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TerminsvertreterUnter diesen Voraussetzungen sind die Kosten eines Terminsvertreters erstattungsfähig
| Beauftragt der Rechtsanwalt im eigenen Namen einen Terminsvertreter für einen auswärtigen Termin, können die hierfür aufgewandten Kosten nicht als Auslagen im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden (BGH RVG prof. 23, 128). Dies hat der BGH jetzt noch einmal bestätigt. |
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt
Im Streitfall hatte der Prozessbevollmächtigte P für die Wahrnehmung eines auswärtigen Termins den Terminsvertreter T beauftragt, allerdings nicht im Namen des Mandanten M, sondern im eigenen Namen. Mit T hatte P ein Pauschalhonorar vereinbart, das er vereinbarungsgemäß dem M als Auslage in Rechnung stellte. M bezahlte diese Kosten und meldete sie anschließend im Kostenfestsetzungsverfahren zur Erstattung an. Die Festsetzungsinstanzen haben diese Kosten jedoch abgelehnt. Die hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde zum BGH hatte keinen Erfolg (26.3.24, VI ZB 58/22, Abruf-Nr. 241540).
Entscheidungsgründe
Der BGH beruft sich auf die vorangegangenen Entscheidungen des VIII. Senats (NJW 23, 2126) und des VIa. Senats (NJW-RR 23, 1286). Er geht – ebenso wie die beiden anderen Senate – davon aus, dass es sich bei den Kosten, die ein Prozessbevollmächtigter an einen von ihm im eigenen Namen beauftragten Terminsvertreter zahlt, nicht um Auslagen i. S. d. Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG i. V. m. § 675 Abs. 1, § 670 BGB handelt. Ein Prozessbevollmächtigter, der die ihn treffende Pflicht zur Wahrnehmung eines Verhandlungstermins einem Terminsvertreter übertrage, handele nicht fremdnützig, wie es der Aufwendungsersatz nach § 670 BGB erfordern würde, sondern zu eigenen geschäftlichen Zwecken.
Relevanz für die Praxis
Wird ein Terminsvertreter beauftragt, kommen zwei Möglichkeiten in Betracht:
- Der Terminsvertreter kann im Namen des Mandanten beauftragt werden. Dann rechnet der Terminsvertreter nach den gesetzlichen Vorschriften des RVG mit dem Mandanten ab (Nr. 3401 ff. VV RVG).
- Der Terminsvertreter kann vom Prozessbevollmächtigen im eigenen Namen beauftragt werden. Dann rechnet der Terminsvertreter mit dem Prozessbevollmächtigten ab. Diese Vergütung richtet sich nicht nach dem RVG, sondern kann frei vereinbart werden (BGH NJW 01, 753). Ein Anspruch des Terminsvertreters gegen den Mandanten entsteht bei dieser Konstellation nicht.
Wird der Terminsvertreter im Namen der Partei beauftragt (was gemäß § 81 ZPO im Übrigen auch durch den Prozessbevollmächtigten geschehen kann), schließt die Partei zwei Anwaltsverträge:
- Zum einen schließt sie einen Anwaltsvertrag mit dem Hauptbevollmächtigten. Hier richtet sich die Vergütung nach den Nrn. 3100 ff. VV RVG.
- Hinzu kommt ein zweiter Anwaltsvertrag mit dem Terminsvertreter. Hier richtet sich die Vergütung nach den Nrn. 3401 ff. VV RVG.
Untereinander vereinbaren die Anwälte dann in der Regel eine Teilung aller anfallenden Gebühren.
Beispiel | |
Die Partei M wohnt in Köln. Für die Klage vor dem LG München I (Streitwert: 10.000 EUR) wird neben dem in Köln niedergelassenen Prozessbevollmächtigten P im Namen des M der dort ansässige Rechtsanwalt T als Terminsvertreter beauftragt. T nimmt an dem Termin teil. | |
Abzurechnen ist wie folgt: | |
I. Prozessbevollmächtigter P (Wert: 10.000 EUR) | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG | 798,20 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 155,46 EUR |
973,66 EUR | |
II. Terminsvertreter T (Wert: 10.000 EUR) | |
0,65-Verfahrensgebühr, Nrn. 3401, 3100 VV RVG | 399,10 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nrn. 3402, 3104 VV RVG | 736,80 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 219,62 EUR |
1.375,52 EUR | |
III. Gesamtsumme | 2.349,18 EUR |
Mehrkosten des Terminsvertreters < fiktive Reisekosten des Bevollmächtigten | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG | 798,20 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nrn. 3402, 3104 VV RVG | 736,80 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
Fahrtkosten Pkw, Nr. 7003 VV RVG: 2 x 573 km x 0,42 EUR/km | 481,31 EUR |
Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 3 VV RVG | 80,00 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 402,10 EUR |
2.518,41 EUR | |
Die Mehrkosten des Terminsvertreters wären also günstiger als die fiktiven Reisekosten des Prozessbevollmächtigten und damit erstattungsfähig. |
Lange Zeit war es Praxis, dass der Prozessbevollmächtigte den Terminsvertreter nicht im Namen der Partei, sondern in eigenem Namen beauftragte, um höhere Kosten zu vermeiden. Dies hatte den Vorteil, dass mit dem Terminsvertreter ein geringeres Pauschalhonorar vereinbart werden konnte. Somit waren die Gesamtkosten letztlich geringer als bei Beauftragung eines Terminsvertreters im Namen der Partei.
Abwandlung | |
Im obigen Beispiel beauftragt P den T im eigenen Namen und vereinbart mit ihm ein Honorar für die Terminsvertretung in Höhe von 400 EUR netto. Nach Abschluss des Termins rechnet T mit P diese 400 EUR ab, die der P aus eigener Tasche an T zahlt: | |
Pauschalhonorar | 400,00 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 76,00 EUR |
476,00 EUR | |
Nunmehr rechnet P mit M ab. P hat zunächst wieder die Verfahrensgebühr verdient. Auch die Terminsgebühr entsteht jetzt über § 5 RVG unmittelbar bei P, da der T den Termin für P wahrgenommen hat. Das von P an T gezahlte Honorar rechnet P gegenüber dem M als Auslage ab. Dies ergibt folgende Abrechnung: |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG | 798,20 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG | 736,80 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
Auslagen Terminsvertreter | 400,00 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 371,45 EUR |
2.326,45 EUR | |
Hier sind an sich die wenigsten Kosten entstanden |
Die ganz überwiegende Instanzrechtsprechung hatte daher früher die Kosten des im Namen des Anwalts beauftragen Terminsvertreters als erstattungsfähig angesehen.
Auch in der Prozess- und Verfahrenskostenhilfe war dieses Vorgehen seit über 30 Jahren gängige Praxis (vgl. OLG Schleswig JurBüro 85, 247; OLG Hamm AGS 14, 194).
Der BGH hat nun aber in drei Entscheidungen erklärt, dass es sich bei den Kosten, die der Prozessbevollmächtigte für den Terminsvertreter im eigenen Namen aufwendet, nicht um Auslagen i. S. d. Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG, § 675 Abs. 1, § 670 BGB handelt, sondern um allgemeine Geschäftskosten. Diese seien nach der Vorbem. 7 Abs. 1 S. 1 VV RVG bereits mit den Gebühren abgegolten.
Die Annahme einer Auslage hat der BGH mit der Begründung abgelehnt, es handele sich bei den Kosten, die der Prozessbevollmächtigte an den Terminsvertreter zahle, um eigennützige Kosten. Dabei verkennt der BGH allerdings, dass der Anwalt den Terminsvertreter nicht beauftragt, um die Terminsgebühr zu verdienen. Der Anwalt beauftragt den Terminsvertreter vielmehr, um für die Partei die höheren Kosten einer Reise des Prozessbevollmächtigten bzw. die Kosten eines vom Mandanten beauftragten Terminsvertreters zu vermeiden (s. o.). Die Begründung des BGH überzeugt daher nicht und wird auch nach wie vor von vielen Instanzgerichten abgelehnt.
Der BGH vermag auch nicht zu erklären, wo der Unterschied zu den PKH-Fällen liegen soll, für die es seit über 30 Jahren gefestigte Rechtsprechung ist, dass es sich um Auslagen handelt. Hier wird in allen drei Entscheidungen des BGH lapidar ausgeführt, im Rahmen der PKH und VKH gelte etwas anderes. Das ist aber unzutreffend, zumal nicht erklärt wird, was denn dort anderes gelten soll.
Ob bestimmte Kosten Auslagen i. S. d. Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG i. V. m. § 675 Abs. 1, § 670 BGB sind oder nicht, ist eine Frage des RVG und hängt nicht davon ab, ob dem Auftraggeber PKH oder VKH bewilligt worden ist. Die Konsequenz, die der BGH nicht sieht oder nicht sehen will, wäre ja die, dass die Kosten eines Terminsvertreters für den beigeordneten Anwalt Auslagen sind. In dem Moment, in dem die Beiordnung aufgehoben wird, wären sie plötzlich keine Auslagen mehr. Allein durch die Aufhebung des PKH-Beschlusses würde sich also eine Auslage in eine Nichtauslage umwandeln.
Die Rechtsprechung des BGH widerspricht auch allen Kostenerstattungsgrundsätzen: Eine Partei, die Kosten verringert, wird bestraft. Eine Partei, die höhere Kosten verursacht, wird belohnt.
Praxistipp | Ihnen als Anwalt wird allerdings angesichts der gefestigten BGH-Rechtsprechung nun nichts anderes übrig bleiben, als sich von der früheren Beauftragungs- und Abrechnungspraxis zu verabschieden und nun wieder zur Beauftragung des Terminsvertreters im Namen der Partei überzugehen. Dann entstehen zwar höhere Kosten. Diese sind aber im Obsiegensfall erstattungsfähig. Sie sollten bei allem darauf achten, dass Sie nicht die übliche hälftige Gebührenteilung, sondern mit dem Terminsvertreter eine Quote vereinbaren, die deutlich höher zu Ihren Gunsten ausfällt (vgl. hierzu N. Schneider, RVG prof. 23, 159). Dies ist zulässig. Denn das Gesetz schreibt nicht vor, wie die Quote der Gebührenteilung ausfallen muss. Die Quote muss lediglich in einem angemessenen Verhältnis stehen, das den Leistungen, der Verantwortlichkeit und dem Haftungsrisiko entspricht (§ 49b Abs. 3 S. 5 BRAO). |
Beachten Sie | Abzuwarten bleibt, ob sich die Rechtsprechung in der PKH und VKH ebenfalls am BGH orientiert und eine Auslagenerstattung zukünftig ablehnt, wenn der Anwalt den Terminsvertreter in eigenem Namen beauftragt, oder ob hier alles beim Alten bleibt.
- Terminsvertreter sollte vom Mandanten selbst oder im Namen des Mandanten beauftragt werden, RVG prof. 23, 128
- Der Terminsvertreter ist tot, es lebe der Terminsvertreter, RVG prof. 23, 159
AUSGABE: RVGprof 8/2024, S. 133 · ID: 50083941