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WohngebäudeversicherungInnenausgleich zwischen Vor- und Nachversicherer bei Leitungswasseraustritt

Abo-Inhalt08.08.202535 Min. LesedauerVon RiOLG a. D. und RA Dr. Dirk Halbach, Bonn

| Fällt ein Austritt von Leitungswasser sowohl in die bei einem Vor- als auch bei einem Nachversicherer versicherte Zeit, muss derjenige VR, der einen Ausgleichsanspruch nach den Grundsätzen der Mehrfachversicherung geltend macht, die Voraussetzungen im Hinblick auf die zeitliche Entstehung der Schäden darlegen und beweisen. So entschied es das OLG München. |

Sachverhalt

Die Klägerin ist seit Dezember 2017 Gebäude-VR des VN im Hinblick auf ein Objekt in P. Bis zu diesem Zeitpunkt bestand eine Gebäudeversicherung bei der Beklagten. Nach dem Vortrag der Klägerin ist im Februar 2018 ein Feuchtigkeitsschaden am Haus bemerkt worden, den die Klägerin reguliert habe.

Sachverständigerseits sei dann festgestellt worden, dass es sich um einen Langzeitschaden nach einem Rohrbruch handle. Dieser müsse bereits zum Zeitpunkt der Versicherung bei der Beklagten eingetreten sein, sodass diese hätte regulieren müssen. Mit der Klage hat die Klägerin von der Beklagten Ausgleich ihrer Kosten verlangt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Beklagte nach den Versicherungsbedingungen nicht einstandspflichtig sei.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin hatte vor dem OLG München keinen Erfolg (14.8.24, 25 U 2826/23 e, Abruf-Nr. 249379). Im Ergebnis zu Recht hat das LG die Klage abgewiesen. Auch das Vorbringen in der Berufungsbegründung rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Zutreffend hat das LG entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch nach § 86 VVG auf Erstattung der von ihr erbrachten Versicherungsleistungen hat.

Merke | Der Ausgleich zwischen zwei Versicherern bei Mehrfachversicherung ist grundsätzlich in den § 77 ff. VVG geregelt. Ein Anspruch nach § 86 VVG kann aber ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn § 78 VVG unanwendbar ist. Dies gilt zum Beispiel, wenn ein irrtümlich zahlender VR nur subsidiär gehaftet hat oder ein nur subsidiär haftender VR aufgrund einer Vorleistungspflicht in Vorlage gegangen ist.

Zwar macht die Klägerin vorliegend geltend, dass für den vorliegenden Versicherungsfall ausschließlich die Beklagte eintrittspflichtig sei. Dies trifft jedoch nicht zu, weil die Klägerin für den gesamten Schaden jedenfalls auch voll eintrittspflichtig ist.

  • Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des BGH (VK 17, 151). Dieser hat zu AVB, welche den hier vorliegenden der Klägerin im Wesentlichen entsprechen, entschieden, dass der Versicherungsfall „Leitungswasserschaden“ so lange andauert, wie Wasser aus Rohren der Wasserversorgung bestimmungswidrig austritt und versicherte Sachen zerstört oder beschädigt.
  • Da in den AVB eine Festlegung fehlt, zu welchem Zeitpunkt der Versicherungsfall als eingetreten gilt, entstehe für den durchschnittlichen VN der Eindruck, dass er in Bezug auf von ihm nach Vertragsschluss entdeckte Leitungswasserschäden umfassenden Versicherungsschutz genieße, weil es für die zeitliche Festlegung des Versicherungsfalls nicht auf den Beginn des schädigenden Vorgangs, sondern auf die Entdeckung des Schadens ankomme. Vorliegend fand der Wechsel des Gebäude-VR zum 1.12.17 statt. Der Schaden wurde vom VN unstreitig im Februar 2018 entdeckt. Die Klägerin war daher gegenüber ihrem VN zur Regulierung des Schadens verpflichtet und hat diesen zu Recht auch voll reguliert.

Aber auch ein Anspruch nach § 78 Abs. 2 VVG steht der Klägerin vorliegend nicht zu. Es ist nicht hinreichend substantiiert dargelegt, in Bezug auf welchen konkreten Teil des Schadens vorliegend eine Mehrfachversicherung gegeben ist. Die Klägerin behauptet, dass sich die Haarrisse in dem Wasserrohr zwischen Erdgeschoss und erstem Stock bereits vor dem 1.12.17 gebildet hätten und auch in dem noch bei der Beklagten versicherten Zeitraum bereits Leitungswasser bestimmungswidrig ausgetreten sei. Die Beklagte bestreitet dies.

  • Nach Auffassung des Senats macht die Klägerin geltend, dass die Beklagte jedenfalls teilweise ebenfalls eintrittspflichtig wäre, wenn man unterstellt, dass sich die Haarrisse bereits mehrere Monate vor dem 20.2.18 und damit noch vor dem 1.12.17 gebildet hätten und entsprechend bereits in dem noch bei der Beklagten versicherten Zeitraum Leitungswasser ausgetreten sei und versicherte Sachen beschädigt habe. Zur Frage, ob auch der VR eintrittspflichtig ist, in dessen versicherten Zeitraum der erste Teil der Schadensentstehung fällt, verhält sich das oben zitierte Urteil des BGH (VK 17, 151) nicht. Auch insoweit sind die AVB aus Sicht eines durchschnittlichen VN auszulegen. Der Versicherungsfall Rohrbruch hätte sich – die Behauptung der Klägerin unterstellt – voll und der Versicherungsfall Leitungswasserschaden jedenfalls teilweise auch in der bei der Beklagten versicherten Zeit ereignet. Ein durchschnittlicher VN vermag den Versicherungsbedingungen nicht zu entnehmen, dass für während des versicherten Zeitraums eintretende Schäden keine Eintrittspflicht bestehen soll, wenn diese erst nach Ablauf des Versicherungsschutzes entdeckt werden.
  • Allerdings besteht die Eintrittspflicht auch der Beklagten nur für diejenigen Schäden, die tatsächlich noch in bei ihr versicherter Zeit eingetreten sind. Die Klägerin hätte daher im Einzelnen darlegen und beweisen müssen, welche Schäden bereits während des noch bei der Beklagten versicherten Zeitraums eingetreten seien und welche der regulierten Beträge auf die Behebung gerade dieser Schäden entfielen. Nur insoweit wäre eine Mehrfachversicherung gegeben. Und auch nur insoweit wäre daher ein Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte in Betracht gekommen.
    • Vorliegend ergibt sich zwar aus dem vorgelegten Sachverständigengutachten der Klägerin, dass aller Wahrscheinlichkeit nach über einen längeren Zeitraum Leitungswasser aus den haarrissförmigen Leckagestellen in geringen Mengen ausgetreten ist und der erste Eintritt des Schadens bereits Monate zurück lag.
    • Allerdings fehlt eine genaue Darlegung dazu, welche Gebäudeteile zu welchem Zeitpunkt durchfeuchtet wurden und welche der regulierten Kosten auf welchen Teil des Schadens entfielen. Jedenfalls die sichtbare Durchfeuchtung der Wand- und Deckenbeplankung bzw. des Fußbodenaufbaus ist – nachdem diese für den VN erst am 20.2.18 erkennbar geworden ist – ersichtlich erst in bei der Klägerin versicherten Zeit erfolgt. Die Erneuerung des zerstörten Holzbalkens wurde bei der Regulierung durch die Klägerin nicht berücksichtigt.
  • Ohne dass es noch darauf ankommt, weist das OLG München darauf hin, dass – sofern ein Anspruch nach § 78 Abs. 2 VVG dargelegt und nachgewiesen wäre – ein Ausgleich nach Maßgabe der Beträge zu erfolgen hätte, welche die Parteien dem VN nach dem jeweiligen Vertrag zu zahlen hätten. Dazu ist bisher ebenfalls noch kein Vortrag erfolgt. Die Versicherungsleistung für Rohrbruchschäden ist bei der Beklagten beispielsweise nach § 7 Nr. 4 Versicherungsbedingungen auf 1.500 EUR multipliziert mit dem zum Versicherungsfall geltenden Neuwertfaktor begrenzt.

Relevanz für die Praxis

Zu Recht lehnt das OLG einen Erstattungsanspruch nach § 86 VVG ab. Bei einem Ausgleich zwischen Versicherern nach den Grundsätzen der Mehrfachversicherung gehen die Ansprüche nach §§ 77 ff. VVG als Spezialregelung vor (bereits BGH VersR 18, 726; VersR 89, 250 zu § 59 a. F.; BGH VersR 97, 1088; Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 32. Aufl., § 86 Rn. 25; MüKoVVG-Halbach, § 77 Rn. 25).

Das OLG weist auf den Ausnahmefall hin, dass ein irrtümlich zahlender VR nur subsidiär haftet oder in Vorlage getreten ist (BGH VersR 04, 994).

Die Anwendung von § 77 ff. VVG setzt Identität von Interesse und Gefahr voraus. Das ist der Fall, wenn beide vollständig deckungsgleich sind. Die Regelung gilt aber auch bei teilweiser Überschneidung (BGH-NJW-RR 88, 727). Problematisch ist, ob man bei Wechsel des VR in Leitungswasserfällen mit allmählicher Schadensentstehung § 77 VVG entsprechend anwenden kann (zum Theorienstreit zum maßgebenden Zeitpunkt: Prölls/Martin/Armbrüster, VVG, 32. Aufl., § 3 VGB Rn. 7a). Gegen eine Analogie spricht jedoch der Normzweck, nämlich Vermeidung von Bereicherungen, und die Interessenlage. Hier können die Auslegung des Bedingungswerks (BGH VersR 18, 726 = VK 18, 181) und die Beweislastregeln helfen (OLG Celle VersR 13, 517 = VK 13, 51).

Insoweit beruft sich das OLG auf die Rechtsprechung des BGH (grundlegend VK 17, 151 = r+s 17, 478), wonach der Versicherungsfall „Leitungswasserschaden“ solange andauert, wie Wasser aus den aufgeführten Anlagen bestimmungswidrig ausgetreten sei. Die anwendbaren AVB (hier: § 4 VGB 2001) enthalten danach keine ausdrückliche zeitliche Begrenzung des Versicherungsschutzes für den Leitungswasserschaden. Es ist nicht festgelegt, zu welchem Zeitpunkt der Versicherungsfall als eingetreten gilt. Daraus folgert das OLG, dass die Beklagte ebenfalls zum Teil eintrittspflichtig wäre, wenn man unterstelle, dass die Haarrisse sich in der Zeit der Vorversicherung gebildet hätten. Insoweit sei für den durchschnittlichen VN den AVB nicht zu entnehmen, dass für während des versicherten Zeitraums eintretende Schäden keine Eintrittspflicht bestehe, wenn diese erst nach Ablauf des Versicherungsschutzes entdeckt würden. Allerdings hafte die Beklagte nur für Schäden, die tatsächlich noch in bei ihr versicherter Zeit eingetreten wären. Über diese Ansicht kann man streiten. Vorliegend kam es auf den Theorienstreit nicht an, weil insoweit eine genaue Darlegung fehlt. Mit dem vorliegende Fall vergleichbare Konstellationen werden noch weiter die Gerichte beschäftigen. Man könnte durch Teilungsabkommen regeln, wer bei einem Versichererwechsel die Verantwortung trägt (vgl. Felsch, r+s 14, 313, 323 ).

Weiterführende Hinweise
  • Innenausgleich geht vor Regress gegen den Versicherten: BGH VK 18, 181
  • VR kann sich nicht vor Innenausgleich drücken: BGH VK 18, 163
  • Kausalitätsnachweis bei Leitungswasserschaden und Versichererwechsel: OLG Celle VK 13, 51
  • Ermittlungen zur vorvertraglichen Zeit müssen vom VN ermöglicht werden: KG VK 14, 202

AUSGABE: VK 8/2025, S. 130 · ID: 50495053

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