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VerbrauchsstiftungIst die steuerfreie Zahlung aus dem steuerlichen Einlagekonto einer Verbrauchsstiftung möglich?
| Leistungen einer Stiftung an die Destinatäre können als Kapitalertrag der Besteuerung unterliegen. Problematisch ist dies bei einer Verbrauchsstiftung. Wird der Verbrauchsstock verwendet, fallen insoweit Steuern an. Abhilfe könnte hier eine gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 KStG) schaffen. Wird dieses verwendet, scheidet eine Besteuerung aus. Doch ist § 27 KStG anwendbar? Jüngst urteilte ein Finanzgericht zugunsten einer Stiftung – ließ jedoch die Revision zu. SB zeigt, welches Potenzial sich aus dem steuerlichen Einlagekonto ergeben (kann). |
Steuerpflichtige Leistungen an die Destinatäre
Vergütungen einer Stiftung an die Destinatäre können der Besteuerung unterliegen. Denkbar sind sowohl Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG als auch sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 EStG.
Einkünfte aus Kapitalvermögen
Nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen die Einnahmen aus Leistungen einer nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Personenvereinigung oder Vermögensmasse i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 KStG (z. B. Verbrauchsstiftung), welche mit Gewinnausschüttungen i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (z. B. Dividenden) wirtschaftlich vergleichbar sind. Dies gilt selbst dann, wenn sich die Stiftung im Ausland befindet, also im Inland weder über ihren Sitz noch über ihre Geschäftsleitung verfügt (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 EStG). Damit stellen Zuwendungen an Destinatäre vom Grundsatz her Einkünfte aus Kapitalvermögen dar.
Auskehrungen von Stiftungen können unter § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG fallen
Einzige Voraussetzung: Die Leistungen müssen wirtschaftlich vergleichbar mit Gewinnausschüttungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG sein (BMF, Schreiben vom 27.06.2006, Az. IV B 7 - S-2252 - 4/06, Abruf-Nr. 23388). Dieses Kriterium wird nach Ansicht des BFH immer dann erfüllt, wenn der begünstigte Destinatär unmittelbar oder zumindest mittelbar (z. B. über die Besetzung der Stiftungsorgane) Einfluss auf das Ausschüttungsverhalten der Stiftung nehmen kann (BFH, Urteil vom 03.11.2010, Az. I R 98/09, Abruf-Nr. 110728). Seine Stellung muss wirtschaftlich betrachtet derjenigen eines Anteilseigners an einer Kapitalgesellschaft entsprechen. Unbeachtlich ist, ob der Destinatär auch rechtlich die Stellung eines Anteilseigners innehat.
Haben Destinatäre also ähnlich wie die Gesellschafter einer gewöhnlichen Kapitalgesellschaft Einfluss auf die Verwendung der Erträge der Stiftung und letztlich auch über das Vermögen, ergeben sich bei Auszahlung von Leistungen an die Destinatäre Einkünfte aus Kapitalvermögen. Diese Einflussnahme kann sich z. B. daraus ergeben, dass die Destinatäre selbst die Höhe der Vergütungen in Anlehnung an die Satzung bestimmen oder, sofern die Vergütungen von Dritten bestimmt werden, sie diese Dritten jederzeit durch eigenen Beschluss abberufen könnten. Maßgebend sind also die jeweiligen satzungsmäßigen Rechte der Destinatäre sowie der Stiftungszweck selbst.
Wichtig | Unter diese Regelung fallen sowohl laufende als auch einmalige Leistungen einer Stiftung sowie Leistungen anlässlich der Auflösung der Stiftung (BFH, Urteil vom 28.02.2018, Az. VIII R 30/15, Abruf-Nr. 201904).
Steuerabzug durch die Stiftung
Sind die Leistungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen einzuordnen, unterliegen sie der Kapitalertragsteuer (§ 43 Abs. 1 Nr. 7a EStG). Diese beträgt 25 Prozent der Leistungen der Stiftung (§ 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG). Hinzu kommen Soli und ggf. Kirchensteuer. Ein Freistellungsauftrag von bis zu 801 Euro (bei Ehegatten 1.602 Euro) kann nicht erteilt werden.
Die anfallenden Steuern hat die Stiftung einzubehalten, über eine Kapitalertragsteuer-Anmeldung beim Finanzamt bis zum zehnten des Folgemonats anzumelden und an das Finanzamt abzuführen. Der Vorteil für den Destinatär: Durch den Steuerabzug tritt Abgeltungswirkung ein (§ 43 Abs. 5 EStG). Er muss die Erträge also nicht in seiner persönlichen Steuererklärung angeben.
Praxistipp | Für den Destinatär kann es sich dennoch lohnen, die Erträge zu erklären. Beispielsweise kann er durch einen Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG von einem noch nicht voll genutzten Sparer-Pauschbetrag profitieren. Sollte er nur über geringe weitere Einkünfte verfügen, könnte auch ein Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG zu einer geringeren Besteuerung führen. |
Vergleich einer Stiftung mit einer Kapitalgesellschaft
Diese grundlegende Besteuerung der Leistungen einer Stiftung weisen damit zweifelsfrei Parallelen zu den Ausschüttungen einer Kapitalgesellschaft (z. B. UG, GmbH, AG) auf. Schüttet eine Kapitalgesellschaft einen Teil ihres Gewinns in Form einer Dividende oder Gewinnausschüttung an ihre Anteilseigner aus, ergeben sich bei den Anteilseignern Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Wie die Stiftung ist auch die Kapitalgesellschaft dazu verpflichtet, pauschal 25 Prozent Abgeltungssteuer zzgl. Soli und ggf. Kirchensteuer einzubehalten, beim Finanzamt anzumelden und abzuführen. Dadurch tritt Abgeltungswirkung ein. Folge: Der Gesellschafter bzw. Aktionär muss die Erträge in seiner Einkommensteuererklärung nicht angeben:
Stiftung | Kapitalgesellschaft | |
Leistung | Zuwendung an Destinatär | Dividende/Gewinnausschüttung |
Steuerliche Einordnung | i. d. R. Kapitalertrag | Kapitalertrag |
Vorschrift | § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG | § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG |
Steuerabzug | 25 Prozent durch die Stiftung, § 43 Abs. 1 Nr. 7a EStG und § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG | 25 Prozent durch die Gesellschaft, § 43 Abs. 1 Nr. 1/1a EStG und § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG |
Abgeltungswirkung? | Ja, § 43 Abs. 5 EStG | Ja, § 43 Abs. 5 EStG |
Unterschied: Verwendung des steuerlichen Einlagekontos
Ein erheblicher Unterschied zwischen einer Stiftung und einer Kapitalgesellschaft tut sich jedoch auf, wenn ein Blick auf das in § 27 KStG geregelte steuerliche Einlagekonto geworfen wird. In diesem steuerlichen Einlagekonto werden vom Finanzamt die nicht in das Nennkapital der Kapitalgesellschaft geleisteten Einlagen gesondert festgestellt und jährlich fortgeschrieben.
Das Besondere: Verwendet die Gesellschaft das steuerliche Einlagekonto und gewährt den Gesellschaftern hieraus Leistungen (z. B. eine Gewinnausschüttung), handelt es sich gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG beim Gesellschafter nicht um einen steuerpflichtigen Kapitalertrag. Damit ist die Gesellschaft weder verpflichtet, einen Steuerabzug vorzunehmen, noch muss der Gesellschafter den Ertrag in seiner persönlichen Steuererklärung versteuern. Er erhält die Ausschüttung aus dem steuerlichen Einlagekonto „brutto wie netto“. Denn wirtschaftlich betrachtet hat er keine richtige Ausschüttung erhalten, sondern ihm wurde nur ein Teil seiner Einlagen zurückgewährt.
Beispiel: Einlagekonto einer GmbH |
Gewinnausschüttung aus dem steuer-lichen Einlagekonto ... An einer im Jahr 2020 gegründeten GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 Euro sind drei Gesellschafter zu je 1/3 beteiligt. Da die wirtschaftliche Lage im Jahr 2020 infolge der Corona-Pandemie schwierig war und die GmbH einen Verlust erzielte, leisteten die Gesellschafter 2020 eine zusätzliche Einlage von jeweils 7.000 Euro in das Vermögen der GmbH. Das Stammkapital wurde nicht erhöht. 2021 liefen die Geschäfte besser – es zeichnete sich bereits im Herbst ein erheblicher Gewinn ab. Daher beschlossen die Gesellschafter im November 2021 eine Gewinnausschüttung von 30.000 Euro (je Gesellschafter 10.000 Euro). Lösung:
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Wichtig | Auf den Bestand des steuerlichen Einlagekontos kann die Kapitalgesellschaft jedoch nicht direkt zugreifen. Leistungen einer Kapitalgesellschaft mindern das steuerliche Einlagekonto unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung nur, soweit sie den auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres ermittelten ausschüttbaren Gewinn übersteigen (§ 27 Abs. 1 KStG). Nur dann erfolgt eine entsprechende Einlagenrückgewähr. Als ausschüttbarer Gewinn gilt das um das gezeichnete Kapital geminderte in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen Einlagekontos. Praktisch heißt dies, dass die Gesellschaft zunächst jeden Euro des erzielten Gewinns vorangegangener Jahre ausschütten muss. Erst danach kann das steuerliche Einlagekonto genutzt werden.
Steuerliches Einlagekonto bei einer Verbrauchsstiftung?
In der Praxis stellt sich nun die Frage, warum eine Kapitalgesellschaft von dem Privileg eines steuerlichen Einlagekontos profitieren sollte, nicht jedoch eine Verbrauchsstiftung. Denn wirtschaftlich betrachtet ergibt sich bei der Verbrauchsstiftung ein vergleichbarer Vorgang.
Die Verbrauchsstiftung wird gegründet und mit dem Verbrauchsstock ausgestattet. Dieser Verbrauchsstock stellt keine erwirtschafteten Erträge der Stiftung dar, sondern lediglich eingezahltes Kapital, das nach und nach an die Destinatäre weitergegeben werden soll; so lange, bis der Stiftungszweck erfüllt oder der Verbrauchsstock verbraucht wurde. Eine Verbrauchsstiftung wird nicht auf unbestimmte Zeit gegründet, sondern nur befristet. Warum sollte also der Verbrauchsstock – soweit er verwendet wird – beim Destinatär einen steuerpflichtigen Kapitalertrag darstellen, wenn sich bei der Einlagerückgewähr einer Kapitalgesellschaft durch Verwendung des steuerlichen Einlagekontos kein steuerpflichtiger Kapitalertrag ergibt?
FG Nürnberg entscheidet zugunsten einer Verbrauchsstiftung
Aufgrund dieser Ungleichbehandlung klagte eine Verbrauchsstiftung vor dem FG Nürnberg. Sie beantragte bei ihr ein steuerliches Einlagekonto nach § 27 KStG in Höhe von rund 796.600 Euro festzustellen (Verbrauchsstock). Ihr Ziel: Stellt das Finanzamt in entsprechender Höhe das steuerliche Einlagekonto fest, bleiben die Leistungen der Stiftung an die Destinatäre in entsprechender Höhe steuerfrei. Das FG urteilte zugunsten der Stiftung (FG Nürnberg, Urteil vom 15.06.2021, Az. 1 K 513/18, Abruf-Nr. 228450):
Zunächst entschied das FG, dass auch eine Stiftung von dem Privileg eines steuerlichen Einlagekontos profitieren kann. Denn über § 27 Abs. 7 KStG gelten die Regelungen zum steuerlichen Einlagekonto auch sinngemäß für andere unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften und Personenvereinigungen, die Leistungen i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 9 oder 10 EStG gewähren.
Zwar handelt es sich bei einer Stiftung um eine Vermögensmasse, und diese wird im § 27 Abs. 7 KStG nicht gesondert erwähnt. Jedoch steht dieser Tatsache die Anwendung des § 27 KStG nicht entgegen. Denn es handelt sich um ein gesetzgeberisches Versehen, das mittels teleologischer Extension zu schließen ist (so bereits FG Münster, Urteil vom 16.01.2019, Az. 9 K 1107/17 F, Abruf-Nr. 211747, SB 11/2019, Seite 201, Abruf-Nr. 46196940, das auch die Anwendung des § 27 KStG bei einer rechtsfähigen Familienstiftung bestätigte).
FG Nürnberg: Verbrauchsstiftung verfügt über kein Nennkapital
Auf dem steuerlichen Einlagekonto werden nur nicht in das Nennkapital geleistete Einlagen ausgewiesen (§ 27 Abs. 1 S. 1 KStG). Das FG Nürnberg entschied allerdings, dass die Stiftung als Verbrauchsstiftung einzuordnen ist (§ 80 Abs. 2 S. 2 BGB) und diese nicht über ein dem Nennkapital einer Kapitalgesellschaft vergleichbares Vermögen verfügt. Denn der Verbrauchsstock der Stiftung ist anders als klassisches Nennkapital oder das Grundstockvermögen einer auf Dauer errichteten Stiftung nicht (ungeschmälert) zu erhalten. Vielmehr mindert sich der Verbrauchsstock durch erbrachte Leistungen. Damit eröffnete das FG die Möglichkeit, die Einzahlungen in den Verbrauchsstock der Stiftung auf dem steuerlichen Einlagekonto auszuweisen.
Praxistipp | Bei einer dauerhaft errichteten Stiftung ist das Grundstockvermögen vergleichbar mit dem Nennkapital einer Kapitalgesellschaft. Wird dieses zurückgezahlt, findet wie bei § 27 KStG regelmäßig keine Besteuerung statt. Deshalb bestätigten mehrere Finanzgerichte die Anwendbarkeit des steuerlichen Einlagekontos, verneinten jedoch die gesonderte Feststellung der in das Grundstockvermögen geleisteten Beträge (FG Münster, Urteil vom 16.01.2019, Az. 9 K 1107/17 F, Abruf-Nr. 211747 und FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 31.07.2019, Az. 1 K 1505/15, Abruf-Nr. 224870). Ob sich der BFH der Ansicht anschließt, wird sich in der Revision gegen das Urteil des FG Rheinland-Pfalz zeigen (Az. beim BFH: I R 42/19). |
Zugang beim steuerlichen Einlagekonto nur für geleistete Einlagen
Auch wenn das FG Nürnberg die Anwendung des § 27 KStG für eine Verbrauchsstiftung bestätigte, unterlag die Stiftung mit der Höhe der begehrten gesonderten Feststellung. Von dem Betrag von rund 796.600 Euro gewährte das FG nur einen Betrag von 6.360 Euro. Denn als Zugang beim steuerlichen Einlagekonto werden nur die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen erfasst – zu dem Zeitpunkt, in welchem der Vermögensvorteil der Gesellschaft tatsächlich zufließt. Diesen Zufluss konnte die Stiftung jedoch nur in Höhe von 6.360 Euro nachweisen. Bei dem übersteigenden Betrag handelte es sich um eingeforderte, aber noch ausstehende Einlagen. Diese gehen beim steuerlichen Einlagekonto erst zu, wenn sie tatsächlich geleistet wurden.
Einlagekonto für Verbrauchsstiftung beim BFH
Das FG Nürnberg hat die Revision zugelassen, die Stiftung hat sie eingelegt (Az. beim BFH: I R 46/21). Somit wird es eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage geben, ob bei einer rechtsfähigen Stiftung, deren Stiftungskapital für die Zweckverfolgung verbraucht werden kann, ein steuerliches Einlagekonto i. S. v. § 27 KStG gesondert festzustellen und die Übertragung des Verbrauchsstocks auf die Stiftung als Einlage anzusehen ist.
Gesonderte Fest-stellung des steuer-lichen Einlagekontos beantragen Praxistipp | (Neu gegründete) Verbrauchsstiftungen sollten die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos beantragen. Lehnt das Finanzamt den Antrag ab, sollten sie mit Verweis auf das Revisionsverfahren beim BFH (Az. I R 46/21) Einspruch einlegen und Ruhen des Verfahrens beantragen. Dabei sind diejenigen Feststellungsbescheide anzufechten, in deren Jahren Einlagen geleistet wurden. Die gesonderte Feststellung von Einlagen vorangegangener (verjährter) Jahre ist innerhalb des nächsten Feststellungsbescheids nicht nachholbar. |
AUSGABE: SB 7/2022, S. 128 · ID: 48164958