Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe 30.10.2024 abgeschlossen.
Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Nov. 2024 abgeschlossen.
StrafprozessFreispruch: Fahrtkosten werden Angeklagtem erstattet und Rahmengebühr wird nicht gemindert
| Wird ein Angeklagter freigesprochen, kann er Auslagenersatz verlangen. Dazu gehören nach dem LG Karlsruhe seine Reisekosten, auch wenn er von einem anderen Ort als dem seiner Meldeadresse, an dem er geladen worden ist, zur Hauptverhandlung anreist. |
Sachverhalt
Der Angeklagte war vom AG Pforzheim zur Hauptverhandlung beim AG Pforzheim an seiner Meldeadresse in Pforzheim geladen worden. Er reiste dann aber aus Oberösterreich an. Das LG hat die dadurch entstandenen Fahrtkosten nach dem Freispruch des Angeklagten als erstattungsfähig angesehen (LG Karlsruhe 6.12.23, 16 Qs 57/23, Abruf-Nr. 244238).
Relevanz für die Praxis
Ausgangspunkt für die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit ist § 5 Abs. 5 JVEG. Danach werden Mehrkosten zwar nur ersetzt, wenn der Berechtigte zu solchen Fahrten durch besondere Umstände gezwungen gewesen sei. Für Angeklagte ist die Regelung nach Sinn und Zweck sowie dem systematischen Zusammenhang mit der StPO jedoch einschränkend auszulegen: Ein freigesprochener Angeklagter kann Reisekosten von einem anderen Ort als seiner Meldeadresse grundsätzlich selbst dann fordern, wenn er die weitere Anreise nicht zuvor angezeigt hat. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Anwesenheit des Angeklagten entgegen § 230 Abs. 1 StPO ausnahmsweise zur Disposition des erkennenden Gerichts gestanden hätte (ebenso OLG Celle NStZ-RR 13, 62; OLG Dresden JurBüro 98, 269; OLG Schleswig Rechtspfleger 62, 367).
Beachten Sie | Das LG Karlsruhe hat bei der Bemessung der Rahmengebühren über § 14 RVG zudem verneint, dass der Freispruchantrag des Staatsanwalts in der Hauptverhandlung Auswirkungen auf die Höhe der Gebühren hat. Die Rahmengebühr eines Strafverteidigers i. S. d. § 14 Abs. 1 RVG sei nicht zu mindern, wenn die StA in der Hauptverhandlung auf Freispruch plädiere. Die StA stelle ihren Antrag erst am Ende der Hauptverhandlung und dieser binde das erkennende Gericht nicht. Deswegen müsse ein gewissenhafter Strafverteidiger die Hauptverhandlung einschließlich seines eigenen Schlussvortrags mit demselben Aufwand vorbereiten und halten, wie bei jedem anderen Antrag der Staatsanwaltschaft auch.
Diese Sicht trifft zu. Denn würde man bei der Bemessung der Verteidigergebühren auch auf einen in der Hauptverhandlung gestellten Freispruchantrag der StA abstellen, würde man „das Pferd von hinten aufzäumen.“ Der von der StA am Ende des Verfahrens gestellte Antrag sagt nichts über die Schwierigkeit des Verfahrens und den erforderlichen Umfang der Tätigkeiten des Verteidigers aus. Er muss davon ausgehen, dass die StA die Verurteilung beantragen wird, und sich dementsprechend vorbereiten. Dieser Aufwand fällt nicht (nachträglich) dadurch weg, dass die StA einen Freispruch beantragt.
AUSGABE: RVGprof 11/2024, S. 189 · ID: 49855435