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KindergeldPflegeeltern: Ab wann haben sie Anspruch auf Kindergeld?
| Sind zu Beginn eines Monats nur Kindergeldberechtigte vorhanden, die das Kind nicht in ihren Haushalt aufgenommen haben, also z. B. die leiblichen Eltern, bleiben diese gegenüber einem im Laufe des Monats hinzutretenden weiteren Anspruchsberechtigten, z. B. den Pflegeeltern, auch dann vorrangig kindergeldberechtigt, wenn der hinzugetretene Kindergeldberechtigte das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Das hat der BFH klargestellt. |
Inhaltsverzeichnis
Um diesen Fall ging es beim BFH
Im konkreten Fall war das Kind nach seiner Geburt (26.11.2020) schon am 07.12.2020 zur Vollzeitpflege in den Haushalt der Pflegeeltern aufgenommen worden. Ein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern bestand (seit Geburt) nicht. Eine vorrangige Anspruchsberechtigung i. S. v. § 32 Abs. 2 EStG i. V. m. § 64 Abs. 1 EStG konnte daher zugunsten der leiblichen Eltern nicht entstehen.
Am 09.12.2020 hatte das Jugendamt den Pflegeeltern eine „Vollmacht als Ergänzung zu § 1688 BGB erteilt. Mit Antrag vom 20.01.2021 beantragten die Pflegeeltern Kindergeld. In der „Erklärung für ein Pflegekind“ gaben sie an, dass sich das Kind seit dem 07.12.2020 auf unbestimmte Zeit in ihrem Haushalt aufhalte, sie das Kind ganztägig und durchgehend an allen Wochentagen versorgen und die leiblichen Eltern es nicht besuchten.
Mit Bescheid vom 26.01.2021 setzte die Familienkasse das Kindergeld für die Pflegeeltern erst ab Januar 2021 fest. Dagegen wehrten sie sich. Sie verlangten Kindergeld ab dem Tag der Geburt. Die Familienkasse lehnte das mit der Begründung ab, dass das Kind erst am 07.12.2020 in den Haushalt aufgenommen worden sei und Änderungen der familiären Verhältnisse erst ab dem Folgemonat zu einem Anspruchsvorrang führten. Wegen des kindergeldrechtlichen Monatsprinzips erhalte derjenige Elternteil für den gesamten Monat ungeteilt das Kindergeld, der zu Beginn des Monats den vorrangigen Anspruch innegehabt habe. Dagegen klagten die Pflegeeltern. Der Fall ging bis zum BFH.
Die Entscheidung des BFH
Der BFH entschied, dass die Pflegeeltern aufgrund der vorrangigen Anspruchsberechtigung der leiblichen Eltern für den Monat Dezember 2020 keinen Anspruch auf Kindergeld hatten. Er begründet das wie folgt (BFH, Urteil vom 18.01.2024, Az. III R 5/23, Abruf-Nr. 240144):
Pflegeeltern sind nicht vorrangig kindergeldberechtigt
Die Pflegeeltern waren zwar seit dem Monat Dezember 2020 nach § 62 Abs. 1 i. V. m. § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG insofern anspruchsberechtigt, als das Kind ab dem 07.12.2020 alle begrifflichen Merkmale eines Pflegekindes im Sinne des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfüllte (familienähnliches Band auf Dauer, Haushaltsaufnahme nicht zu Erwerbszwecken, kein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern). Aus dem Umstand, dass das Kind im Dezember 2020 in den Haushalt der Pflegeeltern, nicht aber in den Haushalt von Mutter oder Vater aufgenommen war, folge aber nicht, dass die Pflegeeltern vorrangig kindergeldberechtigt waren.
So werden leibliche Eltern und Pflegeeltern berücksichtigt
Für das Kindergeld bestand im Dezember 2020 eine Anspruchsberechtigung mehrerer Personen. Zum einen konnte das Kind von seinen Eltern (§ 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG) und zum anderen ab dem 07.12.2020 als Pflegekind (§ 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG) berücksichtigt werden. Die Berechtigung der leiblichen Eltern bestand schon ab der Geburt und damit auch am Beginn des Monats Dezember 2020, wohingegen die Berechtigung der Pflegeeltern erst am 07.12.2020 hinzukam. Im Gegensatz zur Berechtigung der Pflegeeltern ist jene der leiblichen Eltern gemäß § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 EStG nicht von einem Obhuts- und Pflegeverhältnis abhängig.
Im konkreten Fall war es aber so, dass das Kind zunächst in der Obhut des Jugendamts war. Weil es außerdem zunächst in der Klinik behandelt werden musste, konnte nicht von Geburt an ein familienähnliches Band zwischen Kind und Pflegeeltern entstehen und keine Aufnahme im Haushalt begründet werden. Denn faktisch war es von der Geburt bis zum 06.12.2020 zu keiner Haushaltsaufnahme der Pflegeeltern gekommen. Die erfolgte erst am 07.12.2020. Erst ab diesem Zeitpunkt bestand zwischen den Pflegeeltern und dem Kind ein familienähnliches Band.
Doppelzahlung ist mit Gesetz nicht vereinbar
Da für ein und denselben Monat weder eine Doppelzahlung noch eine Aufteilung des Kindergelds mit dem Gesetz vereinbar ist, kann das Hinzutreten eines weiteren Kindergeldberechtigten, der im späteren Verlauf dieses Monats alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, erst im Folgemonat berücksichtigt werden. Hierbei sind alle Fälle einer im Laufe eines Monats eintretenden Änderung der Anspruchsberechtigung unabhängig vom tatsächlichen Grund dieser Änderung gleich zu behandeln, und zwar in dem Sinne, dass die am Monatsanfang maßgebliche (vorrangige) Kindergeldberechtigung für den gesamten Monat entscheidend bleibt. Dies gilt auch dann, wenn nur der später hinzutretende Kindergeldberechtigte das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. § 64 Abs. 2 S. 1 EStG bestimmt zwar, dass derjenige, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat, vorrangig kindergeldberechtigt ist. Ein derartiger Vorrang setzt jedoch voraus, dass sich die konkurrierenden Anspruchsberechtigungen auf deckungsgleiche Zeiträume beziehen.
AUSGABE: SSP 6/2024, S. 5 · ID: 49954662