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WegeunfallBesuch beim Physiotherapeuten fällt nicht unter den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz

Abo-Inhalt11.03.20254 Min. LesedauerVon RA Michael Röcken, Bonn, ra-roecken.de

| Wenn ein Patient auf dem Weg zu einer ambulanten physiotherapeutischen Behandlung einen Unfall erleidet, stellt sich die Frage, ob dies ein Arbeitsunfall sein kann. Denn dann würde der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) greifen. Voraussetzung wäre hier, dass eine auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung (teil-)stationäre Behandlung bzw. ambulante Leistung zur medizinischen Rehabilitation vorlag (§ 2 Nr. 15a Sozialgesetzbuch [SGB] VII). Eine Physiotherapie, in der eine Verletzung behandelt wird, die nicht von einem Arbeitsunfall herrührt, genügt dieser Anforderung nicht (Thüringer Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 25.01.2024, Az. L 1 U 365/22). |

Unfall auf dem Weg zur Physiopraxis – Patient fordert Leistungen der DGUV ...

Der Patient war bei einer Physiotherapeutin wegen einer Verletzung an der Schulter in Behandlung. Diese Verletzung war jedoch keine Folge eines Arbeitsunfalls. Kostenträger der Behandlung war hier die Krankenkasse. Auf dem Weg zu einem Behandlungstermin erlitt der Patient einen schweren Motorradunfall. Die DGUV lehnte jedoch die Feststellung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Die verordnete ambulante Krankengymnastik war keine interdisziplinäre, komplexe und ganzheitlich ausgerichtete Rehabilitationsmaßnahme, sondern eine isolierte, kurative (heilende) Behandlung. Dies sei als ergänzende Leistung zur medizinischen Rehabilitation anzusehen.

Dagegen klagte der Patient. Er trug vor Gericht vor, dass es nicht ausschließlich darauf ankomme, wie die konkrete Leistung zu bezeichnen sei. Vielmehr komme es auf den Sinn und Zweck der Vorschrift und die Intention des Gesetzgebers an. Der Versicherte solle gegen die besonderen Risiken geschützt werden, die sich aus der Entgegennahme der Behandlung bzw. dem Verweilen in fremder Umgebung ergäben und denen er bei im Normalfall anzutreffenden häuslichen Gegebenheiten nicht begegnet wäre.

... aber das LSG verneint den Versicherungsschutz

Wie schon die Vorinstanz (Sozialgericht Nordhausen, Urteil vom 20.01.2022, Az. S 10 U 360/19) wies auch das LSG Thüringen die Klage ab. Ein Arbeitsunfall läge hier nicht vor. Ein solcher setze voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und damit Versicherter der DGUV ist.

Merke | Grundsätzlich muss die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der gemäß 2 Abs. 1 SGB VII versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein; es muss ein innerer oder sachlicher Zusammenhang bestehen.

Weiter müsse die Verrichtung zu einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt haben (Unfallkausalität) und das Unfallereignis muss dadurch einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).

Hier befand sich der Kläger auf dem Weg zur Inanspruchnahme einer ärztlich verordneten ambulanten physiotherapeutischen Behandlung. Diese Leistung zählt jedoch nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII genannten Leistungen. Diese Leistungen hätte durch eine besondere Rehabilitationseinrichtung i. S. d. § 107 Abs. 2 SGB V erbracht werden müssen. Das sei bei einer Physiotherapeutenpraxis nicht der Fall.

So grenzte das LSG den Versicherungsschutz ab

Entscheidend war jedoch die Abgrenzung dieser „ambulanten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation“ von den allgemeinen „ambulanten Behandlungen“. Letztere werden von dem Schutz der DGUV nicht umfasst. Hier verwies das Gericht auf die Regelung § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Da danach auch ambulante Rehabilitationsleistungen generell in „Rehabilitationseinrichtungen“ erbracht werden, gilt, dass der Inhalt der medizinischen Leistungen auf der Grundlage eines ganzheitlich orientierten, komplexen und individuellen, unter ärztlicher Verantwortung und Mitwirkung des Reha-Teams erstellten Konzepts zu erfolgen hat. Dieses Konzept umfasse sämtliche Hilfen, die

  • der rehabilitationsspezifischen Diagnostik,
  • der Verbesserung oder Stabilisierung des – häufig durch Krankenbehandlung bereits erreichten – Zustands der Behinderung und
  • der Aktivierung oder Modifizierung von Selbstheilungs- und -hilfekräften bzw. Eigenmotivation (Hilfe zur Selbsthilfe) dienen.

Diese Kriterien erfüllt eine physiotherapeutische Praxis nicht. Bei der dem Kläger verordneten Physiotherapie handelte es sich nicht um eine solche Komplexleistung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Dem Kläger wurde „nur“ wiederholt Physiotherapie verordnet. Ein weiteres Konzept war für das Gericht nicht ersichtlich oder durch den Kläger vorgetragen worden. Es handelte sich daher um eine (ambulante) Krankenbehandlung, zu der auch die Versorgung mit Physiotherapie gehört und die nicht vom Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII erfasst wird.

Merke | Leider wurde hier die Revision zum Bundessozialgericht nicht zugelassen. Daher kann sich das höchste deutsche Sozialgericht nicht mit der Frage befassen, wo grundsätzlich die Grenze zwischen allgemeiner ambulanter Behandlung und ambulanter Leistung zur medizinischen Rehabilitation i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 15 Buchst. a SGB VII verläuft.
Weiterführende Hinweise
  • Unfall auf dem Heimweg vom IRENA-Sport ist kein Arbeitsunfall (PP 03/2024, Seite 1, Abruf-Nr. 49922148)
  • Arbeitsunfall in der Unfallversicherung - Rechtsprechungsübersicht (Stand: Juni 2024), Download unter Abruf-Nr. 49332951

AUSGABE: PP 4/2025, S. 6 · ID: 50336379

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