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ZielvereinbarungenZielvereinbarungen mit Führungskräften im Vermittlerbetrieb: Darauf müssen Sie achten

Abo-Inhalt13.05.20255982 Min. LesedauerVon Rechtsanwalt, FAArbR Dr. Nikolaus Polzer und Rechtsanwalt Dr. Yannick Bähr, Noerr PartGmbB, Düsseldorfvon Rechtsanwalt, FAArbR Dr. Nikolaus Polzer und Rechtsanwalt Dr. Yannick Bähr, Noerr PartGmbB, Düsseldorf

| Zielvereinbarungen setzen sich auch in Versicherungsvermittlerbetrieben immer mehr durch. Sie sollen Anreize schaffen, dass Mitarbeiter einen noch größeren Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg Ihres Betriebs leisten. Die Praxis (und aktuelle Rechtsprechung) lehrt, dass bei der Gestaltung von Zielvereinbarungen auch Fallstricke lauern, die Ihnen teuer zu stehen kommen können. Machen Sie Ihre Zielvereinbarungen deshalb wasserfest. |

Der Unterschied zwischen Zielvereinbarung und -vorgabe

Zunächst müssen Sie eine Zielvereinbarung von einer Zielvorgabe abgrenzen. Beide Instrumente haben gemeinsam, dass sie der Festlegung von Zielen dienen; ansonsten unterscheiden sich Zielvereinbarung und -vorgabe aber grundlegend:

  • Bei einer Zielvereinbarung legen Sie mit dem Mitarbeiter die Ziele einvernehmlich fest. Ist eine Seite mit den von der anderen Seite vorgeschlagenen Zielen nicht einverstanden, kommt keine Zielvereinbarung zustande.
  • In einer Zielvorgabe legen Sie die Ziele dagegen einseitig fest – das kann sogar gegen den Willen des Mitarbeiters passieren. Eine Zustimmung des Mitarbeiters ist nämlich nicht erforderlich (BAG, Urteil vom 03.07.2024, Az. 10 AZR 171/23, Abruf-Nr. 243967).

Typische Ausgestaltung von Zielvereinbarungssystemen

Zielvereinbarungssysteme sind typischerweise zweistufig ausgestaltet: Der Arbeitsvertrag oder eine die variable Vergütung regelnde Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag enthält eine Rahmenregelung (sog. Zielvereinbarungs-Rahmenvereinbarung). Darin sind in der Regel das Ob und die Höhe einer zielabhängigen variablen Vergütung sowie einzelne Grundsätze der Berechnung der Zielerreichung bzw. der Höhe der variablen Vergütung festgelegt, z. B.

  • das Verfahren zur Vereinbarung der jährlichen Ziele,
  • die Arten von Zielen,
  • die Gewichtung der Ziele und
  • Fälligkeitsregelungen.

Die einzelnen Ziele und deren Zielerreichungsparameter werden dagegen für die jeweilige Zielperiode, in der Regel das Kalender- bzw. Geschäftsjahr, gesondert in einem zweiten Schritt zwischen Ihnen und Ihrem Mitarbeiter vereinbart (sog. konkrete Zielvereinbarung).

Typischer Inhalt konkreter Zielvereinbarungen

Hinsichtlich der in der Zielvereinbarung festzulegenden Ziele sind Ihrer Fantasie kaum Grenzen gesetzt. In der Regel wird der Inhalt von der Position, der Tätigkeit und der Qualifikation des Mitarbeiters abhängen.

Praxistipps |

  • Um Streitigkeiten über die Zielerreichung zu vermeiden, empfiehlt es sich, „harte“ Ziele zu vereinbaren – also solche Ziele, deren Erreichung anhand objektiv feststellbarer Kennzahlen ermittelt werden kann – und diese möglichst genau in der konkreten Zielvereinbarung zu definieren. Hinsichtlich des Inhalts der Ziele lässt sich an die SMART-Regel anknüpfen:
    • Spezifisch: Das Ziel sollte eindeutig und klar formuliert sein.
    • Messbar: Das Ziel sollte so klar beschrieben sein, dass die Zielerreichung nachvollziehbar und überprüfbar ist.
    • Anspruchsvoll: Das Ziel sollte anspornen und daher anspruchsvoll sein.
    • Realistisch: Das Ziel sollte anspruchsvoll, aber dennoch erreichbar sein.
    • Terminiert: Die Periode, innerhalb derer das Ziel erreicht werden soll, sollte eindeutig fixiert sein.
  • Außerdem sollte die Anzahl der Ziele übersichtlich bleiben, um Transparenz zu gewährleisten. In der Regel kommen daher selten mehr als fünf Ziele pro Zielperiode in Betracht.

Bei der Zielvereinbarung besteht Verhandlungspflicht

Hat ein Mitarbeiter Anspruch auf eine variable Vergütung, deren Höhe sich nach dem Erreichen von in einer Zielvereinbarung festgelegten Zielen richten soll, folgt daraus: Sie sind verpflichtet, mit dem Mitarbeiter Verhandlungen über den Abschluss einer Zielvereinbarung zu führen und realistische Ziele für die jeweilige Zielperiode anzubieten. Realistisch sind dabei solche Ziele, die der Mitarbeiter nach einer auf den Zeitpunkt des Angebots der Ziele bezogenen Prognose hätte erreichen können.

So erfüllen Sie die Verhandlungspflicht

Als Arbeitgeber erfüllen Sie diese Verhandlungspflicht regelmäßig nur, wenn Sie dem Mitarbeiter die Möglichkeit einräumen, auf die Festlegung der Ziele Einfluss zu nehmen. Dies setzt voraus, dass Sie den Kerninhalt der vorgeschlagenen Zielvereinbarung ernsthaft zur Disposition stellen. Selbstverständlich ist dabei nicht ausgeschlossen, dass Ihr Mitarbeiter auch eine von Ihnen vorgeschlagene Zielvereinbarung ohne inhaltliche Änderung akzeptiert (BAG, Urteil vom 03.07.2024, Az. 10 AZR 171/23, Abruf-Nr. 243967).

Das sind die finanziellen Folgen einer Verletzung der Verhandlungspflicht

Führen Sie mit dem Mitarbeiter keine oder unzureichende Verhandlungen über die einvernehmliche Festlegung von Zielen und kommt die Zielvereinbarung deshalb nicht zustande, verletzen Sie – unabhängig davon, dass die mit einer Vereinbarung von Zielen verbundene Motivationswirkung verfehlt wird – eine vertragliche Nebenpflicht. Sie können deshalb insbesondere nach § 280 Abs. 1, Abs. 3, § 283 S. 1 i. V. m. § 275 Abs. 1 BGB gegenüber dem Mitarbeiter zu Schadenersatz verpflichtet sein (BAG, Urteil vom 03.07.2024, Az. 10 AZR 171/23, Abruf-Nr. 243967).

Wichtig | Allerdings bedarf das wirksame Zustandekommen einer Zielvereinbarung notwendigerweise der Mitwirkung Ihres Mitarbeiters. Es ist nicht nur Ihre Aufgabe. Ein Mitarbeiter hat daher keinen Anspruch auf Schadenersatz, wenn allein aus seinem Verschulden eine Zielvereinbarung nicht zustande gekommen ist, weil er sich z. B. einem Gespräch über mögliche Ziele verweigert.

Beruht das Nichtzustandekommen einer Zielvereinbarung auf Gründen, die beide zu vertreten haben, ist das Mitverschulden des Mitarbeiters am Nichtzustandekommen gemäß § 254 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen.

Bei der Bemessung der Höhe des Schadenersatzanspruchs ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Mitarbeiter vereinbarte Ziele tatsächlich erreicht hätte. Etwas anderes gilt nur, wenn besondere Umstände vorliegen, die diese Annahme ausschließen. Daraus folgt, dass die für den Fall der Zielerreichung in Aussicht gestellte variable Vergütung Grundlage für die Ermittlung des zu ersetzenden Schadens ist (§ 252 S. 2 BGB).

Zielvorgabe als Ausweg bei fehlender Einigung auf Ziele?

Da eine Zielvereinbarung voraussetzt, dass Sie sich mit dem Mitarbeiter einigen, war es bislang gängige Praxis, dass Zielvereinbarungs-Rahmenvereinbarungen einen Konfliktlösungsmechanismus für den Fall enthielten, dass keine Einigung über die für die jeweilige Zielperiode zu vereinbarenden Ziele möglich war.

BAG hat gängige Praxis zu Zielvorgaben für unwirksam erklärt

Bislang wurde häufig vorgesehen, dass bei Nichteinigung der Arbeitgeber berechtigt sein soll, die Ziele einseitig nach billigem Ermessen festzulegen. Übliche Klauseln lauteten z. B. wie folgt:

Bislang gängige Klausel zur Konfliktlösung

Die Festlegung einer variablen Vergütung und deren Höhe hängen von dem Erreichen von Zielen ab, die samt Gewichtung für jedes Geschäftsjahr spätestens innerhalb des ersten Kalendermonats des jeweiligen Geschäftsjahres zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer vereinbart werden. Sollten die Ziele und deren Gewichtung nicht innerhalb des ersten Kalendermonats des jeweiligen Geschäftsjahres zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer vereinbart werden, werden diese seitens des Arbeitgebers nach billigem Ermessen vorgegeben.

Eine solche Regelung hat das BAG in vorformulierten Vertragsbedingungen nunmehr für unwirksam gehalten, weil sie Mitarbeiter nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB unangemessen benachteiligen (BAG, Urteil vom 03.07.2024, Az. 10 AZR 171/23, Abruf-Nr. 243967). Rechtsfolge ist der ersatzlose Wegfall der Bestimmung über die Zielvorgabe. Die übrigen Regelungen über die variable Vergütung und den Abschluss einer Zielvereinbarung bleiben dagegen wirksam und sind zu beachten. Als Arbeitgeber trifft Sie dann die Pflicht, mit dem Mitarbeiter rechtzeitig Verhandlungen über den Abschluss einer Zielvereinbarung zu führen und eine solche ggf. abzuschließen. Andernfalls drohen Ihnen wiederum Schadenersatzansprüche des Mitarbeiters.

Ziele unmittelbar und ausschließlich im Wege einer Zielvorgabe festlegen

Als Arbeitgeber tun Sie gut daran, das Urteil des BAG bei der Gestaltung von Vergütungssystemen zu beachten. Es gilt zu vermeiden, dass Mitarbeiter Schadenersatzansprüche alleine wegen fehlerhaft zustande gekommener Ziele geltend machen können.

Streitigkeiten können Sie insbesondere dadurch vermeiden, dass eine variable Vergütung in Formulararbeitsverträgen künftig nicht an das Erreichen von Zielen aus einer Zielvereinbarung geknüpft wird, sondern Sie die zu erreichenden Ziele unmittelbar und ausschließlich im Wege einer Zielvorgabe festlegen. Eine solche Gestaltung hat das BAG in seiner Entscheidung vom 03.07.2024 explizit für zulässig erachtet.

Musterklausel / Unmittelbare Zielvorgabe durch Arbeitgeber

Über die Festvergütung nach § … Abs. … dieses Arbeitsvertrags hinaus kann der Arbeitnehmer jährlich eine variable Vergütung erhalten, die bei einer Zielerreichung von 100 Prozent der Höhe nach x Prozent der Festvergütung beträgt. Das Entstehen eines Anspruchs auf die variable Vergütung und dessen Höhe hängen davon ab, dass der Arbeitnehmer bestimmte Ziele erreicht. Die konkreten Ziele, deren Gewichtung, die Methode zur Berechnung der Zielerreichung, der für das Entstehen eines Anspruchs auf die variable Vergütung erforderliche Mindestzielerreichungsgrad sowie etwaige weitere für die Bemessung der Zielerreichung bzw. der Bonushöhe maßgebliche Komponenten werden von dem Arbeitgeber für die jeweilige Zielperiode einseitig nach billigem Ermessen festgelegt und dem Arbeitnehmer bekannt gegeben. Über die inhaltliche Ausgestaltung der variablen Vergütung entscheidet der Arbeitgeber für jede Zielperiode neu, der Arbeitnehmer hat deshalb keinen Rechtsanspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung der variablen Vergütung; dies gilt auch, wenn für mehrere Zielperioden jeweils die gleichen oder ähnliche Festlegungen erfolgt sind.

Praxistipp | Bei der einseitigen Festlegung von Zielen sollten Sie aber unbedingt darauf achten, dass Sie die Ziele möglichst bereits vor Beginn oder jedenfalls in den ersten Wochen der jeweiligen Zielperiode festlegen, sodass die Zielvorgabe ihrer Motivations- und Anreizfunktion noch gerecht werden kann. Geben Sie Ziele nämlich zu spät vor, sodass die Zielvorgabe ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen kann, droht Ihnen wiederum eine Schadenersatzpflicht wegen Verstoßes gegen die Pflicht, dem Mitarbeiter rechtzeitig Ziele vorzugeben. Auch dazu liegt eine ganz aktuelle BAG-Entscheidung vor (BAG, Urteil vom 19.02.2025, Az. 10 AZR 57/24, Abruf-Nr. 246678). Dies kann selbst dann der Fall sein, wenn es sich um Unternehmensziele handelt, auf deren Erreichung der betroffene Mitarbeiter nur einen sehr begrenzten Einfluss hat.

AUSGABE: VVP 7/2025, S. 21 · ID: 50412193

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