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VersicherungsrechtInsolvenz eines Versicherers: Was das für Versicherungsmakler und ihre Kunden bedeutet

Abo-Inhalt30.04.20255254 Min. Lesedauer

| Auch wenn es selten vorkommt, dass ein Versicherungsunternehmen seine Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen kann, gibt es immer wieder solche Fälle. Daraus ergeben sich für Versicherungsmakler und ihre Kunden, den betroffenen Versicherungsnehmern (VN), verschiedene rechtliche und praktische Konsequenzen. Entscheidend ist insbesondere, welche Versicherungssparten betroffen sind und in welchem Stadium das Versicherungsverhältnis bei einer Insolvenz gewesen ist, z. B. mit Blick auf die Entstehung eines Versicherungsfalls. Hier sind die wichtigsten Punkte. |

VAG regelt Sicherungsmaßnahmen

Das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) regelt, was passiert, wenn ein Versicherer insolvent wird (§§ 311 ff. VAG). Sobald ein Versicherer zahlungsunfähig oder überschuldet ist, muss der Vorstand dies der Aufsichtsbehörde, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), anzeigen. Nur die BaFin ist berechtigt, einen Insolvenzantrag für den Versicherer zu stellen.

Während eines Insolvenzverfahrens muss das zuständige Insolvenzgericht einen speziellen Pfleger (z. B. eine Behörde oder einen Insolvenzverwalter) bestellen, der die Interessen der Versicherten wahrt. Dabei haben deren Forderungen (z. B. Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente) Vorrang vor anderen Gläubigern (z. B. Kreditgeber des Versicherers).

Allerdings kann die BaFin auch Maßnahmen ergreifen, um eine Insolvenz zu vermeiden, wenn dies im Interesse der Versicherten geboten erscheint. Dazu gehört etwa ein Zahlungsverbot jedweder Art sowie die Herabsetzung von Leistungen.

VVG regelt Ende des Versicherungsverhältnisses

Was im Insolvenzfall mit dem Versicherungsverhältnis geschieht, regelt das Versicherungsvertragsgesetz (VVG).

Allgemeine Regelung in § 16 Abs. 1 VVG

Wird über das Vermögen des Versicherers das Insolvenzverfahren eröffnet, endet das Versicherungsverhältnis mit Ablauf des Monats seit der Eröffnung (§ 16 Abs. 1 VVG, siehe aber die folgenden Ausführungen zu besonderen Leistungsversprechen). Damit soll dem VN ermöglicht werden, sich anderweitig Versicherungsschutz zu beschaffen (Langheid/Rixecker, VVG, 7. Aufl., München 2022, § 16, Rz. 1).

Wichtig | § 16 VVG ist als Spezialnorm gegenüber den Regelungen der Insolvenzordnung (InsO) vorrangig anzuwenden. Daher hat der Pfleger bzw. Insolvenzverwalter – wie sonst nach § 103 InsO üblich – hier kein Wahlrecht, ob der Versicherungsvertrag mit Blick auf seine Laufzeit nicht doch erfüllt werden soll.

Sonderregelung für die Pflichtversicherung

Für Pflichtversicherungen gilt abweichend von § 16 VVG der § 117 Abs. 6 VVG (eine Aufzählung von Pflicht-Haftpflichtversicherungen, die durch Bundes- oder Landesrecht vorgeschrieben sind, findet sich in BT-Drucks. 16/4973 und 5497, siehe auch Prölss/Martin, VVG, 32. Aufl., München 2024, § 113, Rz. 4).

Nach § 117 Abs. 6 VVG endet das Versicherungsverhältnis erst mit dem Ablauf eines Monats, nachdem der Insolvenzverwalter das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versicherers der hierfür zuständigen Stelle (z. B. Kraftfahrt-Bundesamt) angezeigt hat oder der VN entsprechend informiert wurde. Sinn und Zweck dieser Norm ist im Insolvenzfall eines Versicherers die Nachhaftungspflicht aus Gründen des Opferschutzes (Prölss/Martin, VVG, a. a. O., § 117, Rz. 52).

Zeitpunkt der Schadenentstehung maßgebend für Verlauf

Im Insolvenzverfahren des Versicherers ist der Zeitpunkt der Entstehung eines Versicherungsfalls maßgeblich für die Frage, ob und in welchem Umfang der VN mit einer Befriedigung seiner Ansprüche rechnen kann (vgl. auch Prölss/Martin, VVG, a. a. O., § 117, Rz. 53). Drei Konstellationen gibt es hier:

  • Ansprüche aus Versicherungsfällen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen Insolvenzforderungen dar (§ 38 InsO). Sie müssen vom VN (in der Regel reaktiv) schriftlich beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle angemeldet werden (§ 174 InsO). Der VN ist dabei nur einer von vielen Insolvenzgläubigern. In der Regel wird nur eine niedrige Insolvenzquote von wenigen Prozent am Ende des (lange laufenden) Insolvenzverfahrens ermittelt. Infolgedessen wird meist nur ein Bruchteil der angemeldeten Forderung tatsächlich ausgezahlt.
  • Ansprüche aus Versicherungsfällen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (aber innerhalb der Haftungszeit) gelten als sonstige Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Diese sind vorrangig aus der Insolvenzmasse zu erfüllen (§ 53 InsO) und nehmen demzufolge nicht am allgemeinen Insolvenzverfahren teil. Deswegen müssen Forderungen auch nicht zur Insolvenztabelle angemeldet, sondern direkt (proaktiv) gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Reicht die Insolvenzmasse aus, werden die Ansprüche im Idealfall vollständig und zeitnah – also noch während des laufenden Insolvenzverfahrens – befriedigt.
  • Ansprüche aus Versicherungsfällen nach Ablauf der Monatsfrist (§§ 16, 117 Abs. 6 VVG) infolge der Beendigung des Versicherungsverhältnisses: Hier muss die Insolvenzmasse bzw. der Versicherer für Schadenfälle nicht mehr einstehen.

VN kann Teilprämien zurückfordern

Die Prämienzahlungspflicht des VN endet im Übrigen erst mit der Beendigung des Versicherungsverhältnisses. Endet nach § 16 VVG bzw. nach § 117 Abs. 2 VVG das Versicherungsverhältnis, kann der VN den auf die Zeit nach der Beendigung des Versicherungsverhältnisses entfallenden Teil der Prämie unter Abzug der für diese Zeit aufgewendeten oder noch aufzuwendenden Kosten des Versicherers zurückfordern (§ 39 Abs. 2 VVG); hierunter fallen auch anteilige Provisions- bzw. Courtagezahlungen an Versicherungsvermittler (Prölss/Martin, VVG, a. a. O., § 39, Rz. 16).

Der VN kann eine Teilprämie nur im Rahmen des Insolvenzverfahrens zurückfordern. Bei Vorauszahlungen handelt es sich um eine Insolvenzforderung (§ 38 InsO), bei Prämienzahlungen nach Beantragung der Insolvenz nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO um eine Masseverbindlichkeit (Langheid/Rixecker, VVG, a. a. O., § 16, Rz. 2).

Wichtig | Ein anteiliges Honorar für einen vermittelten Netto-/Honorartarif, in dem keine Abschlussprovision eingepreist ist, kann der Kunde von seinem Makler bei entsprechender Vertragsklausel, z. B. unter ausdrücklichem Ausschluss des Schicksalsteilungsgrundsatzes, nicht zurückfordern. Das Honorar bleibt bestehen, auch wenn der Versicherungsvertrag storniert oder auf sonstige Weise beendet wird, etwa wegen der Insolvenz eines Versicherers.

Sicherungsfonds schützen besondere Leistungsversprechen

§ 16 Abs. 1 VVG betrifft nur die Insolvenz des „normalen“ Schadenversicherers. Diese Norm gilt daher auch nicht für Versicherer, die Versicherungsgeschäfte betreiben, die in § 316 VAG aufgeführt werden. Hierbei handelt es sich um Leistungsversprechen von besonderer sozialpolitischer Bedeutung:

  • 1. Lebensversicherungen
  • 2. Krankenversicherungen der in § 146 VAG genannten Art
  • 3. Private Pflegepflichtversicherungen nach § 148 VAG
  • 4. Unfallversicherungen der in § 161 VAG genannten Art
  • 5. Rentenansprüche aus den in § 162 VAG genannten Versicherungen

Zwar erlöschen die vorgenannten Versicherungen durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens von Gesetzes wegen. Allerdings müssen Versicherer der vorgenannten Leistungsversprechen nach den §§ 221 ff. VAG als Pflichtmitglied einem Sicherungsfonds angehören, bspw. Lebensversicherer der Protektor Lebensversicherungs-AG in Berlin und Krankenversicherer der Medicator AG in Köln.

Sicherungsfonds dienen dem Schutz der Ansprüche der VN, der versicherten Personen, der Bezugsberechtigten und der sonstigen aus dem Versicherungsvertrag begünstigten Personen. Sie gewährleisten, dass die vorstehend aufgeführten Versicherungsverträge der notleidenden bzw. insolventen Versicherer aufrechterhalten bzw. fortgeführt werden.

Spezialgesetze außerhalb des VVG und VAG

Einige Versicherungsbereiche werden ergänzend in Spezialgesetzen außerhalb des VVG und VAG geregelt.

Beispiel

Die Kfz-Haftpflichtversicherung ist im Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) geregelt.

  • Hiernach ist der Entschädigungsfonds für Schäden aus Kfz-Unfällen, namentlich der Verkehrsopferhilfe e. V. eintrittspflichtig (§ 12 Abs. 1 PflVG). Dieser Verein übernimmt auch die Schadenregulierung, wenn über das Vermögen des leistungspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherers ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. In diesem Fall können Geschädigte ihre Ersatzansprüche direkt bei diesem Verein geltend machen. Insofern werden ihm die Stellung sowie die Wahrnehmung der Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzfonds zugewiesen (§ 24 Abs. 2 PflVG).
  • Die Voraussetzungen und der Umfang der Leistungspflicht des Vereins richten sich dann im Wesentlichen nach den Vorschriften, die auch für das Verhältnis zwischen dem insolventen Versicherer und dem Geschädigten gelten würden.

Pflichten des Versicherungsmaklers bleiben

Sämtliche Pflichten des Versicherungsmaklers bleiben auch bei der Insolvenz eines Versicherers unverändert bestehen. Insbesondere seine grundsätzliche Beratungs- und Betreuungspflicht endet nicht mit der Insolvenz eines Versicherers.

Als treuhänderischer Sachwalter seiner Kunden ist er vielmehr verpflichtet,

Praxistipp | Gerade in Versicherungssparten der „normalen“ Schadenversicherer nach § 16 VVG oder der Pflichtversicherungen nach § 117 Abs. 6 VVG (siehe vorstehend), in denen das Versicherungsverhältnis von Gesetzes wegen gemäß der jeweiligen Frist endet, muss der Makler seinen Kunden zeitnah alternative Lösungen anbieten, damit deren Versicherungsschutz aufrechterhalten bleibt. Unterlässt er das, könnte er von ihnen im Schadensfall haftbar gemacht werden.

  • sie über die Insolvenz des Versicherers zu informieren und
  • individuelle Handlungsoptionen aufzuzeigen,
  • auch die Korrespondenz zu führen (z. B. wenn ein Schadensfall eingetreten sein sollte) mit dem jeweiligen Entschädigungs- bzw. Sicherungsfonds und etwaigen bestellten Pflegern bzw. Insolvenzverwaltern.

Folgende Punkte muss der Makler für seine Kunden, aber auch für sich selbst wegen möglicher Haftungsrisiken, im Fall der Insolvenz eines Versicherers im Blick haben:

Checkliste / Was bei der Versicherer-Insolvenz zu beachten ist

  • Unverzügliche und proaktive Informationspflicht der betroffenen Kunden, individuell oder ggf. mit einem Musteranschreiben

  • Prüfung der betroffenen Verträge:

    • Besteht unverändert Versicherungsschutz, z. B. durch einen Sicherungsfonds? Oder endet das Versicherungsverhältnis?

    • Entstehen beim Kunden Deckungs-/Versorgungslücken?

    • Besteht ein Umdeckungs-/Ergänzungsbedarf?

    • Besteht die Möglichkeit zur Beitragsfreistellung, (Sonder-)Kündigung oder Rückforderung von Teilprämien?

    • Wie ist der Status etwaiger Schadensfälle (offene oder laufende)?

  • Korrespondenz mit Sicherungsfonds, Pfleger/Insolvenzverwalter

  • Unterstützen Maklerpools/-verbände oder Plattformen bei einer Versichererinsolvenz (Handlungsempfehlungen, Umdeckungslösungen)?

  • Dokumentation der Beratung/Makleraktivität

Wichtig | Insgesamt ist es für den Makler essenziell, proaktiv zu handeln, seine Kunden umfassend zu informieren und alternative Absicherungen anzubieten, um Haftungsrisiken zu minimieren. Sicherungsfonds bieten einen gewissen Schutz, doch bleibt ggf. eine rechtzeitige Umdeckung zentral, um Versicherungslücken zu vermeiden.

Eigene Ansprüche im Auge behalten

Der Makler muss ebenfalls im Blick haben, was mit seinen eigenen Ansprüchen, z. B. in Bezug auf ausstehende Courtagen und fällige Stornoreserven, geschieht, wenn der Versicherer, mit dem er zusammengearbeitet hat, insolvent ist.

Mangels spezieller Regelungen gilt für Versicherungsvermittler die InsO. Das bedeutet, dass der Insolvenzverwalter nach § 103 InsO – anders als bei Versicherungsverträgen – ein Wahlrecht hat, einen gegenseitigen Vertrag, z. B. eine Courtagevereinbarung, zu erfüllen und dann auch die Erfüllung vom Vermittler zu verlangen oder die Erfüllung zu verweigern.

  • Wählt der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Vertrags (§ 103 Abs. 1 InsO), muss die Insolvenzmasse die Leistung des Versicherers erbringen. Die Gegenleistung des Maklers wird zur Masseverbindlichkeit.
  • Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung ab, kann der Makler Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen (§ 103 Abs. 2 InsO). Die Forderung auf Schadenersatz stellt eine Insolvenzforderung dar, die zur Insolvenztabelle angemeldet werden muss.
Weiterführende Hinweise
  • Beitrag „Pensionszusagen bei GmbH in der Krise (Teil 3): Insolvenzschutz und Handlungsempfehlungen“, VVP 4/2021, Seite 19 → Abruf-Nr. 47004515
  • Beitrag „Insolvenz des VN: Was passiert mit der Abschlusscourtage bei Umstellung auf Notlagentarif?“, VVP 9/2023, Seite 3 → Abruf-Nr. 49608942
  • Beitrag „Ihr Maklerkunde wird insolvent: Diese Details sollten Sie wissen und beachten!“, VVP 2/2023, Seite 3 → Abruf-Nr. 48986615

AUSGABE: VVP 6/2025, S. 5 · ID: 50386439

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