, hybrid mit einer Agentur oder komplett delegiert an eine Agentur. In denselben Kanälen plus möglicherweise weiteren Kanälen wird insbesondere bei einer kompletten Neugründung auch gleichzeitig potenzielles Personal angesprochen.Auch Printprodukte wie Visitenkarten nicht vergessen!
- In der Eröffnungsphase macht die Praxis (wieder) auf. Meist wird dies mit einem Tag der offenen Tür oder sogar separaten Terminen für Freunde und Familie (evtl. sogar Handwerker und Partner der Praxis), Patienten und ggf. Zuweiser gefeiert. Diese Termine sind gleichzeitig schöne Anlässe, um darüber in allen eigenen Medien und ggf. sogar regionalen externen Medien zu berichten.Feiern Sie die Eröffnung mit möglichst vielen Menschen ...
- In der Post-Eröffnungsphase ist es wichtig, die Kommunikation an alle Zielgruppen (Neupatienten, Bestandspatienten, ggf. Zuweiser, ggf. potenzielles Personal) aufrechtzuerhalten. Dabei kann ein Marketingplan helfen. Häufig erleben wir, was meist auch dem typischen Projektgeschäft von Agenturen geschuldet ist, dass alle auf die Eröffnung hinarbeiten – und danach kaum noch etwas im Marketing passiert. Das halte ich für fatal. Gerade die digitalen Medien, aber auch die Bewertungsportale, müssen regelmäßig kontrolliert und gepflegt werden. Genau das honorieren ja auch Suchmaschinen, die wiederum für die beschriebene Findbarkeit und damit Aufmerksamkeit für die eigene Praxis so wichtig sind.... und bleiben Sie auch danach mit ihnen in Kontakt!
Hinzen: Die Abfrage bei jedem Neupatienten wie er/sie auf die Praxis aufmerksam wurde, ist m. E. elementar. Nur so kann ich ermitteln, woher meine Patienten kommen. Ich empfehle grundsätzlich zudem noch eine Statistik (ob manuell oder durch die Praxissoftware unterstützt) zu führen, wie viele Neupatienten es pro Monat überhaupt gibt. Das gilt sowohl für die Neugründung aber auch bei einer Praxisübernahme. Betreibe ich diesen Aufwand von Anfang an, kann ich damit sehr gut erkennen, wie sich meine Patientenzahlen im Laufe der Zeit und in der Summe entwickeln. Setze ich das langfristig betrachtet dann auch noch ins Verhältnis zu meinen Fallzahlen, entwickele ich ein gutes Gespür dafür, ob mein Marketing auch weiterhin bei der Zielgruppe „ankommt“ oder ich ggf. etwas ändern muss. Denn bekanntlich muss der Köder ja nicht dem Angler, sondern dem Fisch schmecken.
Wichtig ist m. E. zudem auch noch eine laufende Aktualität der Homepage. Wenn unter „News“ z. B. der letzte Eintrag von der gemeinsamen Weihnachtsfeier 2018 datiert, kommt ein Interessent vermutlich zu dem Schluss, dass vielleicht sonst auch nicht alles in der Praxis auf dem aktuellen Stand ist. Dazu gehören auch immer mal wieder aktuelle Profilfotos der Zahnärztinnen und Zahnärzte.
Frage: Gibt es häufige Fehler, die ich als Gründerin/Gründer vermeiden kann?
Dr. Schulz: Hauptfehler ist nach wie vor, dass Gründer gar kein Marketing- bzw. Kommunikationskonzept haben, um sich im regionalen Markt zu positionieren und Patienten anzuziehen. Dann sehen wir ab und an noch, dass es keine Telefonnummer bzw. keinen Anrufbeantworter gibt. Im Internetzeitalter ist weiterhin die frühestmögliche Reservierung einer oder mehrerer Domains und der rasche Aufbau einer Homepage sehr wichtig. Auch sollten mindestens die Visitenkarten für Patienten/Zuweiser/Personal, besser noch weitere professionelle Printmedien wie z. B. wertige Mappen für HKPs, Briefbögen mit Logo, Terminzettel usw. bereitliegen. Gerade bei Neugründung ist dies sowie die Standortmarkierung wichtig. Zu guter Letzt werden häufig externe Partner ohne Dental-Know-how gewählt. Hier sollte gelten, „Profis helfen Profis“ – schließlich ist die eigene Praxiseröffnung eine der, wenn nicht die teuerste Investitionsentscheidung im eigenen Leben.
Hinzen: Von einem laienhaften Marketing kann ich ebenfalls nur entschieden und dringend abraten. Schließlich will ja auch jeder Zahnarzt (m/w/d) als Fachmann und Profi wahr- und ernstgenommen werden. Alles in allem ist Marketing wie ein immer in Bewegung befindlicher Zug anzusehen: Dieser hält mal an, fährt aber wieder los, ändert die Richtung, das Tempo und auch mal das (Zug-)Personal. Am Ende hat er aber einen vorgezeichneten Weg und erreicht sein Ziel.
AUSGABE: ZP 1/2023, S. 13 · ID: 48549542