Logo IWW Institut für Wissen in der Wirtschaft
Login
FeedbackAbschluss-Umfrage

KrankheitskostenversicherungBei Vergleich nach Verkehrsunfall müssen Obliegenheiten beachtet werden

Abo-Inhalt12.09.2025128 Min. Lesedauer

| Wird nach einem Verkehrsunfall ein Abfindungsvergleich geschlossen, muss darauf geachtet werden, dass die vom Kranken-VR des Betroffenen gezahlten oder zu zahlenden unfallbedingten Kosten von dem Vergleich ausgenommen werden müssen. Meist schreibt der VR dazu auch eine eigene konkrete Abfindungsklausel vor. Wird dies nicht beachtet, kann der VR ggf. weitere Zahlungen verweigern. |

Sachverhalt

Der VN unterhält beim VR eine Krankheitskostenversicherung. Bei einem Verkehrsunfall erlitt er eine Oberschenkelhalsfraktur des linken Oberschenkels, die konservativ versorgt wurde. Nach einer Hüftkopfnekrose wurde dem Kläger ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt. Sein Kranken-VR übersandte ihm dazu einen Unfallfragebogen. Beigefügt wurde zudem ein Merkblatt „Wichtige Informationen“. Darin hieß es: „Oft schließen der Verletzte und der Verursacher des Unfalls (oder dessen Haftpflichtversicherer) einen Vergleich. Dann achten Sie bitte darauf, dass dieser Vergleich nicht unsere Ansprüche erfasst. Hierzu nehmen Sie bitte alle unfallbedingten Kosten, die wir gezahlt haben oder zahlen werden, von dem Vergleich aus. Hierzu sollten Sie die folgende Klausel nutzen: „ ...“ Ohne diese Klausel können wir nach einem Vergleichsschluss unsere Leistungen nicht mehr vom Verursacher des Unfalls (oder dessen Versicherer) zurückfordern. Dies hat für Sie negative Folgen: Wir werden Ihnen die unfallbedingten Kosten nicht mehr erstatten.“

Der Kläger schloss mit der Haftpflichtversicherung der Unfallverursacherin einen Abfindungsvergleich. Diese lautet auszugsweise: „Ich (wir) erklären, dass bei Auszahlung einer weiteren Entschädigungssumme von 20.000 EUR […] durch Vergleich alle Schadenersatzansprüche aus diesem Unfallereignis/Schadenereignis, unabhängig davon, ob diese bekannt oder unbekannt, voraussehbar oder nicht voraussehbar sind, endgültig und vollständig abgefunden sind. Dies gilt uneingeschränkt auch für Schadenersatzansprüche aus diesem Unfallereignis/Schadenereignis gegen Versicherte der o. g. Versicherungsgesellschaft oder für etwaige weitere Gesamtschuldner. […]“

Später verweigerte die Haftpflichtversicherung der Unfallverursacherin gegenüber dem VR unter Verweis auf den Abfindungsvergleich eine Beteiligung an weiteren Aufwendungen. Der VR teilte dem VN daraufhin mit, eine Kostenübernahme der unfallbedingten Behandlungskosten komme aufgrund der Wirkung des § 86 VVG nicht in Betracht. Die Kosten für Reha-Behandlungen und Physiotherapie wurden daher nicht übernommen.

Mit der Klage hat der VN zunächst Zahlung von 4.908,35 EUR nebst Prozesszinsen sowie die Feststellung begehrt, dass der VR auch künftig verpflichtet sei, bedingungsgemäß Versicherungsleistungen zu erstatten, die auf den Verkehrsunfall des VN zurückzuführen seien.

Entscheidungsgründe

Das LG Köln hielt die Klage für zulässig. Sie sei aber unbegründet (29.1.25, 23 O 7/23, Abruf-Nr. 250050). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der streitgegenständlichen Behandlungskosten gem. § 192 Abs. 1 VVG i. V. m. § 1 Abs. 2 AVB. Der Anspruch auf Erstattung der Kosten, die unstreitig auf die Behandlung der Folgen des Unfallgeschehens beruhen, steht die vorsätzliche Verletzung des Aufgabeverbots gemäß § 86 Abs. 2 S. 1 und 2 VVG entgegen.

Nach § 86 Abs. 2 S. 1 VVG muss der VN seinen Ersatzanspruch oder ein zur Sicherung dieses Anspruchs dienendes Recht unter Beachtung der geltenden Form- und Fristvorschriften wahren. Er muss bei dessen Durchsetzung durch den VR soweit erforderlich mitwirken.

Durch den Abschluss des Abfindungsvergleichs zwischen dem VN und dem Haftpflichtversicherer der Unfallgegnerin wurde es dem VR unmöglich, gegenwärtige und künftige Regressansprüche aus übergegangenem Recht (§ 86 Abs. 1 VVG) geltend zu machen. Dies steht zwischen den Parteien auch nicht in Streit.

Der Verstoß gegen das Aufgabeverbot erfolgte auch vorsätzlich. Zwar ist der VR für das Vorliegen des Vorsatzes beweisbelastet, jedoch trifft den VN eine sekundäre Darlegungslast für gegen die Annahme von Vorsatz sprechende Umstände. Dieser sekundären Darlegungslast ist der VN aber nicht ausreichend nachgekommen. Er hat nicht in Abrede gestellt, dass er das Schreiben vom 16.11.16 erhalten hat. Soweit er geltend macht, er habe dessen Inhalt „als Arzt ohnehin auch anfänglich nicht einordnen“ können, ist dies angesichts des Wortlauts des Schreibens nicht nachvollziehbar. Denn in den „Wichtigen Informationen“ hat der VR dort mit allgemeinverständlichen Formulierungen darauf hingewiesen, dass alle von ihm gezahlten oder zu zahlenden unfallbedingten Kosten von einem Vergleich auszunehmen seien und die Verwendung einer konkreten Klausel vorgeschlagen. Auf anderenfalls drohende nachteilige Folgen für den VN hat der VR ebenfalls deutlich hingewiesen („Wir werden Ihnen die unfallbedingten Kosten nicht mehr erstatten“). Vor diesem Hintergrund erschließt sich nicht, dass dem VN bei Abschluss des Vergleichs nicht bekannt war, (auch) für den VR entstandene oder ggf. entstehende Ansprüche abzugelten.

Relevanz für die Praxis

Werden bei einem Abfindungsvergleich die Ansprüche des Kranken-VR des Betroffenen nicht berücksichtigt, verletzt dieser seine Obliegenheit gegenüber dem VR. Das kann auch schnell zu einem Regress gegen den Rechtsanwalt führen. Es bietet sich z. B. die folgende Klausel an:

Diese Abfindungserklärung erstreckt sich nicht auf die unfallbedingten Behandlungskosten, die die K. J. Krankenversicherung AG erstattet hat oder zukünftig noch erstatten wird. Der Vergleich erfasst auch nicht die Pflegeleistungen, die die K. J. Krankenversicherung AG wegen des Unfalls ausgezahlt hat oder zukünftig auszahlen wird.“

AUSGABE: VK 9/2025, S. 154 · ID: 50533620

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025

Bildrechte