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StornogefahrmitteilungenMuss Versicherer einem Versicherungsmakler Stornogefahrmitteilungen schicken?

Top-BeitragAbo-Inhalt24.11.202210307 Min. Lesedauer

| Bisweilen reklamieren Versicherungsmakler, dass sie bei einem Maklerwechsel keine Stornogefahrmitteilungen vom Versicherer bekommen hätten und somit keine Gelegenheit hatten, den notleidenden Vertrag nachzuarbeiten und ihren Courtageanspruch zu retten. Grundlage dieser Über- legung sind die handelsvertreterrechtlichen Schutzbestimmungen des § 87a Abs. 2 und 3 HGB. Dazu müsste der Versicherungsmakler eine vertreterähnliche Stellung haben, was nur in Ausnahmefällen zutrifft. VVP erläutert nachfolgend die Regeln für Stornogefahrmitteilungen. |

Schutznormen für Versicherungsvertreter im HGB

Wird ein Versicherungsvertrag, den ein Versicherungsvertreter vermittelt hat, notleidend, weil die Gefahr einer Stornierung durch den Kunden besteht, oder der Einzug der Versicherungsprämien scheitert oder zu scheitern droht, muss der Versicherer „Maßnahmen zur Stornogefahrabwehr“ ergreifen. Der Versicherer kann eigene Maßnahmen durchführen oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter mit Hilfe einer Stornogefahrmitteilung die Möglichkeit zu geben, den Vertrag nachzubearbeiten und dadurch selbst zu „retten“ (BGH, Urteil vom 28.06.2012, Az. VII ZR 130/11, Abruf-Nr. 122324).

Grundsatz: Schutznormen nicht auf Makler anwendbar

Dieser Grundsatz aus dem Vertreterrecht, der sich auf § 87a Abs. 3, § 92 Abs. 2 HGB stützt, findet im Maklerrecht jedoch keine unmittelbare Anwendung. Diese Schutznormen können daher nicht ohne Weiteres/analog von einem Versicherungsmakler eingefordert werden. Denn der Versicherungsmakler ist in Bezug auf seine ihn beauftragenden Kunden nach ständiger Rechtsprechung deren Bundesgenosse und treuhänderischer Sachwalter. Daher ist der Versicherungsmakler von Seiten des Gesetzgebers nicht ebenso schutzwürdig wie ein Versicherungsvertreter, der aufgrund eines Auftragsverhältnisses für seinen Versicherer tätig wird.

Wichtig | Der vom BGH aufgestellte Grundsatz zur Stornogefahrmitteilung und Nachbearbeitung gemäß § 87a Abs. 3, § 92 Abs. 2 HGB gilt jedoch im Hinblick auf das Rechtsverhältnis zwischen Makler und seinem/seinen Untervertreter/n.

Ausnahme: Stornogefahrmitteilungen an Makler im Einzelfall

Der BGH bejaht nur in einem konkreten Einzelfall unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Pflicht des Versicherers, notleidende Verträge nachzubearbeiten und Stornogefahrmitteilungen zu versenden: Wenn der Makler in gleicher Weise schutzbedürftig ist wie ein Vertreter (BGH, Urteil vom 01.12.2010, Az. VIII ZR 310/09, Abruf-Nr. 110310).

Dafür sprechen vor allem

  • laufend gezahlte Courtagevorschüsse,
  • die Einbindung in die Organisationsstruktur des Versicherers und
  • die Zahlung eines Organisationszuschusses sowie eines Bestandspflegegelds.

Zuvor hat auch das OLG Hamm auf die Geschäftsbeziehung des Versicherers und des Maklers abgestellt (OLG Hamm, Urteil vom 21.01.1999, Az. 18 U 109/98, Abruf-Nr. 99447): Ist der Makler in die Außenorganisation ähnlich eingebunden wie die abhängigen Vermittler, kommt die analoge Anwendung des § 87a Abs. 3 HGB in Betracht. Insbesondere dann, wenn

  • der Versicherer für den Makler ein Agenturkonto führt,
  • der Versicherer und der Makler in einer regelmäßigen und nicht nur gelegentlichen Geschäftsbeziehung stehen,
  • der Makler vorschüssig Courtagen erhält und
  • die Courtagezahlungen des Versicherers einen wesentlichen Anteil an den Courtageeinkünften des Maklers ausmachen.

Auch eine an Treu und Glauben orientierte Auslegung der Vereinbarungen zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsmakler kann im Ausnahmefall eine Pflicht des Versicherers zu Stornogefahrmitteilungen begründen (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.04.1997, Az. 24 U 115/95, Abruf-Nr. 99424).

Praxistipp | Sind Sie – ähnlich einem Versicherungsvertreter – in die Organisationsstruktur des Versicherers eingebunden, können Sie als Makler einen Anspruch auf Stornogefahrmitteilungen haben. Auch aus den vertraglichen Regelungen – etwa in seiner Courtage-Vereinbarung – kann sich ergeben, dass der Versicherer eine Pflicht Ihnen gegenüber zur Stornogefahrmitteilung hat, um Ihnen im Falle eines Maklerwechsels die Nachbearbeitung zu ermöglichen.

Sonderfall: Maklerpool und Stornogefahrmitteilungen

Auch bei der Kooperation zwischen einem Maklerpool und einem Versicherungsmakler stellt sich die Frage, ob der Maklerpool an den Versicherungsmakler Stornogefahrmitteilungen versenden muss. Der BGH bejaht dies für den Fall, dass der Makler nach Treu und Glauben in die Kooperation mit dem Pool ähnlich eingebunden ist wie ein Versicherungsvertreter (BGH, Urteil vom 08.07.2021, Az. I ZR 248/19, Abruf-Nr. 224072). Das ist etwa der Fall bei

Praxistipp | Sind Sie in die Organisationsstruktur eines Maklerpools vertreterähnlich eingebunden, muss der Pool an Sie rechtzeitig Stornogefahrmitteilungen schicken. Diese sind ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine ordnungsgemäße Bearbeitung von vornherein nicht erfolgversprechend gewesen wäre, etwa wenn der VN zahlungsunfähig ist oder das versicherte Interesse wegfällt.

  • der Zahlung laufender Courtagevorschüsse für vermittelte Versicherungsverträge,
  • der Einbindung in die Organisationsstruktur,
  • der Zahlung von Organisationszuschüssen oder Bestandspflegegeld und
  • der regelmäßigen Versendung von Stornomitteilungen.

AUSGABE: VVP 12/2022, S. 3 · ID: 48749715

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