Umsatzsteuer
Verein für Verkehrserziehung: Training kann steuerfrei sein
Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe März 2023 abgeschlossen.
ZweckbetriebeBFH: Wann eine Beschäftigungsgesellschaft als allgemeiner Zweckbetrieb gilt
| Beschäftigungsgesellschaften sind nur im Sonderfall ein Katalogzweckbetrieb. Sie können aber als allgemeiner Zweckbetrieb nach § 65 AO begünstigt sein. Der BFH hat jetzt die Voraussetzungen dafür benannt. |
Was ist eine Beschäftigungsgesellschaft?
Beschäftigungsgesellschaften sind Einrichtungen, die – meist mit Fördermitteln – arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen und Umschulungen in den Arbeitsmarkt reintegrieren. Im Rahmen von Arbeitsbeschaffungs- und Qualifizierungsmaßnahmen werden dabei häufig Waren hergestellt und vertrieben oder Leistungen an Dritte erbracht.
Grundsätzlich können Beschäftigungsgesellschaften Zweckbetriebe sein. Als Sonderregelung (sog. Katalogzweckbetrieb) gibt es hier die Vorschrift des § 68 Nr. 3c AO. Für solche Inklusionsbetriebe (früher Integrationsprojekte) gelten aber besondere Anforderungen. Daneben kommt ein allgemeiner Zweckbetrieb nach § 65 AO in Frage.
Inklusionsbetrieb als besonderer Zweckbetrieb
Eine Beschäftigungsgesellschaft kann als Inklusionsbetrieb nach der Definition des § 215 SGB IX behandelt werden. Danach müssen zu mindestens 30 Prozent schwerbehinderte Menschen beschäftigt werden, deren Teilhabe an einer sonstigen Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund von Art oder Schwere der Behinderung oder wegen sonstiger Umstände auf besondere Schwierigkeiten stößt. Die Zweckbetriebsregelung des § 68 Nr. 3c AO erhöht diese Quote auf 40 Prozent.
Der Vorteil dieser Regelung ist, dass für die Annahme eines Zweckbetriebs nur die Nähe zum Satzungszweck erfüllt sein muss. Auf die weiteren Kriterien des § 65 AO für einen allgemeinen Zweckbetrieb (Zwecknotwendigkeit und Konkurrenzverbot) kommt es nicht an.
Beschäftigungsgesellschaft als Zweckbetrieb nach § 65 AO
Beschäftigungsgesellschaften können nach der allgemeinen Zweckbetriebsregelung (§ 65 AO) begünstigt sein. Hier muss der Bezug zu den Satzungszwecken gegeben und es müssen die Kriterien „Zwecknotwendigkeit“ und „Konkurrenzverbot“ erfüllt sein.
Das Kriterium Zwecknotwendigkeit
Die Anforderung ist hier nach § 65 Nr. 2 AO, dass die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können. Voraussetzung dafür ist nach Auffassung des BFH, dass die von der Beschäftigungsgesellschaft erbrachten Leistungen das ausschließliche Ergebnis der Arbeitstherapie und somit notwendige Folge der Erfüllung des gemeinnützigen Zwecks sind. Das schließt nicht aus, dass die Beschäftigungsgesellschaft auch nicht förderungsbedürftige Mitarbeiter einsetzt, solange deren Einsatz zum Erreichen des steuerbegünstigten Zwecks unbedingt notwendig ist. Das ist der Fall, wenn diese Mitarbeiter vor allem für die Ausbildung, Anleitung oder Beaufsichtigung der förderungsbedürftigen Mitarbeiter eingesetzt werden (BFH, Urteil vom 18.08.2022, Az. V R 49/19, Abruf-Nr. 233430).
Die Einrichtung darf dabei Lohnaufträge nur ausführen, um Klienten mit sinnvoller Arbeit zu beschäftigen und dadurch den steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zweck verwirklichen zu können: die (Wieder-)Eingliederung von schwer vermittelbaren Arbeitslosen in den normalen Arbeitsprozess.
Erst die Lohnaufträge ermöglichen es dabei, Klienten mit Arbeiten zu beschäftigen, die für sie und ihre künftigen Arbeitgeber klar erkennbar wirtschaftlich sinnvoll und damit praxisrelevant waren, was eine Grundvoraussetzung für eine Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den normalen Arbeitsprozess ist. Deswegen ist eine Konkurrenz zu nicht begünstigten Betrieben der gleichen Branche nicht grundsätzlich schädlich. Sie ergibt sich im Gegenteil zwingend daraus, dass die Beschäftigung unter den gleichen Bedingungen erfolgen muss wie in der gewerblichen Wirtschaft.
Das Kriterium Konkurrenzverbot
§ 65 Nr. 2 AO verlangt von einem allgemeinen Zweckbetrieb, dass er zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist. Es muss dabei – so der BFH – ein hinreichender sachlicher Grund für eine steuerrechtliche Begünstigung bestehen. Ein unvermeidbarer Wettbewerb liegt nicht mehr vor, wenn die Marktteilnahme den für die Integrationsarbeit notwendigen Umfang überschreitet.
Ein Zweckbetrieb liegt vor, wenn Aufträge übernommen werden müssen, um den Klienten eine sinnvolle Arbeitstherapie anzubieten, da diese ohne die Lohnaufträge nicht in einen normalen Arbeitsprozess eingegliedert werden können. Diese gegenüber den Auftraggebern erbrachten Leistungen müssen aber das ausschließliche Ergebnis der Arbeitstherapie und somit notwendige Folge der Erfüllung des gemeinnützigen Zwecks sein. Werden nur Klienten mit den Arbeiten für die Lohnauftraggeber beschäftigt, sind die Leistungen an die Auftraggeber ausschließlich Ergebnis der Arbeitstherapie und somit notwendige Folge der Erfüllung des verfolgten gemeinnützigen Zwecks.
Keine konkreten Beschränkungen beim Umfang des Betriebs
Weitere Beschränkungen für den Umfang des Betriebs macht der BFH nicht. Insbesondere verlangt er keine „Zurückhaltung am Markt“, wie es z. B. das FG Schleswig-Holstein (Urteil vom 27.02.2002, Az. II 374/98, Abruf-Nr. 233856) getan hat. Ebenso wenig, dass der erzielte Umsatz in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der betroffenen Beschäftigten stehen muss. Auch eine dauerhafte Gewinnerzielung hält der BFH für unschädlich. Die Zweckbetriebseigenschaft wäre erst gefährdet, wenn die Erfüllung der steuerbegünstigten Satzungszwecke gegenüber der Absicht zur Erzielung von finanziellen Überschüssen in den Hintergrund tritt.
AUSGABE: VB 3/2023, S. 6 · ID: 49205545