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GeschäftsgebührStreitwerterhöhende Hilfsaufrechnung löst Zweitschuldnerhaftung aus

Abo-Inhalt17.02.20254 Min. LesedauerVon RA Norbert Schneider, Neunkirchen

| Die streitwerterhöhende Hilfsaufrechnung ist ein Verteidigungsmittel und kein Antrag i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 1 GKG. Daher schuldet der Kläger nach Ansicht des OLG Düsseldorf den hierdurch anfallenden weiteren Teil der Gerichtsgebühr. |

Sachverhalt

Im Streitfall verklagten die beiden Kläger K1 und K2 den Beklagten B auf Zahlung. B stritt die Klageforderung ab und stellte seinerseits verschiedene Forderungen hilfsweise zur Aufrechnung. Das Gericht sah sämtliche Gegenforderungen des B als unbegründet an, gab der Klage statt und legte ihm die Kosten des Rechtsstreits auf. Für den Streitwert rechnete das Gericht dem Wert der Klageforderung den Wert der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Forderungen gemäß § 45 Abs. 3 GKG hinzu. Daraufhin stellte die Gerichtskasse die weitere Gerichtsgebühr, die sich aus der Streitwerterhöhung infolge der Hilfsaufrechnung ergab, dem B als Entscheidungsschuldner in Rechnung. Da die Vollstreckung der Landeskasse gegen diesen fruchtlos verlief, nahm die Landeskasse K1 und K2 als Antragsteller im Wege der Zweitschuldnerhaftung in Anspruch. Diese wehrten sich gegen die Inanspruchnahme mit der Begründung, bei den Hilfsaufrechnungen handele es sich um gesonderte Angriffsmittel des B, für die sie nicht in Anspruch genommen werden könnten (OLG Düsseldorf 20.8.24, 10 W 33/24, Abruf-Nr. 246448).

Relevanz für die Praxis

Nach § 45 Abs. 3 GKG erhöht sich der Streitwert, wenn ein Beklagter hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung erklärt, soweit darüber eine der Rechtskraft fähige Entscheidung ergeht. Der Streitwert erhöht sich um den Wert der Gegenforderung, über die eine Entscheidung ergeht, und bei mehreren Hilfsaufrechnungen um den Wert jeder Gegenforderung, über die eine Entscheidung ergeht. Gleiches gilt, wenn der Rechtsstreit durch Vergleich auch über die hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Forderungen erledigt wird (§ 45 Abs. 4 GKG). Erhöht sich der Streitwert durch die Entscheidung des Gerichts über die Hilfsaufrechnungen, ist die Landeskasse berechtigt, die weitere Gerichtsgebühr aus der Differenz nach dem vorläufig festgesetzten Streitwert (§ 63 Abs. 1 GKG) und dem endgültigen Streitwert (§ 63 Abs. 2 GKG) nachzufordern.

Der Beklagte haftete hier nach § 29 Nr. 1 GKG hinsichtlich der Gerichtskosten als Entscheidungsschuldner, da ihm durch die gerichtliche Entscheidung die gesamten Kosten des Verfahrens auferlegt worden waren. Die Kläger wiederum hafteten nach § 22 Abs. 1 S. 1 GKG dem Grunde nach als Antragsschuldner, da sie das Verfahren des Rechtszugs beantragt hatten.

Nach § 31 Abs. 1 GKG haften beide Parteien als Gesamtschuldner. Allerdings gilt B nach § 31 Abs. 2 S. 1 GKG als Erstschuldner. K1 und K2 sind damit nur noch Zweitschuldner. Die Landeskasse muss zunächst den Erstschuldner in Anspruch nehmen. Die Haftung des anderen Kostenschuldners soll nur geltend gemacht werden, wenn die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Erstschuldners erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint.

Dass K1 und K2 für die 3,0-Gerichtsgebühr der Nr. 1210 KV GKG aus dem Wert der Klage haften, war hier unstreitig. Diese Gebühr war bereits mit Klageerhebung von der Landeskasse erhoben und von K1 und K2 bezahlt. Problematisch war, ob K1 und K2 auch auf die weitere Gebührendifferenz aus dem Wert der Hilfsaufrechnung haften, weil sie insoweit als Antragsteller anzusehen waren. Dem Grunde nach ist der Einwand von K1 und K2 beachtlich: Ein Beklagter wird zum Antragsteller, wenn er zu einem eigenständigen Angriff übergeht, indem er etwa eine Widerklage erhebt. Dann haftet nur er für den weiteren Teil der dadurch ausgelösten Gerichtsgebühr, nicht aber auch der Kläger. Die entscheidende Frage war also, ob ein Beklagter durch eine Hilfsaufrechnung einen eigenständigen Angriff vornimmt, der für ihn die Antragstellerhaftung nach § 22 Abs. 1 S. 1 GKG auslöst und diese gleichzeitig für den Kläger ausschließt.

Nach dem OLG Oldenburg (AGS 06, 399) und dem OLG Frankfurt a. M. (JurBüro 83, 891) haftet ein Kläger nicht für die durch eine Hilfsaufrechnung ausgelösten weiteren Gerichtskosten. Sinn des § 22 GKG sei: Wer die Gerichte für die Durchsetzung seiner Rechte in Anspruch nimmt, muss die dadurch entstehenden Kosten tragen. Dies bedeute aber umgekehrt: Er muss nicht für Kosten einstehen, die nicht durch seine Rechtsverfolgung, sondern durch die seines Gegners entstanden sind. Daher habe die durch eine Hilfsaufrechnung entstehenden Mehrkosten allein der Beklagte zu tragen, nicht aber auch der Kläger. Ein Kläger wäre ansonsten im Hinblick auf das Kostenrisiko völlig dem Belieben des Beklagten ausgesetzt. Der Streitwert könnte durch mehrere Hilfsaufrechnungen vervielfacht werden. Dies stelle für den Kläger ein unkalkulierbares Risiko dar, zumal gerade Beklagte in der Nähe zur Insolvenz gelegentlich ein Prozessverhalten an den Tag legen würden, das nicht mehr durchgängig von ökonomischen Erwägungen getragen sei. Die Verteidigung mit zahlreichen untereinander ins Eventualverhältnis gesetzten Hilfsaufrechnungen sei insoweit keine gänzlich untypische Handlungsweise.

Das OLG Düsseldorf sieht dies anders (so bereits AGS 97, 105; ebenso LG Dresden JurBüro 03, 321): Aufrechnungen sind nach allgemeiner Meinung ein bloßes Verteidigungsmittel und stellen keine kostenrechtlich relevanten Anträge dar. Dies gilt auch für die streitwerterhöhende Hilfsaufrechnung, bei der es sich nicht um ein Angriffs-, sondern um ein Verteidigungsmittel handelt (BGH NJW 84, 1964 (1967). Antragsteller des Verfahrens in verfahrensrechtlicher Hinsicht sind damit die Kläger geblieben. Sie haben den Prozess veranlasst und haften daher auch für die durch die Hilfsaufrechnung des Beklagten entstandene höhere Gerichtsgebühr. Eine andere Auslegung würde zu einer Umkehr der Haftung führen und unzulässigerweise das Kostenausfallrisiko der Staatskasse erhöhen. Steht eine Hilfsaufrechnung im Raum, sollte der Anwalt den Kläger über das damit verbundene Kostenrisiko belehren.

AUSGABE: RVGprof 3/2025, S. 42 · ID: 50227380

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