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Beschlussfassung Mängelfreie Beschlussfassung: Stellvertretung durch Vorstandsmitglieder zulässig?
| Selbst organisatorisch „gut aufgestellten“ Stiftungen unterlaufen regelmäßig Fehler bei der Beschlussfassung der Stiftungsorgane, die in Folge die Stiftungsaufsicht und möglicherweise auch die Gerichte beschäftigen. SB nimmt nachfolgend das Thema Stellvertretung durch Vorstandsmitglieder bei der Beschlussfassung unter die Lupe und bietet Lösungen sowie eine Musterformulierung für die Satzung. |
Inhaltsverzeichnis
- Gesamtakt als Bündel mehrerer Willenserklärungen
- Gesetzliche Grundlagen für Vertretung
- Beschlussfassung im Verein nicht auf Stiftung übertragbar
- Kein ungeschriebener Ausschluss der Stellvertretung
- Keine ausdrückliche Erlaubnis in Stiftungssatzung erforderlich
- Beschränkung der Bevollmächtigung auf Einzelfälle
- Keine Änderung durch Stiftungsrechtsreform
- Praktische Fragestellungen bei organinterner Vertretung
Gesamtakt als Bündel mehrerer Willenserklärungen
Ein Stiftungsvorstand kann sich bei der Beschlussfassung innerhalb des Stiftungsvorstands durch ein anderes Vorstandsmitglied vertreten lassen. Dem stehen keine zwingenden gesetzlichen Vorgaben entgegen. Dies setzt allerdings voraus, dass sich der Stiftungssatzung die Möglichkeit der Stellvertretung zumindest im Wege der Auslegung entnehmen lässt (BVerwG, Beschluss vom 06.03.2019, Az. 6 B 135.18, Abruf-Nr. 211258 [„Aldi-Nord“]).
Der Beschluss eines Stiftungsvorstands (i. S. d. Organs insgesamt) ist ein Rechtsgeschäft in der Form eines Gesamtakts, das mehrere gleichgerichtete Willenserklärungen der Organmitglieder bündelt. Für Willenserklärungen gilt der rechtsgeschäftliche Grundsatz, dass ein Mitglied des Stiftungsvorstands seine Abstimmung (= Willenserklärung) zu einem bestimmten Beschluss unter Umständen anfechten kann bzw. dass Abgabe und Empfang einer Willenserklärung der Stellvertretung zugänglich sind, wenn und soweit kein gesetzliches oder rechtsgeschäftliches Vertretungsverbot besteht.
Bei einer Stiftung besteht für ein gesetzliches Vertretungsverbot kein Raum. Das zeigt der Blick auf die gesetzlichen Regeln.
Gesetzliche Grundlagen für Vertretung
Das BGB enthält – nach noch geltendem Recht – hinsichtlich des Vorstands einer Stiftung nur in § 81 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 BGB die Vorgabe, dass die Stiftungssatzung Regelungen zur Bildung des Vorstands enthalten muss. Im Übrigen ordnet § 86 S. 1 BGB an, dass bestimmte Vorschriften des Vereinsrechts auf Stiftungen entsprechend anwendbar sind, jedoch nur insoweit, als sich nicht aus der Stiftungsverfassung etwas anderes ergibt (§ 86 S. 1 Hs. 2 BGB).
Gemäß § 27 Abs. 3 BGB sind auf die Geschäftsführung des Vorstands die Vorschriften der §§ 664 bis 670 BGB entsprechend anwendbar; nach § 664 Abs. 1 S. 1 BGB darf im Zweifel der Beauftragte die Ausführung des Auftrags nicht einem Dritten übertragen. Nach der Rechtsfolgenverweisung des § 28 BGB werden die Beschlüsse in einem aus mehreren Personen bestehenden Vorstand nach den Vorschriften gefasst, die für die Beschlüsse der Mitglieder des Vereins gelten (§§ 32 und 34 BGB). Daher besteht im Stiftungsrecht für Beschlussfassungen der Vorstandsmitglieder kein explizites Vertretungsverbot.
Beschlussfassung im Verein nicht auf Stiftung übertragbar
Nach einer Literaturmeinung soll zumindest im Vereinsvorstand eine wechselseitige Vertretung von Vorstandsmitgliedern aufgrund der höchstpersönlichen Verpflichtung ausgeschlossen sein. Dagegen geht die herrschende Meinung davon aus, dass zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit eines Vereinsvorstands sich dessen Mitglieder zwar nicht durch Dritte, aber durch andere Vorstandsmitglieder vertreten lassen können. Höchstrichterlich entschieden ist die Frage für den Vereinsbereich noch nicht.
Wichtig | Bei der rechtsfähigen Stiftung ist die Situation mit dem Vereinsbereich nicht vergleichbar. Bei der Stiftung leitet sich die Entscheidungskompetenz der Vorstandsmitglieder nicht durch Wahl einer Mitgliederversammlung her, sondern aufgrund der Berufung durch den Stifter oder eines von ihm festzulegenden Verfahrens. Zudem ist die Entscheidungsfreiheit des Stiftungsvorstands durch den Stifterwillen in der Stiftungssatzung beschränkt, der notfalls auch gegen die Absichten der Stiftungsorgane durch die staatliche Stiftungsaufsicht durchgesetzt wird. Demzufolge kommt dem Schutzgedanken, der nach der Vorstellung des Stifters neben anderen Motiven der Installation eines mehrköpfigen Stiftungsvorstands zugrunde gelegen haben mag, nicht das gleiche Gewicht zu wie bei einem Vereinsvorstand, wenn es um die organinterne Vertretung bei der Beschlussfassung im Wege einer Spezialvollmacht geht. Daher überzeugt die Möglichkeit einer Bevollmächtigung eines anderen Vorstandsmitglieds für das Stiftungsrecht. Gestützt wird diese Sicht dadurch, dass § 28 BGB als dispositive Regelung für die Willensbildung nach § 86 S. 1 BGB für Stiftungen nur entsprechend anwendbar ist.
Kein ungeschriebener Ausschluss der Stellvertretung
Für einen ungeschriebenen gesetzlichen Ausschluss der Stellvertretung im Vorstand einer Stiftung ist nichts ersichtlich.
Keine analoge Betrachtung zur Aktiengesellschaft
Zwar gilt im Aktienrecht für die Mitglieder des Aufsichtsrats ein Verbot zur wechselseitigen Vertretung (§ 108 Abs. 3 i. V. m. § 101 Abs. 3 S. 1 AktG). Diese Regelungen lassen sich aber nicht im Wege einer Analogie auf den Vorstand einer Stiftung übertragen. Denn es fehlt schon an einer Vergleichbarkeit von Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft einerseits und Vorstand einer Stiftung andererseits: Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft ist ein Überwachungsorgan (§ 111 Abs. 1 AktG), der Vorstand einer Stiftung als gesetzlicher Vertreter hingegen ein Leitungsorgan (§ 86 i. V. m. § 26 Abs. 1 S. 1 BGB, so auch OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 07.12.2017, Az. 3 LB 2/17, Abruf-Nr. 221587).
Auch den strukturellen Unterschied zu körperschaftlich verfassten Vereinen und Kapitalgesellschaften steht es entgegen, die für die Aktiengesellschaft geltenden Regelungen auf die Stiftung zu übertragen (BVerwG, Beschluss vom 06.03.2019, Az. 6 B 135.18, Abruf-Nr. 211258). Im Gegensatz zu körperschaftlich strukturierten juristischen Personen wie der Aktiengesellschaft ist die Stiftung kein rechtsfähiger Zusammenschluss einer Personenmehrheit. Sie ist eine reine Verwaltungsorganisation, mit der der vom Stifter gewollte Zweck verwirklicht wird. Die in der Stiftungsverfassung vorgesehenen Organe, insbesondere der Vorstand, sind das einzige personale Element. Der Vorstand vertritt die Stiftung im Rechtsverkehr und nur er verschafft – vorbehaltlich durch Gesetz oder Satzung normierter Ausnahmen – dem Stifterwillen Geltung.
Verweisung auf Auftragsrecht steht ebenfalls nicht entgegen
Auch die Verweisung im Stiftungsrecht auf das Auftragsrecht begründet keinen Ausschluss der Stellvertretung:
- § 27 Abs. 3 S. 1 BGB 1 verweist zwar für die Geschäftsführung des Vorstands auf die für den Auftrag geltenden Vorschriften (§§ 664 bis 670 BGB); nach § 664 Abs. 1 S. 1 BGB darf der Beauftragte die Ausführung des Auftrags „im Zweifel“ nicht einem Dritten übertragen.Auftragsrechtlicher Grundsatz ...
- Aber dieser auftragsrechtliche Grundsatz ist zum einen im Stiftungsrecht gemäß § 86 S. 1 BGB lediglich entsprechend anwendbar, soweit sich nichts anderes aus der Stiftungssatzung ergibt. Zum anderen schließt diese Vorschrift die Übertragbarkeit der Geschäftsführung nicht prinzipiell aus, sondern enthält lediglich eine subsidiäre Auffangregelung.... im Stiftungsrecht lediglich entsprechend anwendbar
Keine Interessenkollision gemäß § 181 BGB
Vertritt ein Vorstandsmitglied ein anderes bei der Beschlussfassung, schließt es ein Rechtsgeschäft sowohl im eigenen Namen als auch im Namen des Vertretenen ab. Dabei kann es zu Interessenkonflikten – vergleichbar denen anlässlich eines Vertragsschlusses – kommen, sodass das Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB im Raum steht.
Eine Ansicht vertritt die Auffassung, dass die Grundsätze einer regelmäßig konkludenten Befreiung von § 181 BGB bei der wechselseitigen Vertretung von Gesellschaftern einer GmbH bzw. einer OHG im Rahmen eines Gesellschafterbeschlusses auch auf die gegenseitige Bevollmächtigung von Vorständen einer Stiftung zu übertragen seien (Henssler/Markworth, NZG 2020, 441, 448). Nach anderer Auffassung liegt darin, dass ein bevollmächtigtes Vorstandsmitglied zugleich seine eigene Stimme abgibt, schon gar kein Fall des § 181 BGB vor. Denn die Vorstandsmitglieder würden ihre Stimmabgaben nicht im Verhältnis zueinander abgeben, sondern gegenüber der Stiftung (als deren Organ). Eine weitere Meinung begreift den Beschluss schon gar nicht als Rechtsgeschäft nach § 181 BGB.
Nimmt man dagegen einen Verstoß gegen § 181 BGB an, kann das vertretene Vorstandsmitglied die – schwebend unwirksame (§ 177 Abs. 1 BGB) – Stimmabgabe in einer folgenden Vorstandssitzung genehmigen. Diese Genehmigung wirkt auf den Zeitpunkt des Beschlusses zurück (§ 184 Abs. 1, Hs. 1 BGB). Das hat zur Folge, dass die Beschlussfassung (Abstimmung) nicht wiederholt werden muss. Anders ist die Situation nur, wenn der Versammlungsleiter die Stimmabgabe durch den Vertreter bzw. die Vollmacht wegen Ver-stoßes gegen § 181 BGB in der Vorstandssitzung zurückweist (§ 177 Abs. 2 S. 1 BGB). In dem Fall scheidet eine spätere Genehmigung aus und die vom Vertreter abgegebene Stimme zählt nicht mit. Zwar besteht nach dem Gesetz grundsätzlich eine zweiwöchige Genehmigungsfrist (§ 177 Abs. 2 S. 2, Halbs. 1 BGB). Diese Zwei-Wochen-Frist kann bis zur Beendigung der Schwebelage von den Parteien vertraglich verkürzt, verlängert oder sogar aufgehoben werden, und zwar auch konkludent (BeckOGK/Ulrici, 01.08.2021, BGB § 177 Rz. 218). Bei der vollmachtlosen Vertretung eines Vorstandsmitglieds wird nach den Umständen regelmäßig davon auszugehen sein, dass der Vertretene die Genehmigung bis zum Schluss der Vorstandssitzung erklären muss – trotz dessen Abwesenheit (also z. B. telefonisch, per Fax oder per E-Mail, wenn die Satzung dies erlaubt).
Praxistipp | Weist der Versammlungsleiter die Stimmabgabe durch den Vertreter bzw. die Vollmacht wegen Verstoßes gegen § 181 BGB in der Vorstandssitzung zurück und macht er eine zeitliche Vorgabe zur Genehmigung über das Ende der Vorstandssitzung hinaus, sollte man dies unbedingt im Protokoll festhalten. |
Keine ausdrückliche Erlaubnis in Stiftungssatzung erforderlich
Da nach der gesetzlichen Regelung eine Stellvertretung im Stiftungsvorstand durch Bevollmächtigung eines anderen Vorstandsmitglieds möglich ist, bedarf es dafür keiner ausdrücklichen Gestattung im Satzungstext. Vielmehr reicht es, wenn sich der Stiftungssatzung eine entsprechende Ermächtigung im Wege der Auslegung entnehmen lässt. Das ergibt sich aus der Maßgeblichkeit des Stifterwillens nach § 85 BGB, wie er im Stiftungsgeschäft zum Ausdruck kommt.
Wichtig | Die im Vereinsrecht vertretene strengere Auffassung, die eine ausdrückliche Regelung verlangt, ist auf die Stiftung mangels körperschaftlicher Struktur nicht übertragbar (BVerwG, Beschluss vom 06.03.2019).
Beschränkung der Bevollmächtigung auf Einzelfälle
Allerdings wird eine organinterne Stellvertretung – d. h. wechselseitig durch die Vorstandsmitglieder – stets nur dann zulässig sein, wenn sie sich auf wenige Einzelfälle beschränkt (BVerwG, Beschluss vom 06.03.2019). Die Organstellung des jeweiligen Vorstandsmitglieds darf nicht durch eine „Generalvollmacht“ dauerhaft unterminiert werden. Denn dies widerspreche dem hypothetischen Willen des Stifters.
Keine Änderung durch Stiftungsrechtsreform
Die zum 01.07.2023 in Kraft tretende Stiftungsrechtsreform verändert die Rechtslage nicht: Nach § 84b S. 1 BGB-neu erfolgt die Beschlussfassung bei einem mehrgliedrigen (d. h. aus mehreren Personen bestehenden) Stiftungsvorstand entsprechend § 32 BGB und damit grundsätzlich analog der Beschlussfassung durch die Mitgliederversammlung eines Vereins, wenn in der Satzung nichts Abweichendes geregelt ist.
Nach der Gesetzesbegründung (BR-Drucks. 143/21, 66) ist § 84b BGB-neu den für Vereine geltenden Vorschriften der §§ 28, 32 und 34 BGB nachgebildet; diese sind auch nach (noch) geltendem Recht gemäß § 86 S. 1 BGB entsprechend für den Stiftungsvorstand anwendbar. Ohne sich mit Problemen wie z. B. dem der Zulässigkeit der Stellvertretung zu befassen, stellt die Gesetzesbegründung lediglich klar, dass von den genannten Vorschriften wie bisher durch die Stiftungssatzung abgewichen werden kann und insbesondere die erforderlichen Mehrheiten für die Beschlussfassung innerhalb und außerhalb von Versammlungen der Organe abweichend geregelt werden können.
Folgende Satzungsklausel zur organinternen Vertretung bietet sich an:
Satzungsklausel / Vertretung durch Vorstandsmitglied |
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Praktische Fragestellungen bei organinterner Vertretung
Geht man von der Zulässigkeit organinterner Vertretung aus, können sich in der Praxis häufig Folgefragen stellen:
Stimmrechtsvollmacht beseitigt kein Stimmverbot
Die Stimmrechtsvollmacht ändert nichts an der Wirkung bestehender Stimmverbote gemäß § 86 S. 1 Halbs. 2 BGB i. V. m. § 28 und § 34 BGB. Wer einem Stimmverbot unterliegt, kann keine wirksame Stimme abgeben, auch nicht über einen Vertreter. Es kommt nicht darauf an, ob zugleich in der Person des Vertreters ein Stimmverbot vorliegt.
Beispiel |
... auch wenn in der Person des Vertreters kein Stimmverbot vorliegt Der Vorstand einer Stiftung besteht aus drei Personen: A, B und C. A möchte einen Vertrag mit der von ihm vertretenen Stiftung schließen. B stimmt dem zu, C nicht. Für einen wirksamen Beschluss müssen nach der Satzung mindestens zwei Vorstandsmitglieder zustimmen. A selbst ist an der Stimmabgabe gehindert, B und C sind es nicht. A möchte B bevollmächtigen, um das notwendige Quorum zu erreichen. Ergebnis: Gäbe B in der Konstellation A eine Vollmacht, z. B. weil er zeitlich verhindert ist, dürfte A den B nicht vertreten, obwohl in der Person des B kein Stimmverbot vorliegt. |
Weisungsgebundene Stimmrechtsvollmachten
Die Vollmacht kann weisungsgebunden sein, sodass dem bevollmächtigten Vorstandsmitglied keine Entscheidungsmacht verbleibt, wie er das Stimmrecht für das vertretene Vorstandsmitglied ausübt. Enthält bereits die schriftliche Vollmacht entsprechende Weisungen, beschränken diese die Vertretungsmacht auch gegenüber dem Organ.
Untervollmachten ebenfalls zulässig
Auch Untervollmachten sind möglich, es sei denn, die Stiftungssatzung – oder eher die Geschäftsordnung – schließen eine solche ausdrücklich aus.
Abwandlung |
A erteilt B rechtzeitig eine Vollmacht, weil absehbar ist, dass er selbst am Tag der Beschlussfassung verhindert sein wird. Kurz vor der Beschlussfassung erkrankt B plötzlich und möchte C eine Vollmacht für sich und für A geben. Ergebnis: Sofern man wie hier eine organinterne Stellvertretung für zulässig hält, ist es gleich, ob ein (Haupt-)Bevollmächtigter oder ein Unterbevollmächtigter für das verhinderte Vorstandsmitglied auftritt. Denn das Organmitglied (A) hätte ebenso gut selbst den Unterbevollmächtigten (C) als (Haupt-)Bevollmächtigten aussuchen können, hätte A die plötzliche Verhinderung des B vorhergesehen. |
Zurückweisung der Stimmabgabe wegen fehlender schriftlicher Vollmacht
Für die Stimmabgabe durch das bevollmächtigte Vorstandsmitglied ist ggf. § 174 BGB zu beachten. Kann der Bevollmächtigte trotz Aufforderung durch den Versammlungsleiter keine (schriftliche) Vollmacht vorlegen, kann dieser die Stimmabgabe (selbstverständlich nur für das bevollmächtigte, aber nicht für das vertretene Vorstandsmitglied) zurückweisen (§ 174 S. 1 BGB). Etwas anderes gilt, wenn das vertretene Vorstandsmitglied den Versammlungsleiter von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hat – was die Regel sein dürfte.
Wichtig | Die Rüge nach § 174 BGB durch den Versammlungsleiter ist nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil in früheren Vorstandssitzungen auf die Vorlage der Vollmachtsurkunde verzichtet worden war.
Bevollmächtigtes Vorstandsmitglied übt Vollmacht nicht aus
Macht das bevollmächtigte Vorstandsmitglied bei der Beschlussfassung von dem durch ihn auszuübenden Stimmrecht entgegen der getroffenen Abrede mit dem vollmachtgebenden Vorstandsmitglied keinen Gebrauch, führt das nicht zu einem Beschlussmangel. Das gilt selbst dann, wenn dadurch ein Beschluss gefasst wird, dessen Inhalt der Vollmachtgeber nicht wollte. Die Verantwortung für die Wahrnehmung seines Stimmrechts bleibt in der Sphäre des Vorstandsmitglieds, auch wenn es sich vertreten lässt und unabhängig davon, dass der beauftragte Stimmrechtsvertreter gegen die Abrede mit dem Vollmachtgeber verstößt.
- Beitrag „Die Beschlussfassung in den Stiftungsgremien: So lassen sich vorausschauend Fehler vermeiden“, SB 2/2022, Seite 23 → Abruf-Nr. 47943831
AUSGABE: SB 6/2022, S. 113 · ID: 48093910