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VersicherungsrechtAktuelles aus dem Versicherungsrecht von A bis Z
| Jeden Monat entscheiden deutsche Gerichte Hunderte von Streitigkeiten zwischen VN und VR. Hier finden Sie die Quintessenz der wichtigsten Urteile und Beschlüsse von A bis Z – sortiert nach Personen- und Sachversicherung. |
Übersicht / Aktuelle Entscheidungen zur Personenversicherung |
Berufsunfähigkeitsversicherung |
Leistungsfreiheit bei Verletzung der Anzeige- und Mitwirkungsobliegenheit Ist die Vereinbarung einer Sanktion im Falle der Verletzung der Anzeige- oder der Mitwirkungsobliegenheit in AVB (etwa mangels Differenzierung nach dem Verschuldensgrad) unwirksam, so richten sich die Rechtsfolgen einer entsprechenden Obliegenheitsverletzung nach § 28 Abs. 2 VVG (OLG Karlsruhe 5.7.23, 12 U 1/22, Abruf-Nr. 237651). |
Keine Verweisung auf neue Tätigkeit bei fehlender Vergleichbarkeit der sozialen Wertschätzung Die Fortsetzung der früheren Tätigkeit als Vorarbeiter in Wechselschicht kann sich als für den VN unzumutbar erweisen, wenn dieser zuvor bereits einen Herzinfarkt erlitten hatte und sich dadurch das Risiko, dass es zu einer erneuten Erkrankung bzw. zu einem Fortschreiten der Erkrankung kommt, nach sachverständigen Feststellungen „potenziert“. Der im Nachprüfungsverfahren vom VR zu führende Nachweis der Gleichwertigkeit der Verweisungstätigkeit auch hinsichtlich ihrer sozialen Wertschätzung ist nicht geführt, wenn diese im Gegensatz zur bisherigen Tätigkeit als Vorarbeiter in Wechselschicht nicht mit Führungsaufgaben – z. B. Einweisen von Fachkräften, Überwachung deren Arbeiten, Durchführung der Qualitätskontrolle – verbunden ist, sondern sich auf die reine Erfassung, Prüfung und Weitergabe von Aufträgen beschränkt. (OLG Saarbrücken 5.4.23, 5 U 43/22, Abruf-Nr. 237607). |
Gericht kann Überzeugung von der Ausgestaltung des früheren Berufs auch auf Angaben des Versicherten stützen Das Gericht kann seine Überzeugung von der Ausgestaltung des – vom Berufsunfähigkeitsversicherer (zulässigerweise, § 138 Abs. 4 ZPO) mit Nichtwissen bestrittenen – früheren Berufs im Einzelfall auch auf die persönlichen Angaben des Versicherten stützen (OLG Saarbrücken 5.4.23, 5 U 43/22, Abruf-Nr. 237607). |
VR muss erläutern, warum er den VN auf einen anderen Beruf verweisen kann Die den VN auf eine andere, konkret ausgeübte Tätigkeit verweisende Einstellungsmitteilung bedarf, um nachvollziehbar zu sein, zwar keiner näheren Angaben zu dieser anderen, ihm bekannten Tätigkeit; der VR muss darin aber erläutern, weshalb er meint, den VN auf diesen anderen Beruf verweisen zu können. Dazu gehört auch, dass er die nach seiner Meinung vergleichbare Wertschätzung wenigstens ansatzweise begründet (OLG Saarbrücken 5.4.23, 5 U 43/22, Abruf-Nr. 237607). |
Haftpflichtversicherung |
Möglichkeit des Verbrauchers zur Kenntnisnahme von AVB beim Beitritt zu Restschuld-Gruppenversicherungen Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.93 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind im Licht des 20. Erwägungsgrundes dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass ein Verbraucher stets die Möglichkeit haben muss, vor Abschluss eines Vertrags von allen darin enthaltenen Klauseln Kenntnis zu nehmen. Art. 3 Abs. 1 und die Art. 4 bis 6 der Richtlinie 93/13 sind dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht, wenn es eine den Ausschluss oder die Beschränkung des Versicherungsschutzes betreffende Klausel eines Versicherungsvertrags, von der der betreffende Verbraucher vor Abschluss dieses Vertrags nicht Kenntnis nehmen konnte, als missbräuchlich einstuft, diese Klausel für unanwendbar erklären muss, damit sie den Verbraucher nicht bindet (EuGH 20.4.23, C-263/22, Abruf-Nr. 237612. |
Krankenversicherung |
Wirksame Klausel: Anpassung von Versicherungsprämien Eine Klausel in den AGB eines Kranken-VR, die diesem bei einer Abweichung von fünf bis zehn Prozent zwischen den kalkulierten und den erforderlichen Versicherungsleistungen ein in sein Ermessen gestelltes Anpassungsrecht einräumt, benachteiligt den VN nicht unangemessen. So entschied es das OLG Dresden (28.3.23, 4 U 2424/22, Abruf-Nr. 236971) im Hinblick auf die Anpassung einer Versicherungsprämie. Es hält damit an seiner bisherigen Rechtsprechung fest (13.3.23, 4 U 2605/22, Abruf-Nr. 235108). |
Wechsel in einen Krankenversicherungstarif mit geringerem Selbstbehalt Mehrleistung i. S. v. § 204 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 VVG ist auch ein geringerer Selbstbehalt im Zieltarif gegenüber dem Herkunftstarif; insoweit kann zwischen VR und VN wirksam ein Ausschluss vereinbart werden (AG Düsseldorf 15.2.23, 18 C 682/20, Abruf-Nr. 237645). |
Heilbehandlung in sog. „gemischter Krankenanstalt“ Über die Erteilung einer Leistungszusage für Heilbehandlungen in sog. „gemischter Krankenanstalt“ hat der VR nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden. Dabei ist die Entscheidung nur dahingehend überprüfbar, ob ein Ermessensfehlgebrauch oder eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt (OLG München, Hinweisbeschluss vom 23.11.22, 25 U 6359/22, Abruf-Nr. 237650). |
Lebensversicherung |
Anwendbarkeit des § 9 Abs. 1 VVG auf einen Lebensversicherungsvertrag mit Einmalprämie Ein Lebensversicherungsvertrag mit Einmalprämie ist nicht vom Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 VVG ausgenommen. Falls dessen Voraussetzungen im Übrigen vorliegen, richtet sich die Rückabwicklung des Versicherungsvertrags nach dieser Vorschrift i. V. m. § 152 Abs. 2 VVG i. V. m. § 152 Abs. 2 VVG (BGH 28.6.23, IV ZR 52122, Abruf-Nr. 237611). |
Eine posttraumatische Belastungsstörung bei Rettungssanitätern kann als „Wie-Berufskrankheit“ anerkannt werden, auch wenn die posttraumatische Belastungsstörung nicht zu den in der Berufskrankheiten-Verordnung aufgezählten Berufskrankheiten gehört. Diese wegweisende Entscheidung hat das BSG gefällt (BSG 22.6.23, B 2 U 11/20 R, Abruf-Nr. 237025). |
Verarbeitet ein Land- und Forstwirt eigenes Holz, das zum Verkauf bestimmt ist, ist diese Tätigkeit auch dann in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung versichert, wenn er daneben eine – nicht versicherte – gewerbliche Brennholzaufbereitung betreibt, in der er fremdes, zugekauftes Holz in gleicher Weise bearbeitet wie eigenes. Dies entschied das LSG Baden-Württemberg im Streit um Hinterbliebenenleistungen und verurteilte die landwirtschaftliche Unfallversicherung zur Zahlung der Witwenrente (LSG Baden-Württemberg 25.9.23, L 1 U 954/23, Abruf-Nr. 237913). |
Übersicht / Aktuelle Entscheidungen zur Sachversicherung |
Kfz-Kaskoversicherung |
Doppelberechnung ist für technischen Laien nicht erkennbar Behauptet der VR, in der Werkstattrechnung gebe es eine Doppelberechnung, ist das schadenrechtlich ohne Bedeutung. Denn das ist für den Geschädigten vom Werkstattrisiko als Ausprägungsform des subjektbezogenen Schadenbegriffs umfasst. Anders wäre es nur, wenn diese Doppelberechnung für den Geschädigten offensichtlich, also laienerkennbar wäre. Der VR kann sich aber nicht mit Erfolg auf eine solche Laienerkennbarkeit berufen, wenn er selbst für die Überprüfung der Reparaturrechnung einen externen Dienstleister eingeschaltet hat, so das AG Coburg. Vor dem Hintergrund muss der VR nun die monierten Reparaturkosten-Positionen erstatten (AG Coburg, 20.9.23, 20 C 1793/23, Abruf-Nr. 237485, eingesandt von RA Frank Rupprecht, Bielefeld). |
Keine leasingvertragliche Haftungsfreistellung bei Herbeiführung des Schadens infolge Alkoholgenusses Eine an § 81 VVG angelehnte leasingvertragliche Haftungsfreistellung des Leasingnehmers für unfallbedingte Schäden an dem geleasten Pkw (hier: BB-Kaskoschutz) gilt dann nicht, wenn dieser den Schaden infolge des Genusses alkoholischer Getränke herbeigeführt hat (OLG Saarbrücken 19.1.23, 4 U 140/021, Abruf-Nr. 237610). |
- Wer nach diesem ersten Überblick tiefer einsteigen möchte, findet alle Urteile im Volltext auf iww.de/vk. Geben Sie dazu in den Suchschlitz (oben rechts auf der Website) die genannte sechsstellige Abruf-Nr. ein.
AUSGABE: VK 1/2024, S. 17 · ID: 49835314