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GemeinnützigkeitMustersatzung: Neues vom BFH zur formellen Satzungsmäßigkeit und Vermögensbindung

Top-BeitragAbo-Inhalt30.03.20223685 Min. LesedauerVon Dr. Matthias Uhl, Rechtsanwalt bei Peters, Schönberger & Partner, München

| In der Praxis wird immer wieder darum gestritten, ob bei der Satzungsgestaltung zwingend die konkreten Formulierungen der Mustersatzung – ggf. wortwörtlich – verwendet werden müssen? Aktuell musste der BFH darüber entscheiden, ob eine Satzung nur dann dem Grundsatz der satzungsmäßigen Vermögensbindung genügt, wenn sie auch eine ausdrückliche Regelung für den Wegfall des bisherigen Zwecks der Körperschaft enthält. SB stellt Ihnen die Hintergründe des Urteils vor und erläutert dessen Bedeutung für die Praxis. |

Streit um Feststellungsbescheid nach § 60a AO

Eine im Jahr 1995 gegründete gGmbH wurde als steuerbegünstigt behandelt. Nachdem im Jahr 2009 in § 60 AO der Verweis auf die gesetzliche Mustersatzung eingefügt wurde, meinte das Finanzamt, dass mehrere zeitlich aufeinanderfolgende Fassungen des Gesellschaftsvertrags nicht gesetzeskonform seien. Es bat die gGmbH daher, die Satzung entsprechend der zwischenzeitlich „amtlichen“ Mustersatzung abzuändern und die gemeinnützigen Zwecke laut § 52 AO, die gefördert werden sollen, „(wörtlich) zu benennen“. Konkret schlug das Finanzamt vor, sich für die Formulierung der Satzungszwecke am Wortlaut des § 52 Abs. 2 S. 1 AO zu orientieren.

Die Gesellschafter der gGmbH beschlossen daraufhin eine Satzungsneufassung, die im Jahr 2015 ins Handelsregister eingetragen wurde. Sie enthielt Regelungen zur Vermögensbindung im Fall der Auflösung der Gesellschaft, nicht aber bei Wegfall der gemeinnützigen Zwecke. An dieser Fassung störte sich das Finanzamt und erließ einen Ablehnungsbescheid. Dagegen klagte die gGmbH und war vor dem FG Hessen erfolgreich. Zu Unrecht habe es das Finanzamt abgelehnt, der gGmbH die Erfüllung der satzungsmäßigen Voraussetzungen der Steuerbegünstigung durch Feststellungsbescheid nach § 60a Abs. 1 AO zu bestätigen (FG Hessen, Urteil vom 26.02.2020, Az. 4 K 594/18).

BFH hebt Vorinstanz auf

Der BFH hob dagegen das hessische Urteil auf und wies die Klage der gGmbH ab (BFH, Urteil vom 26.08.2021, Az. V R 11/20, Abruf-Nr. 227298).

Anforderungen an die satzungsmäßige Vermögensbindung fehlen

Der BFH begründet dies damit, dass der Gesellschaftsvertrag der gGmbH nicht den Anforderungen an die satzungsmäßige Vermögensbindung (§ 61 Abs. 1 i. V. m. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO) genügt. Ausdrückliche Bestimmungen der Vermögensbindung für den Wegfall des bisherigen Zwecks der gGmbH fehlten. Der BFH hierzu wörtlich mit Bezug auf seine ständige Rechtsprechung:

„Ist der Wegfall des bisherigen Zwecks als Voraussetzung des Vermögensanfalls überhaupt nicht erwähnt, ist eine Auslegung der Satzung in der Weise, dass die Regelung zu einer anderen Art des Vermögensanfalls auf den Wegfall des bisherigen Zwecks zu übertragen ist, nicht möglich.“

Keine Bindung an Feststellungen des FG Hessen

Der BFH unterstreicht, dass die Auslegung der Satzung zu den tatsächlichen Feststellungen gehört, die das Finanzgericht zu treffen hat und an die der BFH als Revisionsinstanz grundsätzlich gebunden ist.

Im Urteilsfall lag die Sache aber anders: Das FG habe den Gesellschaftsvertrag in der Weise ausgelegt, dass dieser den Anforderungen an die satzungsmäßige Vermögensbindung genügt; dies, obwohl § 61 Abs. 1 AO ausdrücklich in der Satzung eine genaue Bestimmung der Vermögensbindung bei Wegfall des bisherigen Zwecks der Körperschaft verlangt. Die Berücksichtigung außerhalb der Satzung liegender Umstände oder des nicht in der Satzung manifestierten Willens der Mitglieder würde dem Gebot des Buchnachweises widersprechen. Sinn und Zweck der satzungsmäßigen Vermögensbindung sei, dass (ausschließlich) aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist und satzungsmäßig die Bindung des steuerbegünstigt gebildeten Vermögens im Dritten Sektor gewährleistet bleibe.

Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht zu berücksichtigen

Die Vertrauensschutzregelungen zu § 60a Abs. 3 bis 5 AO waren nach Ansicht des BFH auch nicht zu berücksichtigen. Denn sie seien nicht auf den Fall des erstmaligen Erlasses eines negativen Feststellungsbescheids anwendbar. Vielmehr setzten sie einen bereits erlassenen Bescheid voraus. Gegenstand eines Feststellungsverfahrens nach § 60a Abs. 1 S. 1 AO sei nur eine bestimmte Satzung, wenn diese im Feststellungsbescheid ausdrücklich erwähnt sei.

Die Konsequenz aus dem Urteil: Die gGmbH muss den Text aus der Mustersatzung übernehmen: „Bei Auflösung der Körperschaft oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke fällt das Vermögen der Körperschaft, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile der Gesellschafter und den gemeinen Wert der von den Gesellschaftern geleisteten Sacheinlagen übersteigt, an ….“

Bedeutung für die Praxis

Die Finanzverwaltung steht im Grundsatz auf dem Standpunkt, dass die Mustersatzung beim Wort genommen werden muss, während „derselbe Aufbau und dieselbe Reihenfolge der Bestimmungen wie in der Mustersatzung“ nicht verlangt werden (AEAO Nr. 2 letzter Satz zu § 60 AO).

Praxistipp | Um auf Nummer sicher zu gehen, sollten Stiftungen ihren Satzungstext im Vorfeld von Gründungen oder Änderungen mit der Finanzverwaltung eng abstimmen, insbesondere bzgl. der satzungsmäßigen Festlegung von Zweckverwirklichungsmaßnahmen. Denn die Satzung muss „den vorgeschriebenen Erfordernissen bei der Körperschaftsteuer und bei der Gewerbesteuer während des ganzen Veranlagungs- oder Bemessungszeitraums, bei den anderen Steuern im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer entsprechen“ (§ 60 Abs. 2 AO).

AUSGABE: SB 4/2022, S. 77 · ID: 48068267

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