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BerufsunfähigkeitszusatzversicherungKulanz oder Anerkenntnis? Wann muss sich der VR an seine Zusage binden lassen?

Abo-Inhalt02.01.2024119 Min. Lesedauer

| Der VR erklärt, für einen bestimmten Zeitraum Leistungen erbringen zu wollen. Der VN sieht darin ein Anerkenntnis. Der VR spricht später von einer Kulanzleistung, die keine Bindungswirkung für weitere Ansprüche hat. In solchen Fällen stellt sich die Frage, wann von einem Anerkenntnis und wann von einer Kulanzleistung auszugehen ist. Der Beitrag beantwortet die Frage anhand einer Entscheidung des OLG Dresden. |

1. Die Erklärung des VR muss ausgelegt werden

Das OLG Dresden betont den Grundsatz, dass durch Auslegung zu ermitteln ist, ob der VR ein Anerkenntnis abgegeben hat (22.8.23, 4 U 943/20, Abruf-Nr. 238134). Da für den VN die Berufsunfähigkeitsleistungen eine Lohnersatzleistung darstellen, sind sie für ihn von großer Bedeutung. Er ist daher besonders schutzwürdig (Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 173 Rn. 1 mit Nachweis auf die Gesetzesbegründung). Hieraus folgt, dass der VR im Interesse des VN einem Vertragspartner die ihm obliegende Entscheidung mit der erforderlichen Klarheit mitteilen muss.

Merke | Weil eine Kulanzentscheidung in der Sache die Ablehnung von Versicherungsleistungen bedeutet, muss dies hinreichend deutlich werden.

Von einer Kulanzentscheidung kann vor diesem Hintergrund nur ausgegangen werden, wenn

  • die Sachlage unklar und als noch nicht ausermittelt dargestellt wird und
  • der VR dies und auch die Kulanz ausdrücklich zum Ausdruck bringt.

Macht der VR dies nicht hinreichend deutlich, handelt es sich um ein Anerkenntnis (so auch OLG Saarbrücken 10.1.01, 5 U 737/00, VersR 02, 877).

Beispiel

Das streitgegenständliche Schreiben enthält die Formulierung: „... Alle erforderlichen Unterlagen liegen jetzt vor. Diese belegen, dass Sie nach den Vertragsbedingungen berufungsunfähig waren.“

Bereits diese Formulierung kann vom Standpunkt eines durchschnittlichen VN aus gesehen nicht anders verstanden werden als eine bindende Entscheidung in Form eines Anerkenntnisses. Im Ergebnis ist damit von einem Anerkenntnis auszugehen.

2. Anerkenntnis darf nicht rückwirkend befristet sein

Grundsätzlich ist ein Anerkenntnis bindend. Eine Ausnahme kann gelten, wenn der VR das Anerkenntnis wirksam rückwirkend befristet hat. Eine solche Befristungsmöglichkeit ergibt sich i. d. R. aus den vereinbarten Bedingungen.

Beispiel (§ 7 Abs. 2 BUZVB im Fall des OLG Dresden)

„Bis auf die nachstehenden Ausnahmefälle werden wir keine zeitliche Befristung unserer Leistungspflicht aussprechen. Wir können unsere Leistungspflicht einmalig – längstens jedoch für einen Zeitraum von zwölf Monaten – befristen, wenn

  • sich Umstände, die für die Beurteilung der Frage, ob Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen besteht, voraussichtlich ändern werden,
  • die medizinischen und beruflichen Gegebenheiten im Zeitpunkt unserer Leistungsentscheidung noch nicht endgültig beurteilt werden können,
  • die versicherte Person eine Rehabilitations-, Umschulungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme absolviert oder eine solche Maßnahme vorgesehen oder beabsichtigt ist.“

a) VR hat sich hier freiwillig beschränkt

Der VR hat hier also eine zeitliche Befristung der Leistungspflicht ausdrücklich auf die im Einzelnen bezeichneten drei Ausnahmefälle beschränkt. Damit hat sich der VR freiwillig der Möglichkeit begeben, rückwirkend befristete Anerkenntnisse auszusprechen, wenn nicht eine der genannten Voraussetzungen vorliegen.

Das OLG Dresden musste daher nicht mehr prüfen,

  • ob ein solches Anerkenntnis auch deswegen unwirksam gewesen wäre, weil rückwirkend befristete Anerkenntnisse für den Fall, dass die Berufsunfähigkeit nach Antragstellung weggefallen ist, nach neuerer Rechtsprechung unwirksam sind (BGH 31.8.22, IV ZR 223/21, Abruf-Nr. 231346).
  • ob eine solche Unwirksamkeit auch den Fall erfasst, dass der Leistungsantrag erst nach Wegfall der Berufsunfähigkeit gestellt wird (vgl. hierzu Neuhaus, VersR 23, 73 (74)).

b) Es lag keine der drei Ausnahmen vor

Von den drei in den Versicherungsbedingungen genannten vom VR selbst so bezeichneten „Ausnahmefällen“ lag hier keiner vor. Insbesondere ist die dritte Ausnahme dahingehend zu verstehen, dass sich die versicherte Person zum Zeitpunkt der Leistungsablehnung noch in einer Rehabilitations-, Umschulungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme befinden muss. Zwar hat die VN zum Zeitpunkt der Leistungs- und Befristungsmitteilung eine Weiterbildung absolviert, welche sie selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem LG als „Wiedereingliederungsmaßnahme“ bezeichnet hat. Dennoch fällt die vorliegende Befristung nach verständiger Würdigung nicht unter diesen Ausnahmefall, wie eine Auslegung ergibt.

Auslegungsregeln

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den VN erkennbar sind. Das ist ständige BGH-Rechtsprechung.

Ausgehend von diesen Auslegungsgrundsätzen kann die Klausel nicht anders verstanden werden, als dass die Befristung einen Zeitraum umfassen muss, für den Rehabilitations-, Umschulungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahmen absolviert oder konkret vorgesehen oder beabsichtigt sind.

Praxistipp | Unerheblich ist auch, wenn die VN anschließend zwar noch als arbeitsunfähig, aber mit der Einschätzung entlassen wird, es bestünden „keine quantitativen Einschränkungen hinsichtlich des Leistungsvermögens bezogen auf die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt“. Dann ist nämlich eine weitere Rehabilitations-, Umschulungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme im Sinne des dritten Ausnahmetatbestandes nach § 7 Abs. 2 der BUZVB auch nicht weiter „vorgesehen oder beabsichtigt“.

  • Hierfür spricht zunächst die Verwendung des Präsens, die sich sinnvollerweise nur auf den Zeitpunkt der Befristung, nicht aber auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Befristung bezieht, sondern auch der ausdrücklich so bezeichnete Ausnahmecharakter einer Befristung.
  • Die Gesamtschau und Würdigung aller drei aufgezählten Ausnahmetatbestände lassen für den um Verständnis bemühten VN keinen anderen Schluss zu, als dass eine Befristung dann und auch nur dann erfolgt, wenn die Lage noch unklar ist, und der VR noch nicht absehen kann, ob durch die laufende Maßnahme oder aufgrund noch offener Umstände die Einstandspflicht demnächst fortbestehen oder wegfallen wird und andererseits der VR den VN nicht in einem für diesen nicht mehr tragbaren Zeitumfang versorgungslos stellen will. Danach kommt es darauf an, ob zum Zeitpunkt des Endes der Befristung einer der Ausnahmetatbestände vorlag. Dies war hier nicht der Fall, da die Rehabilitationsmaßnahme der VN zu diesem Zeitpunkt bereits beendet war.

Es lag also keine der in der Klausel genannten Ausnahmen vor. Selbst wenn ein Befristungsgrund vorgelegen hätte, hatte der VR den nach den BUZVB maßgeblichen Grund für die Befristung angeben müssen. Dies ist hier nicht erfolgt.

AUSGABE: VK 1/2024, S. 12 · ID: 49770366

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