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HaftungsrechtSo haften Versicherungsunternehmen bei Zahlungen ins Ausland

Abo-Inhalt03.06.2024583 Min. LesedauerVon von StB Christoph Wenhardt, Brühl

| Der vorliegende Beitrag stellt die Rechtslage dar, wenn Versicherungsunternehmen Zahlungen ins Ausland vornehmen. Dabei wird auch auf die Anhebung der Nichtaufgriffsgrenze des § 20 Abs. 7 ErbStG durch das Wachstumschancengesetz eingegangen. |

1. Haftung von Versicherungsunternehmen

Nach § 20 Abs. 6 S. 1 ErbStG haften Versicherungsunternehmen, die vor Entrichtung oder Sicherstellung der Steuer die von ihnen zu zahlende Versicherungssumme oder Leibrente in ein Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes zahlen oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes wohnhaften Berechtigten zur Verfügung stellen, in Höhe des ausgezahlten Betrags für die Steuer.

Ausländer in diesem Sinne ist der Berechtigte dann, wenn er im Inland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Maßgebend hierfür ist der Zeitpunkt der Auszahlung (Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 20 Rn. 61, Stand Nov. 2023).

Hierbei kommt es für die Haftung nicht darauf an, ob dem Versicherungsunternehmen ein Verschulden zur Last fällt, oder ob ihm die Ausländereigenschaft des Berechtigten bekannt war (siehe auch BFH, 5.3.81, II R 80/77, BStBl. I 1981, S. 471).

Die Haftung erstreckt sich weder auf Säumniszuschläge noch auf sonstige steuerliche Nebenleistungen (siehe Meincke/Hannes/Holtz, § 20 Rn. 31 m. w. N.).

2. Nichtaufgriffsgrenze des § 20 Abs. 7 ErbStG

Nach § 20 Abs. 7 ErbStG darf die Finanzbehörde die grundsätzlich bestehende Haftung nicht geltend machen, wenn der in einem Steuerfall in ein Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes gezahlte oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes wohnhaften Berechtigten zur Verfügung gestellte Betrag 600 Euro nicht übersteigt.

Damit können Versicherungsunternehmen in diesem Umfang Zahlungen in das Ausland oder an ausländische Berechtigte vornehmen, ohne eine Haftungsinanspruchnahme befürchten zu müssen.

Merke | Es ist zu beachten, dass es sich bei dem Betrag um eine Freigrenze und nicht um einen Freibetrag handelt (siehe Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 18. Aufl. 2021, § 20 Rn. 34).

Beispiel

Nach dem Tod von Erblasser X ist einer der Erben („Erwerber“ i. S. des Gesetzes)der in Spanien lebende E. E hat in Deutschland weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Das Versicherungsunternehmen V zahlt ihm 601 EUR aus.

Lösung: Das Versicherungsunternehmen haftet gem. § 20 Abs. 7 ErbStG in voller Höhe und nicht nur in Höhe des ausgezahlten Betrags.

Beachten Sie | Hierbei ist Steuerfall i. S. d. § 20 Abs. 7 ErbStG nicht der „Erbfall” in seiner Gesamtheit und damit bei mehreren Beteiligten nicht die Gesamtzahl der Erwerbe, sondern der Vermögensanfall beim einzelnen Erwerber.

Beispiel

Nach dem Tod des Erblasser E sind zwei Berechtigte vorhanden. Das Versicherungsunternehmen zahlt an diese jeweils eine Versicherungssumme von 600 EUR aus.

Lösung: Die Haftung ist nicht geltend zu machen.

Zur Vermeidung der Haftung werden bei den für Erbschaftsteuer zuständigen Finanzämtern vor den hier gegenständlichen Auszahlungen Anträge auf Erteilung einer sogenannten Unbedenklichkeitsbescheinigung gestellt.

Die Unbedenklichkeitsbescheinigung kann wiederum nur dann direkt an das Versicherungsunternehmen übersandt werden, wenn der im Ausland ansässige Erwerber zuvor schriftlich erklärt, dass er der Offenbarung seiner geschützten Daten durch das Finanzamt zustimmt. Andernfalls kann die Offenlegung ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung oder die Verletzung des Steuergeheimnisses sein.

Diese notwendigen Verfahrensschritte führen sowohl bei den Erbschaftsteuerfinanzämtern als auch den betroffenen Versicherungsunternehmen und den Erwerberinnen und Erwerbern zu einem erheblichen Arbeitsaufwand.

3. Änderung durch das Wachstumschancengesetz

Durch das Wachstumschancengesetz, das am 22.3.24 vom Bundesrat verabschiedet wurde, ist die Nichtaufgriffsgrenze von 600 EUR auf 5.000 EUR erhöht worden. Die Anhebung dient dazu, sowohl den Arbeitsaufwand bei den Finanzämtern als auch die Bürokratie für den Steuerpflichtigen sowie für die Versicherungsunternehmen zu verringern.

Darüber hinaus erlangt der ausländische Berechtigte nun schneller Zugriff auf sein erworbenes Vermögen, da er nicht die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung durch die Finanzämter abwarten muss.

AUSGABE: VK 6/2024, S. 100 · ID: 50005833

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