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SBStiftungsBrief

Gemeinnützigkeit Satzungsmäßige Vermögensbindung – hierauf kommt es bei der Satzungsgestaltung an

Top-BeitragAbo-Inhalt21.01.20256 Min. LesedauerVon Steuerberaterin Iris Röttgering, Curacon GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Münster

| Jede Stiftungssatzung muss die satzungsmäßige Vermögensbindung regeln. Über die konkrete Ausgestaltung solcher Regelungen streiten jedoch regelmäßig Finanzämter und Stiftungen vor den Finanzgerichten und/oder dem BFH. Denn mögliche Folgen bei Verstößen gegen die satzungsmäßige Vermögensbindung sind gravierend: Es kann zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit und zur rückwirkenden Aufhebung der Steuervergünstigung kommen. SB nimmt deshalb die satzungsmäßige Vermögensbindung in den Blick und zeigt, worauf es bei der Satzungsgestaltung ankommt. |

Geldscheine_20171016_AdobeStock_40888676.jpg (Bild: frankdaniels.de - People & Eventfotografie)
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Das steckt hinter der satzungsmäßigen Vermögensbindung

Die Regelungen zur satzungsmäßigen Vermögensbindung finden sich in § 61 AO. § 61 Abs. 1 AO regelt die Vermögensbindung in Einklang mit dem Grundsatz der Selbstlosigkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO. Hiernach darf bei Auflösung einer gemeinnützigen Stiftung oder bei Wegfall ihres steuerbegünstigten Zwecks das Vermögen nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden. Oder aber das Vermögen muss auf eine steuerbegünstigte Körperschaft oder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts für steuerbegünstigte Zwecke übertragen werden.

Der Grundsatz der Vermögensbindung soll verhindern, dass Vermögen, das eine Stiftung aufgrund ihrer steuerbegünstigten Tätigkeit erworben hat, für nicht steuerbegünstigte Zwecke verwendet wird.

Das sind die inhaltlichen Anforderungen an die Satzung

Nach §§ 61 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 4 AO ist die Vermögensbindung steuerlich ausreichend, wenn der Zweck, für den das Vermögen verwendet werden soll, bei Auflösung oder Aufhebung der Stiftung oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks in der Satzung genau bestimmt ist. Es muss aufgrund der Satzung geprüft werden können, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist.

Wird in der Satzung der Wegfall des bisherigen Zwecks als Voraussetzung für den Vermögensanfall überhaupt nicht erwähnt, ist eine Auslegung der Satzung insoweit nicht möglich. Sie genügt nur dann dem Grundsatz der satzungsmäßigen Vermögensbindung, wenn sie eine ausdrückliche Regelung für den Wegfall des bisherigen Zwecks der Stiftung enthält.

Die Vermögensbindungsklausel gibt der Gesetzgeber vor

Die „Vermögensbindungsklausel“ findet sich in der vom Gesetzgeber vorgegebenen Mustersatzung in der Anlage 1 zur AO.

§ 5 der amtlichen Mustersatzung in Anlage 1 zu § 60 AO

Bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke fällt das Vermögen der Körperschaft
  • 1. an – den – die – das – … (Bezeichnung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft), – der – die – das – es unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke zu verwenden hat
  • oder
  • 2. an eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine andere steuerbegünstigte Körperschaft zwecks Verwendung für … (Angabe eines bestimmten gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecks, z. B. Förderung von Wissenschaft und Forschung, Erziehung, Volks- und Berufsbildung, der Unterstützung von Personen, die im Sinne von § 53 der Abgabenordnung wegen … bedürftig sind, Unterhaltung des Gotteshauses in …).

Diese Möglichkeiten hat man bei Angabe des Verwendungszwecks

Es ergeben sich demnach für die Angabe des künftigen Verwendungszwecks zwei Möglichkeiten. Entweder wird

  • als Empfänger des Stiftungsvermögens eine bestimmte juristische Person des öffentlichen Rechts bzw. eine bestimmte steuerbegünstigte Körperschaft konkret benannt oder
  • der steuerbegünstigte Zweck wird genau bezeichnet.

Musterformulierung / Konkret benannter Anfallsberechtigter

Bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall der steuerbegünstigten Zwecke fällt das Vermögen der Körperschaft...
... an den ABC e. V., Berlin, der es ausschließlich und unmittelbar für Zwecke gemäß dieser Satzung oder für andere gemeinnützige Zwecke zu verwenden hat.

Musterformulierung / Konkreter steuerbegünstigter Zweck

Bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall der steuerbegünstigten Zwecke fällt das Vermögen der Körperschaft...
... an eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine andere steuerbegünstigte Körperschaft zwecks Verwendung für die Förderung des Umweltschutzes, einschl. des Klimaschutzes.

Als Empfänger des Vermögens kommen in Betracht

  • inländische steuerbegünstigte Körperschaften,
  • die in § 5 Abs. 2 KStG genannten Körperschaften (u. a. die Deutsche Bundesbank sowie diverse Landesbanken),
  • juristische Personen des öffentlichen Rechts oder
  • eine in einem EU-/EWR-Staat ansässige juristische Person des öffent- lichen Rechts.

Vermögensbindungsklauseln im Lichte der Rechtsprechung

Über die Ausgestaltung der Anfallklausel streiten regelmäßig Finanzämter und Körperschaften vor den Finanzgerichten und/oder dem BFH:

  • Nach einem Urteil des FG Niedersachsen reicht z. B. eine allgemeine Wiedergabe der Gesetzesbegriffe „gemeinnützig“ und „mildtätig“ nicht aus. Die Zwecke sind zu konkretisieren (FG Niedersachsen, Urteil vom 25.04.2024, Az. 10 K 70/21, Abruf-Nr. 242796; SB 10/2024, Seite 181, Abruf-Nr. 50159024). Das letzte Wort hat jedoch der BFH (Az. beim BFH: V R 10/24).
  • Auch das FG Sachsen-Anhalt entschied zulasten der Körperschaft: Im Zuge eines Gesellschafterwechsels wurde die Satzung einer gemeinnützigen Körperschaft neu gefasst. Dabei wurde versehentlich die Anfallklausel ersatzlos gestrichen. Dies fiel erst nach Beschluss und Eintragung der Neufassung auf. Lt. FG ist die satzungsmäßige Vermögensbindung jedoch stets zu gewährleisten (FG Sachen-Anhalt, Urteil vom 19.04.2023, Az. 3 K 475/16, Abruf-Nr. 236419; SB 9/2023, Seite 175, Abruf-Nr. 49635508).

Das sind Folgen einer unzureichenden Vermögensbindung

Gemäß § 61 Abs. 3 AO kann eine unzureichende Vermögensbindungsklausel zu einer Aberkennung der Gemeinnützigkeit und damit zu einem Wegfall der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG für die Vorjahre führen – und das sogar rückwirkend für die zehn vorangegangenen Kalenderjahre. D. h., auch Steuerbescheide können noch geändert werden, die Steuern betreffen, die innerhalb von zehn Jahren vor der erstmaligen Verletzung der Vermögensbindungsregelung entstanden sind (§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO). Die Festsetzungsverjährung gemäß §§ 169 ff. AO bildet insoweit keine Grenze.

Das Fehlen der satzungsmäßigen Vermögensbindung wird „von Anfang an“ fingiert (§ 61 Abs. 3 S. 2 AO), sonst wäre der Grundsatz der Vermögensbindung ausgehebelt. Eine unzureichende Vermögensbindung hat eine Nachversteuerung nach § 61 Abs. 3 AO zur Folge. Die Überschüsse aus der Vermögensverwaltung sind nachträglich zu versteuern, ebenso die Gewinne aus Zweckbetrieben; Spenden/Zustiftungen werden ggf. nachträglich steuerlich belastet; und die Berechtigung zum Spendenabzug fällt rückwirkend weg.

Zu einer Nachversteuerung nach § 61 Abs. 3 AO kommt es auch in solchen Fällen, in denen die tatsächliche Geschäftsführung gegen die von § 61 AO geforderte Vermögensbindung verstößt (§ 63 Abs. 2 AO).

Beispiel

Die gemeinnützige Stiftung S hat in ihrer Vermögensbindungsklausel den begünstigten Zweck der Förderung von Wissenschaft und Forschung festgelegt. Bei ihrer Auflösung überträgt der Geschäftsführer der S im Einvernehmen mit dem Vorstand das gesamte Vermögen jedoch einem Fußballverein zur Förderung des Sports.
Ergebnis: S muss mit Aberkennung der Gemeinnützigkeit rechnen. Bei der nachträglichen Besteuerung wird S so behandelt, wie wenn sie von Anfang an uneingeschränkt steuerpflichtig gewesen wäre (AEAO zu § 61 Nr. 7).
Weiterführende Hinweise
  • Beitrag „Verstoß gegen satzungsmäßige Vermögensbindung: Wie lange zurück kann Gemeinnützigkeit entzogen werden?“, SB 9/2024, Seite 162 → Abruf-Nr. 50083199
  • Beitrag „Aktuelle Aspekte des BFH zur formellen Satzungsmäßigkeit und Vermögensbindung“, SB 4/2023, Seite 77 → Abruf-Nr. 49027089

AUSGABE: SB 2/2025, S. 34 · ID: 50260628

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