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AusgleichsanspruchKV-Spezialist kann von Ausgleichsberechnung außerhalb der „Grundsätze Kranken“ profitieren

Top-BeitragAbo-Inhalt24.11.202210158 Min. LesedauerVon Rechtsanwalt Lutz Eggebrecht, Dr. Heinicke, Eggebrecht & Partner mbB Rechtsanwälte, München

| Dass ein Versicherungsvertreter von der Ausgleichsberechnung außerhalb der „Grundsätze Kranken“ profitiert, zeigt ein Urteil des LG Köln im Fall eines auf die Vermittlung von Krankenversicherungen spezialisierten Versicherungsvertreters. VVP stellt Ihnen das Urteil und die Hintergründe vor und erläutert, welche Schlüsse Vertreter für die Praxis ziehen. |

Problem: Ausgleich nach „Grundsätzen Kranken“ gering

Der Handelsvertreterausgleichsanspruch eines Versicherungsvertreters errechnet sich regelmäßig nach den von den Spitzenverbänden des Versicherungsvertriebes verfassten „Grundsätze zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs“. Dabei kann eine Ausgleichsberechnung für die Sachversicherung nach den „Grundsätzen Sach“ und die Lebensversicherung nach den „Grundsätzen Leben“ nach den Berechnungsschritten gut praktiziert werden. Vom Grundsatz her kann damit ein angemessener und sachgerechter Handelsvertreterausgleich berechnet werden.

Das Problem: Eine Berechnung des Handelsvertreterausgleichs für die Krankenversicherung nach den „Grundsätzen Kranken“ ergibt regelmäßig nur einen sehr geringen Handelsvertreterausgleich.

Vorteil: Ausgleichsanspruch im Voraus nicht ausschließbar

Die „Grundsätze“ stellen keine Norm dar. Daher kann ein Versicherungsvertreter jederzeit eine Berechnung nach den „Grundsätzen“ ablehnen, wenn sich ein höherer Ausgleichsanspruch nach einer anderen Berechnung ergibt. Dies gilt selbst dann, wenn die Anwendung der „Grundsätze“ vertraglich in dem Agenturvertrag vereinbart worden ist. Denn § 89b Abs. 4 S. 1 HGB verbietet vertragliche Ausschlüsse oder Einschränkungen des Handelsvertreterausgleichsanspruchs vor Beendigung des Handelsvertretervertrags.

Dies hat sich ein auf Krankenversicherungen spezialisierter Versicherungsvertreter zunutze gemacht.

KV-Spezialist will Berechnung außerhalb der „Grundsätze“

Der KV-Spezialist hat nach einer durch das Versicherungsunternehmen ausgesprochenen Kündigung eine Berechnung nach den „Grundsätzen Kranken“ abgelehnt. Stattdessen hat er eine deutlich höhere Berechnung außerhalb der „Grundsätze Kranken“ nach dem für Warenvertreter geltenden Berechnungsmodus geltend gemacht. Da der Versicherer diese Berechnung nicht akzeptiert hat, hat der Versicherungsvertreter vor dem LG Köln geklagt.

Grundlagen für die Ausgleichsberechnung außerhalb der „Grundsätze“

Zur Ausgleichsberechnung außerhalb der „Grundsätze“ müssen Sie wissen: Bei einem Versicherungsvertreter bleiben fiktive künftige Neuabschlüsse weiterer Versicherungsverträge mit einem bestehenden Kundenstamm unberücksichtigt (das ist anders als beim Warenvertreter, bei dem sich der Ausgleich nach den fiktiven zukünftigen Neuabschlüssen von Geschäftsabschlüssen mit vom Handelsvertreter geworbenen Neukunden berechnet).

Somit können bei einem Versicherungsvertreter für eine Berechnung des Ausgleichs außerhalb der „Grundsätze“ lediglich künftige Provisionsverluste aus bereits bestehenden Versicherungsverträgen zugrunde gelegt werden. Die Ausgleichsberechnung eines Versicherungsvertreters richtet sich also danach, in welchem Umfang er ohne die Beendigung seines Agenturvertrags aus den von ihm vermittelten neuen Versicherungsverträgen künftig Provisionsansprüche zu erwarten gehabt hätte.

Für die einmalig bei der Vermittlung eines neuen Versicherungsvertrags bezahlten Abschlussprovisionen hat ein Versicherungsvertreter nur in bestimmten Ausnahmefällen nach Beendigung seines Agenturvertrages weitere Provisionen zu erwarten. Mit der Klage wurden deshalb nur solche Provisionen für die Ausgleichsberechnung zugrunde gelegt, die dem Vertreter aus den bestehenden Versicherungsverträgen künftig entgehen.

LG Köln spricht deutlich höheren Ausgleichsanspruch zu

Das LG Köln hat für die Ausgleichsberechnung die letztjährige Abschlussprovision für die Beitragserhöhung selbstvermittelter Verträge und die letztjährige Zusatzprovision für die Erhaltung bestehender Versicherungsverträge nach einer Beitragserhöhung in Höhe einer vorgegebenen Realisierungsquote zugrunde gelegt. Denn insoweit war bei einer fiktiven Fortsetzung des Vertragsverhältnisses auch in den Folgejahren ein Provisionsanspruch zu erwarten.

Unter Zugrundelegung einer belegten Abwanderungsquote von 2,46 Prozent und unter Ansatz eines Prognosezeitraums von sechs Jahren sowie einer zehnprozentigen Abzinsung errechnete das LG Köln einen Handelsvertreterausgleichsanspruch. Dieser lag deutlich höher (über dem vierfachen Betrag) als der Ausgleichsanspruch bei einer Berechnung nach den „Grundsätzen Kranken“ (LG Köln, Urteil vom 18.12.2020 Az. 89 O 2/20, Abruf-Nr. 232208, zwischenzeitlich rechtskräftig).

Konsequenzen für Versicherungsvertreter

Für die meisten Versicherungsvertreter wird es auch in Zukunft sinnvoll sein, den Ausgleichsanspruch für Krankenversicherungen nach den „Grundsätzen Kranken“ zu berechnen. Anders kann es für die auf die Vermittlung von Krankenversicherungen spezialisierten Versicherungsvertreter sein, denen vertragliche Provisionsansprüche aus den bestehenden Versicherungsverträgen nach Beendigung ihres Agenturvertrags entgehen können; für sie kann es sinnvoll sein, auch eine Berechnung außerhalb der „Grundsätze Kranken“ in Betracht zu ziehen.

AUSGABE: VVP 12/2022, S. 5 · ID: 48734458

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