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Private BerufsunfähigkeitsversicherungUnwirksame Klauseln über die Überschussbeteiligung des VN (Telematiktarif)
| Der BGH hat entschieden, dass von einem VR in seinen Bedingungen zur Berufsunfähigkeitsversicherung verwendete Klauseln über die Überschussbeteiligung in Zusammenhang mit sog. Telematiktarifen unwirksam sind. |
1. Die Klauseln des VR
Der Berufsunfähigkeitstarif setzt die Teilnahme der versicherten Person an einem sogenannten „Vitality Programm“ voraus. Durch bestimmte Verhaltensweisen, insbesondere sportliche Aktivitäten oder durch Arztbesuche können Punkte gesammelt werden. Abhängig von der Zahl der gesammelten Punkte werden die Teilnehmer in einen sogenannten „Vitality Status“ eingestuft, der entweder „Bronze“, „Silber“, „Gold“ oder „Platin“ sein kann. In den Klauseln heißt es dazu: Das von der Beklagten gegenüber den VN verwendete Klauselwerk enthält in diesem Zusammenhang auszugsweise die folgenden Regelungen:
Enthaltene Vertragsklauseln in § 20 Abs. 4 der Vertragsbedingungen |
[Abs. 6] Sofern wir keine termingerechte Information über das sonstige gesundheitsbewusste Verhalten erhalten, weil z. B. das … Vitality Programm gekündigt wurde oder der Übermittlung des … Vitality Status widersprochen wurde, wird Ihr Vertrag hinsichtlich dieser Überschüsse für die betroffenen Versicherungsjahre so behandelt, als hätte die versicherte Person sich nicht sonstig gesundheitsbewusst verhalten. (…) [Abs. 8] Die Überschussanteile Ihrer Versicherung können steigen, wenn die versicherte Person durch sonstiges gesundheitsbewusstes Verhalten einen entsprechenden … Vitality Status erreicht, wodurch der Nettobeitrag sinken kann. Umgekehrt können die Überschussanteile Ihrer Versicherung aber auch sinken, wenn die versicherte Person sich weniger sonstig gesundheitsbewusst verhält und einen diesem Verhalten entsprechenden … Vitality Status erhält, wodurch der Nettobeitrag steigen kann. Der Nettobeitrag ergibt sich aus dem um die Überschussanteile reduzierten Betrag. Einzelheiten hierzu, insbesondere zu den von dem … Vitality Status abhängigen jährlichen Zu- oder Abnahmen Ihres Nettobeitrages, sowie zu den in jedem Versicherungsjahr geltenden Grenzwerten und Bezugsgrößen finden Sie in unserem jährlichen Geschäftsbericht; diese Werte werden jährlich im Rahmen der Überschussdeklaration neu festgesetzt.(…) |
Gegen diese Klausel ist ein gemeinnütziger Verbraucherschutzverband vorgegangen. Er hält die Klauseln wegen Intransparenz und unangemessener Benachteiligung des VN für unwirksam. Er begehrt mit seiner Klage, dem VR bei Meidung von Ordnungsmitteln aufzugeben, es zu unterlassen, diese Klauseln zu verwenden.
Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des VR zurückgewiesen.
2. BGH hält die Klauseln für intransparent
Der BGH hält die Klauseln ebenfalls für unwirksam (12.6.24, IV ZR 437/22, Abruf-Nr. 242213). Er hat die Revision des VR zurückgewiesen.
a) Maßstäbe der Überschussbeteiligung sind intransparent
Die beiden angegriffenen Teilklauseln halten einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB nicht stand. Die Klausel in § 20 Abs. 4 Unterabsatz 8 der Versicherungsbedingungen ist wegen Intransparenz (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) unwirksam.
Dem VN wird durch die Klausel nicht hinreichend verdeutlicht, nach welchen Maßstäben die in § 20 Abs. 4 Unterabsatz 2 vorgesehene weitere Modifizierung seiner Überschussbeteiligung (und damit mittelbar die Höhe der von ihm zu leistenden Versicherungsprämie) vorgenommen wird. Für nicht ausreichend erachtet der Senat dabei den Verweis in § 20 Abs. 4 Unterabs. 8 auf den Geschäftsbericht des VR, weil auch dort keine abstrakten Regelungen zur Modifikation der Überschussbeteiligung enthalten sind. Aus demselben Grund wird die Transparenz der Klausel auch nicht durch die den VN übermittelten Informationsschreiben hergestellt.
b) VN wird durch Risikoverteilung unangemessen benachteiligt
Die Klausel in § 20 Abs. 4 Unterabsatz 6 ist nach Auffassung des BGH unwirksam, weil sie den VN entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB).
Eine Auslegung der Klausel ergibt, dass zulasten des VN für jeden Fall des Ausbleibens einer Mitteilung über sein sonstiges gesundheitsbewusstes Verhalten unterstellt wird, es habe ein solches Verhalten nicht gegeben. Dies benachteiligt den VN deshalb unangemessen, weil ihm hiermit das Risiko einer ausbleibenden Übermittlung auch für den Fall aufgebürdet wird, dass der VR, ein Dritter oder niemand das Ausbleiben der Übermittlung des sonstigen gesundheitsbewussten Verhaltens zu vertreten hat.
3. Relevanz für die Praxis
Enthält der Vertrag Ihres Mandanten entsprechende Klauseln, sind diese unwirksam. Auch ähnlich lautende Vertragsklauseln müssen Sie unter gleichen Gesichtspunkten auf ihre Wirksamkeit prüfen.
Die Konsequenzen der unwirksamen Klauseln müssen dagegen noch diskutiert werden. Die Regel lautet: Ist eine Klausel hinfällig, bleibt der restliche Vertrag grundsätzlich dennoch wirksam, es sei denn, das Festhalten am Vertrag würde eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen. Genau das ist aber die Frage. Ohne die entsprechenden Klauseln ergibt möglicherweise das gesamte „Vitality Programm“ keinen Sinn mehr. Hier muss dann entsprechend argumentiert werden – ja nachdem, welches Ergebnis man erzielen möchte.
AUSGABE: VK 11/2024, S. 189 · ID: 50187151