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WohngebäudeversicherungDas gilt zur Erstattung einer merkantilen Wertminderung bei Gebäuden

Abo-Inhalt04.01.2024203 Min. LesedauerVon RiOLG a. D. und RA Dr. Dirk Halbach, Bonn

| Die Regelung in den Bedingungen einer Wohngebäudeversicherung, dass bei beschädigten Sachen die notwendigen Reparaturkosten zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls zuzüglich einer Wertminderung, die durch Reparatur nicht auszugleichen ist, ersetzt werden, ist mehrdeutig. Sie erfasst nicht nur den technischen, sondern auch den merkantilen Minderwert. So entschied es das OLG Stuttgart. |

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Schadensregulierung nach einem Wohnungsbrand. Der Kläger hat das Sondereigentum an einer Eigentumswohnung inne. Für das Gebäude besteht eine Wohngebäudeversicherung. VN ist die WEG. Für den Versicherungsvertrag gelten die AVB für die Wohngebäudeversicherung - Juli 2008. Unter § 26 Ziff. 1.2 AVB ist geregelt:

§ 26 Ziff. 1.2. AVB

Ersetzt werden

(...)

bei beschädigten Sachen die notwendigen Reparaturkosten zurzeit des Eintritts des Versicherungsfalls zuzüglich einer Wertminderung, die durch Reparatur nicht auszugleichen ist, höchstens jedoch der Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalls;

(...)“

Gemäß § 30 Ziff. 6 ... i. V. m. Ziff. 4.5 der Anlage 1 zur verbundenen Wohnbauversicherung ersetzt der VR 80 % der durch den VN zu tragenden Kosten des Sachverständigenverfahrens, wenn der entschädigungspflichtige Schaden den Betrag i. H. v. 25.000 EUR übersteigt …

Im Jahre 2016 kam es in der Wohnung zu einem Brandfall. Dabei wurde die komplette Erdgeschosswohnung beschädigt. Der Granitfußboden musste herausgenommen und der Wand- und Deckenaufbau teilweise abgetragen werden. Die Kücheneinrichtung, Badezimmereinrichtung, sowie die einzelnen Zimmer bzw. die dort fest verbundenen Teile wurden zerstört bzw. beschädigt, bis hin zu den Führungen für die Elektroleitungen und den Rollladenkästen. Die Wohnung wurde ca. 4 Jahre lang saniert. In dieser Zeit wurde sie nicht bewohnt. Der VR bezahlte einen Gesamtschadenbetrag von 116.700,00 EUR. Ausdrücklich ausgenommen waren dabei der Ersatz eines merkantilen Minderwerts sowie weitere angefallenen Kosten.

Das LG gab der Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme i. H. v. 30.000 EUR nebst Zinsen statt. Es hat in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt, der aktivlegitimierte Kläger habe einen Anspruch auf Ersatz des merkantilen Minderwerts seiner Wohnung.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des VR hatte vor dem OLG Stuttgart keinen Erfolg (27.4.23, 7 U 295/22, Abruf- Nr. 238810). Der Kläger als Mitglied der WEG hat gegen den VR einen Anspruch auf Ersatz des an seiner Eigentumswohnung durch das Brandereignis eingetretenen merkantilen Minderwerts dem Grunde nach. Der Versicherungsfall ist mit dem streitgegenständlichen Brandereignis in der Eigentumswohnung eingetreten.

Eine Vereinbarung, wonach bei Teilschäden, wie dem vorliegenden, ein merkantiler Minderwert zu ersetzen ist, kann sich vorliegend aus § 26 Ziff. 1.2. AVB ergeben.

  • Der merkantile Minderwert ist von der Regelung des § 26 Ziff. 1.2 und damit vom Versicherungsschutz umfasst. Diese Regelung ist bei ihrer Auslegung, ob ein merkantiler Minderwert davon umfasst wird, mehrdeutig. Daher gehen gemäß § 305c Abs. 2 BGB Zweifel zulasten des Verwenders – vorliegend des VR.
  • Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH sind AVB so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher VN bei verständiger Würdigung verstehen muss. Hiervon ausgehend, erweist sich die genannte Regelung als mehrdeutig. Für einen durchschnittlichen VN kann eine Wertminderung, die durch Reparatur nicht auszugleichen ist, nicht nur eine technische, sondern auch eine merkantile Wertminderung sein.
    • Für diese Auslegung spricht zum einen der Wortlaut des § 26 Ziff. 1.2. Dieser differenziert nicht zwischen einer technischen und einer merkantilen Wertminderung. Zum anderen stützen auch die Definitionen des technischen und des merkantilen Minderwerts diese Auslegung. Einen merkantilen Minderwert kann es auch bei Gebäuden geben. Er liegt vor, wenn nach der Reparatur der Verdacht verborgener Mängel verbleibt und deshalb der Verkehrswert geringer als derjenige einer nicht beschädigten Sache ist. Ein technischer Minderwert bezeichnet dagegen den Schaden, der trotz fachgerechter Reparatur an einer Sache bestehen bleibt und die Gebrauchsfähigkeit einer Sache beeinträchtigt. Beide Begriffe setzen somit eine Reparatur der beschädigten Sache voraus, welche aber – aus den unterschiedlichen Gründen – nicht ausreichend war.
    • Dagegen wird argumentiert, dass im Bereich der Neuwertversicherung ausschließlich an eine technische Wertminderung gedacht sei, denn die Neuwertversicherung gelte für Sachen, die nicht zum Verkauf bestimmt seien. Dagegen beziehe sich der merkantile Minderwert auf den Verkaufswert, der aber gerade nicht Versicherungswert sei. Daran ist zutreffend, dass (auch) vorliegend die notwendigen Reparaturkosten nach § 26 Abs. 1 Nr. 1.2 auf den Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalls begrenzt sind und Versicherungswert nach den §§ 9, 10 der ortsübliche Neubauwert (und nicht der Verkaufswert) ist.
    • Allerdings erschließen sich diese versicherungsrechtlichen Erwägungen in ihrer Gesamtheit und hinsichtlich ihrer Folgen für den verständigen VN nicht (unmittelbar) aus dem Wortlaut des § 26 Ziff. 1.2. Sie haben deshalb bei der vorzunehmenden Auslegung ebenso außer Betracht zu bleiben wie entsprechende eventuelle Vorstellungen des VR als Verfasser der AVB. Dies gilt in gleicher Weise für die von dem VR vorliegend angestellten allgemeinen versicherungsrechtlichen Überlegungen, wonach bei einer Neuwertversicherung als reine Sachversicherung ein merkantiler Minderwert als bloßer Vermögensschaden von vornherein nicht ersetzt werde, abgesehen davon, dass nach der Rechtsprechung des BGH ein merkantiler Minderwert kein Vermögensschaden, sondern Teil des Sachschadens ist. Mithin wird vorliegend auch der den Gegenstand des Berufungsverfahrens bildende merkantile Minderwert von der Regelung in § 26 Ziff. 1.2. erfasst.

Der an der Eigentumswohnung infolge des Brandereignisses eingetretene merkantile Minderwert beträgt – wovon das LG in seinem angefochtenen Urteil auch zutreffend ausgeht – 30.000 EUR. Mit ihren Einwendungen zur Höhe des merkantilen Minderwerts vermag die Berufung nicht durchzudringen. Die Höhe des merkantilen Minderwerts in Höhe von gerundet 30.000 EUR wurde in dem Gutachten des Sachverständigen nachvollziehbar und überzeugend ermittelt. Die diesbezügliche Beweiswürdigung des LG auf der Grundlage des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens ist nicht zu beanstanden und für den Senat grundsätzlich gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend.

Eine ergänzende Anhörung des Sachverständigen war nicht veranlasst. Durch den VR wurde eingewandt, dass in den vom Schaden betroffenen Räumen in keiner Weise irgendwelche Reste von Rauchgasen, Spuren, Gerüchen etc. mehr vorhanden seien. Dieser Einwand greift im Hinblick auf die Höhe des merkantilen Minderwerts nicht durch. Denn der Sachverständige führt in diesem Zusammenhang aus, dass im Hinblick auf die in den Rauchgasen enthaltenen gesundheitsschädlichen Substanzen davon auszugehen sei, dass das Unbehagen hinsichtlich eines Kaufs eher groß sein dürfte und insofern am Markt eher die Herausbildung eines hohen Prozentsatzes zu erwarten wäre. Mithin ist der Sachverständige gerade nicht davon ausgegangen und hat dies seinen gutachterlichen Ausführungen auch nicht zugrunde gelegt, dass entsprechende Reste von Rauchgasen tatsächlich noch vorhanden sind. Daher ist eine ergänzende Beweisaufnahme nicht erforderlich. Vielmehr folgert der Sachverständige aus den vormals in der Wohnung vorhandenen Rauchgasen ein „großes Unbehagen“ etwaiger Käufer. Aus diesem „Unbehagen“ leitet sich der merkantile Minderwert auch ursprünglich ab. Denn es handelt sich hierbei um einen gefühlten Schaden, der von Kaufinteressenten so empfunden wird, was eine Wertreduzierung zur Folge hat.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige in seinem Gutachten von einem umfangreichen Brandereignis ausgegangen ist. Denn unstreitig wurde die gesamte Eigentumswohnung durch das Brandereignis in Mitleidenschaft gezogen. Das ist auch durch die vorgelegten Lichtbilder dokumentiert. Weiter hat das Brandereignis nicht unerhebliche Schäden verursacht, deren Beseitigung eine längere Zeit in Anspruch nahm, während der die Räumlichkeiten nicht bewohnbar waren. Dies alles belegt eindrücklich ein umfangreiches Brandereignis.

Unabhängig davon zeigt der VR auch nicht auf, weshalb der Verkehrswert, den der Sachverständige aus dem Ertragswert abgeleitet und dies begründet hat, unzutreffend sein soll. Durch die Zahlung, bezüglich derer der VR eine Überzahlung geltend macht und eine Anrechnung auf den merkantilen Minderwert anstrebt, wurde die geltend gemachte Schadensposition „merkantiler Minderwert“ nicht erfüllt bzw. ausgeglichen. Ausweislich der geführten Korrespondenz und dem damit korrespondierenden eigenen Vortrag des VR in der Berufungsbegründung wurde eine Wertminderung bei der Zahlung ausdrücklich ausgenommen. Über die vom VR unter Ausklammerung der Sachverständigenkosten und des merkantilen Minderwerts zu zahlende Entschädigung hatten sich die Parteien im Vergleichswege verständigt. Eine (anzurechnende) Überzahlung ergibt sich daraus nicht.

Relevanz für die Praxis

Zutreffend nimmt das OLG an, dass die Regelung in den hier maßgebenden AVB in Hinblick auf die Wertminderung mangels Differenzierung mehrdeutig ist. Eine entsprechende Formulierung findet sich z. B. in A 18.1.1.1, A 18.1.1.2 VGB 2016. Die Entscheidung nimmt Bezug auf die Urteile des BGH VersR 78, 328 und bereits VersR 58, 161. Danach ist eine merkantile Wertminderung anzunehmen, wenn trotz einwandfreier Reparatur allein aufgrund des Schadens der Verkaufswert im Geschäftsverkehr dadurch geringer ist, dass der VN bei einem Verkauf unter Umständen verpflichtet ist, auf die Reparatur hinzuweisen. Dies gilt auch bei Gebäuden (BGH VersR 86, 159; zur Kaskoversicherung BGH VersR 82, 283). Auch in der Literatur wird bei vergleichbarer Regelung Mehrdeutigkeit angenommen (z. B. Hoenicke in Martin u. a., Sachversicherung, 4. Aufl. § 22 Rn. 94 (anders noch Vorauflage); wohl auch Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, Vor § 74 Rn. 93). Zu Recht weist das Gericht darauf hin, dass das Urteil des OLG Düsseldorf (VersR 94, 670) eine nicht vergleichbare Klausel betrifft. Es kommt also entscheidend auf den Inhalt der Klauseln an.

Weiterführende Hinweise

Zum Problemkreis der zumutbaren Abweichungen bei Reparaturen, insbesondere bei optischen Beeinträchtigungen, wobei es auf den genauen Inhalt der AVB ankommt:

  • Verbleibt nach einer notwendigen Reparatur ein unerheblicher Schönheitsschaden, besteht gegenüber dem HausratVR kein Anspruch auf Ersatz (OLG Hamm VK 16, 59).
  • Reparatur von Badfliesen (OLG Düsseldorf VersR 07, 943; OLG Saarbrücken VersR 11, 489).
  • Veränderungen im optischen Erscheinungsbild OLG München (VersR 11, 1138).

AUSGABE: VK 1/2024, S. 5 · ID: 49850635

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