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TerminsgebührBei VU über Hauptforderung und Erörterung der Nebenforderung gibt es nur die 0,5-Terminsgebühr

Top-BeitragAbo-Inhalt28.07.20246 Min. LesedauerVon RA Norbert Schneider, Neunkirchen

| Wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei Säumnis des Beklagten im Termin mit dem Gericht ausschließlich eine Nebenforderung (hier: Anspruch auf Verzugszinsen) erörtert und daraufhin die Klage hinsichtlich der Nebenforderung teilweise zurücknimmt, entsteht aus dem Wert der Hauptforderung keine 1,2-, sondern eine 0,5-Terminsgebühr. |

1. Das ist die Fallkonstellation

Dies hat das OLG Hamburg in einem „Sonderfall“ entschieden, der in der erstinstanzlichen Tätigkeit bei AG und LG häufig vorkommt (4.3.24, 4 W 20/24, Abruf-Nr. 242648). Auch das OLG Köln meint (AGS 06, 224): Der Klägervertreter erhält für den erörterten Zinsanspruch eine 1,2-Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG und eine 0,5-Terminsgebühr nach dem Wert der Hauptsache, wenn in dem Termin zur mündlichen Verhandlung der Beklagte nicht erschienen und nicht ordnungsgemäß vertreten ist und der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit dem Gericht einen Teil der Zinsforderung erörtert. Der Klägervertreter muss hier nach Rücknahme eines Teils des Zinsanspruchs einen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils stellen.

Beachten Sie | Das OLG Hamburg hat erfreulicherweise die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Klarstellung der Reichweite der Kostenreduzierung nach Nr. 3105 VV RVG erfordert insoweit eine Entscheidung des BGH.

2. Grundsatzproblematik ist die Teilerörterung

Der Kern des Problems liegt letztlich nicht darin begründet, dass hier nur über eine Nebenforderung erörtert worden ist, sondern darin, ob das Erörtern über einen Teil des Streitgegenstands die Ermäßigung insgesamt ausschließt.

Beispiel 1

Im Termin zur mündlichen Verhandlung erscheint der Beklagte nicht. Er ist auch nicht anwaltlich vertreten. Das Gericht weist den Anwalt des Klägers darauf hin, dass der Klageantrag zu 1) über 4.000 EUR schlüssig und der Klageantrag zu 2) über 6.000 EUR nicht schlüssig sei. Durch die Erörterung lässt sich das Gericht jedoch überzeugen und erlässt ein Versäumnisurteil über die Gesamtforderung von 10.000 EUR.
Lösung

Aus dem Teilwert von 4.000 EUR ist nur die 0,5-Terminsgebühr nach den Nrn. 3104, 3105 VV RVG angefallen – insoweit ist lediglich ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt worden (ausführlich N. Schneider, Sonderausgabe von RVG prof., iww.de/rvgprof, Abruf-Nr. 49956806). Aus dem weiteren Teilwert von 6.000 EUR ist die 1,2-Terminsgebühr entstanden – insoweit ist vor Erlass des Versäumnisurteils erörtert worden. Zu beachten ist § 15 Abs. 3 RVG.

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG
(Wert: 10.000 EUR)
798,20 EUR
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG
(Wert: 6.000 EUR)
468,00 EUR
0,5-Terminsgebühr, Nrn. 3104, 3105 VV RVG
(Wert: 4.000 EUR)
139,00 EUR
607,00 EUR
§ 15 Abs. 3 RVG: nicht mehr als 1,2 aus 10.000 EUR
736,80 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG
20,00 EUR
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG
270,79 EUR
1.695,99 EUR

Beachten Sie | Nach anderer Auffassung soll eine volle 1,2-Terminsgebühr aus dem Gesamtwert abgerechnet werden (vgl. ArbG Siegburg AGS 10, 479; Schons, in Anm. zu Anm. zu OLG Köln AGS 06, 224). Denn jegliche Erörterung, und sei es auch nur über eine Nebenforderung, schließe die Anwendung der Nr. 3105 VV RVG aus. Unterschiede zwischen den beiden Auffassungen ergeben sich allerdings nur, wenn § 15 Abs. 3 RVG – wie hier – nicht greift, weil die Summe der Einzelgebühren unter dem Betrag einer Gebühr nach dem Höchstsatz aus dem Gesamtwert liegt.

3. Bereits Klagerücknahme führt zur vollen Terminsgebühr

Soweit die Parteien im Falle einer Klagerücknahme darüber streiten, ob über die Zinsen erörtert worden ist, ist dieser Streit unerheblich. Denn eine Klagerücknahme im Termin löst immer die volle 1,2-Terminsgebühr aus (vgl. LAG Baden-Württemberg AGS 10, 528; KG RVGreport 06, 149). Daher entsteht schon allein durch die Rücknahme der Klage hinsichtlich der Zinsen die volle Terminsgebühr aus dem Wert der Zinsen.

4. Weitere Mischfälle

Solche Mischfälle ergeben sich auch in den folgenden Konstellationen:

Beispiel 2: Teilweiser Einspruch

Gegen den Beklagten ergeht im schriftlichen Vorverfahren ein Versäumnisurteil in Höhe von 8.000 EUR. Der Beklagte legt hiergegen Einspruch ein, soweit er zu mehr als 2.000 EUR verurteilt worden ist.
Lösung
Wird gegen ein Versäumnisurteil nur teilweise Einspruch eingelegt und hierüber verhandelt, ist zunächst aus dem Gesamtwert die 0,5-Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. zu Nr. 3104, Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3105 VV RVG angefallen. Aus dem Teilwert des Einspruchs erhöht sich die Terminsgebühr auf 1,2, sodass zwei verschiedene Gebühren zu berechnen sind. Insgesamt darf der Anwalt jedoch wiederum nicht mehr abrechnen als eine 1,2-Gebühr aus dem Gesamtwert (§ 15 Abs. 3 RVG). Das bedeutet also hier:
Für den Anwalt des Klägers entsteht die Terminsgebühr zunächst in Höhe von 0,5 aus 8.000 EUR. Durch die Verhandlung erhöht sie sich auf 1,2 aus dem Teilwert von 6.000 EUR, während es bei 0,5 aus den 2.000 EUR bleibt. Zu beachten ist zudem § 15 Abs. 3 RVG.
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG
(Wert: 8.000 EUR)
652,60 EUR
0,5-Terminsgebühr, Nrn. 3104, 3105 VV RVG
(Wert: 2.000 EUR)
83,00 EUR
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG
(Wert: 6.000 EUR)
468,00 EUR
551,00 EUR
§ 15 Abs. 3 RVG: nicht mehr als 1,2 aus 8.000 EUR
602,40 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG
20,00 EUR
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG
232,48 EUR
1.456,08 EUR

Beachten Sie | Auch der umgekehrte Fall ist möglich: Zunächst entsteht nur eine 1,2-Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) und aus einem weiteren Teilwert dann noch eine 0,5-Terminsgebühr nach den Nrn. 3104, 3105 VV RVG. Es ist die Grenze des § 15 Abs. 3 RVG zu beachten.

Beispiel 3: Klageerweiterung
Der Anwalt reicht für seinen Mandanten Klage in Höhe von 10.000 EUR ein, über die verhandelt wird. Es wird dann ein neuer Termin anberaumt. Zu diesem Termin wird die Klage um 5.000 EUR erweitert. In dem erneuten Termin ergeht ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten über die Gesamtforderung.
Lösung
Für den Anwalt des Klägers ist die Terminsgebühr zunächst in Höhe von 1,2 aus 10.000 EUR entstanden. Für das Versäumnisurteil aus der Klageerweiterung erhält der Anwalt zusätzlich noch eine 0,5-Terminsgebühr nach Nrn. 3104, 3105 VV RVG. Zu beachten ist § 15 Abs. 3 RVG.
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG
(Wert: 15.000 EUR)
933,40 EUR
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG
(Wert: 10.000 EUR)
736,80 EUR
0,5-Terminsgebühr, Nrn. 3104, 3105 VV RVG
(Wert: 5.000 EUR)
167,00 EUR
903,80 EUR
gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,2 aus 15.000 EUR
861,60 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV
20,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV
344,85 EUR
2.159,85 EUR

5. Praxisfall

Wie bei Säumnis und Erörterung nur einer Nebenforderung – also bei der im Ausgangsfall gegebenen Konstellation – abzurechnen ist, verdeutlicht das folgende Beispiel:

Beispiel 4
Im Termin zur mündlichen Verhandlung weist das Gericht darauf hin, dass die Klage in Höhe von 10.000 EUR zwar schlüssig sei, nicht jedoch der Zinsantrag (Gegenstandswert 500 EUR). Nach Erörterung wird der Zinsantrag zurückgenommen. Im Übrigen beantragt der Kläger, ein Versäumnisurteil zu erlassen.
Lösung
Die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG fällt nur aus dem Wert der Hauptsache an (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG i. V. m. § 43 Abs. 1 GKG).
Aus dem Wert der Hauptsache (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG i. V. m. § 43 Abs. 1 GKG) fällt auch die 0,5-Terminsgebühr an, da hinsichtlich der Hauptsache bei Säumnis des Gegners nur ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt worden ist.
Aus dem Wert der Zinsen (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG; § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO) ist dagegen die volle 1,2-Terminsgebühr angefallen. Denn hierüber ist erörtert worden und eine Klagerücknahme im Termin löst immer die volle 1,2-Terminsgebühr aus.
Dass die Erörterung und die Rücknahme nur eine Nebenforderung betraf, ist unerheblich. § 43 Abs. 1 GKG stellt lediglich ein Additionsverbot dar, aber kein Bewertungsverbot. Die Nebenforderungen werden also nicht zum Wert der Hauptforderung hinzugerechnet. Sind sie jedoch Gegenstand einer eigenen Gebühr, ist ihr Wert maßgebend.
Insgesamt darf nicht mehr verlangt werden als eine Terminsgebühr nach dem höchsten Satz, also 1,2 aus dem Gesamtwert (§ 15 Abs. 3 RVG). Beim Gesamtwert ist wiederum die Begrenzung des § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i. V. m. § 43 Abs. 1 GKG zu beachten: Insoweit besteht ein Additionsverbot und die Zinsen dürfen nicht der Hauptforderung hinzugerechnet werden. Der Gesamtwert beträgt lediglich 10.000 EUR. Abzurechnen ist danach wie folgt:
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG
(Wert: 10.000 EUR)
798,20 EUR
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG
(Wert: 500 EUR)
58,80 EUR
0,5-Terminsgebühr, Nrn. 3104, 3105 VV RVG
(Wert: 10.000 EUR)
307,00 EUR
365,80 EUR
§ 15 Abs. 3 RVG: nicht mehr als 1,2 aus 10.000 EUR
736,80 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG
20,00 EUR
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG
224,96 EUR
1.408,96 EUR

AUSGABE: RVGprof 8/2024, S. 141 · ID: 49991913

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