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Arbeitsrecht14 typische Arbeitnehmer- und Arbeitgeberfragen im Check

Abo-Inhalt26.02.20258 Min. LesedauerVon Dr. Guido Mareck, Direktor Arbeitsgericht Dortmund

1. Kein Lohn ohne Arbeit: Gilt das immer?

Es gilt der Grundsatz „Der Arbeitnehmer erhält keine Vergütung, wenn er zu der festgesetzten Arbeitszeit nicht arbeitet“. Von diesem Prinzip gibt es aber viele Ausnahmen. Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Freistellung von der Arbeitspflicht kann sich ergeben

  • aus einzelnen gesetzlichen Vorschriften,
  • aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen (arbeitsrechtlicher Grundsatz der Gleichbehandlung bzw. allgemeine Rechtsinstitute wie die betriebliche Übung).

Der Arbeitnehmer hat bei einer persönlichen Arbeitsverhinderung Anspruch auf bezahlte Freistellung, wenn er unverschuldet für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Arbeitsleistung verhindert ist (§ 616 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]).

Praxistipp | Ein Anspruch besteht bei
  • der eigenen Hochzeit sowie der Hochzeit der Kinder.
  • der goldenen Hochzeit der Eltern.
  • der Niederkunft der Ehefrau, nicht bei Niederkunft der nicht verheirateten Lebensgefährtin.
  • Todesfällen im engsten Familienkreis.
  • gegebenenfalls auch bei Umzug des Arbeitnehmers, allerdings nur unter ganz besonderen Umständen, zum Beispiel: wenn der Umzug betrieblich veranlasst ist oder es dem Arbeitnehmer nicht möglich bzw. zumutbar ist, den Umzug in seiner Freizeit durchzuführen.
  • anderen familiären Ereignissen, wie zum Beispiel Geburtstage, Hochzeiten, Taufe oder sonstige religiöse Feste können die Voraussetzungen des Freistellungsanspruchs erfüllen, sofern es für den Arbeitnehmer unverzichtbar ist, anwesend zu sein. Hier müssen die Umstände des konkreten Einzelfalls abgewogen werden.
  • der Ausübung eines öffentlichen Ehrenamtes, zum Beispiel bei der Tätigkeit als Schöffe bei Gericht.

2. Was gilt bei Krankheit und an Feiertagen?

Beim Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung bei Krankheit gilt: Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bis zu einer Dauer von sechs Wochen nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Bei Entgeltfortzahlung an Feiertagen ist entscheidend: Heiligabend und Silvester sind keine gesetzlichen Feiertage, sondern arbeitsrechtlich „normale” Werktage. Damit besteht grundsätzlich kein Vergütungsanspruch, wenn an diesen Tagen nicht gearbeitet wird, es sei denn, eine völlige oder teilweise Vergütung wurde vereinbart oder die Vergütung wurde aufgrund dreimaliger vorbehaltloser Zahlung zur betrieblichen Übung.

3. Ist eine Gehaltsminderung bei Schlechtleistung möglich?

Nein, nicht immer. Weil ein Arbeitnehmer angeblich im Homeoffice zu wenig leistete, forderte der Arbeitgeber von ihm die teilweise Rückzahlung des Lohns. Zu Unrecht, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 28.09.2023, Az. 5 Sa 15/23, Abruf-Nr. 237880). Der Arbeitgeber habe nicht darlegen können, inwieweit der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht nicht erfüllt habe.

Praxistipp | Es gibt unterschiedliche Gründe für Gehaltskürzungen:
  • Gehaltskürzungen bei schlechten Leistungen
  • Gehaltskürzung im Krankheitsfall
  • Gehaltskürzungen bei selbst verschuldeten Unfällen
  • Gehaltskürzungen bei unentschuldigtem Fehlen
  • Gehaltskürzungen als Ausgleich von Minusstunden
  • Gehaltskürzungen bei Fehlern und Schäden
  • Gehaltskürzungen nach zu hohen Lohnzahlungen
  • Gehaltskürzungen in einer Krise

4. Gibt es arbeitsvertragliche, gesetzliche Regelungen bzgl. Dauer und Lage der Mehrarbeit?

Als Ankündigungsfrist bei Mehrarbeit gilt analog § 12 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), d. h. vier Tage im Voraus. Auch hier gelten die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes. Zudem muss die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Nr. 2 und 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bei kollektiven Maßnahmen und Anordnungen der Mehrarbeit beachtet werden. Es ist zu empfehlen, eine Regelung über eine Betriebsvereinbarung auch ohne Geltendmachung des Initiativrechts durch den Betriebsrat (zwingende Mitbestimmung) zu erreichen. Für niedergelassene Physiotherapeuten dürfte die letztere Vorgabe kaum relevant sein. Wohl aber für Therapeuten, die in größeren Behandlungseinrichtungen wie z. B. Krankenhäusern tätig sind.

5. Gibt es Mindesturlaub auch für geringfügig Beschäftigte?

Der Anspruch auf Mindesturlaub nach §§ 3, 13 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ist unabhängig von Dauer, Stundenzahl oder Geringfügigkeit der Beschäftigung zwingend. Aber es gilt: 24 Urlaubstage nur bei einer 6-Tage-Woche. Bei weniger Arbeitstagen verkürzt sich der Anspruch nach der Formel „24 : 6 x Anzahl der Wochenarbeitstage“. Die Vereinbarung höherer Urlaubsansprüche ist im Arbeits- (oder Tarif-)Vertrag ohne Weiteres zulässig und in der Praxis üblich (zum Beispiel 30 Urlaubstage bei einer 5-Tage-Woche).

6. Haben Minijobber auch Anspruch auf Miniurlaub?

Der gesetzliche Urlaubsanspruch von Minijobbern hängt von der Zahl ihrer Arbeitstage pro Woche ab (unabhängig von der Zahl der Arbeitsstunden!). Die Formel dafür lautet, wie die Minijob-Zentrale ausführt: Anzahl der Arbeitstage pro Woche x 24 : 6. Das bedeutet zum Beispiel:

  • Bei einer 6-Tage-Woche beläuft sich dieser Anspruch auf mindestens 24 Werktage pro Jahr.
  • Bei einer 5-Tage-Woche haben Minijobber gemäß § 3 BUrlG Anspruch auf 20 Urlaubstage im Jahr.
  • Bei einer 4-Tage-Woche sind es 16 Tage Urlaub.
  • Bei einer 3-Tage-Woche besteht ein Anspruch auf 12 Urlaubstage.
  • Bei einer 2-Tage-Woche sind es 8 Tage Urlaub.
  • Bei einer 1-Tag-Woche gibt es 4 Tage Urlaub.

7. Wann ist der Beweiswert der AUB erschüttert?

Ein Arbeitnehmer kommt seiner sekundären Darlegungslast für das Bestehen einer Krankheit nicht durch Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) nach, wenn deren Beweiswert erschüttert ist. Ist dieser erschüttert, ist weiterer Vortrag zu den tatsächlichen Umständen erforderlich, die für das Vorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit sprechen. Zu diesem Ergebnis kam das LAG Niedersachsen (Urteil vom 08.07.2024, Az. 15 SLa 127/24, Abruf-Nr. 243466). Der Arbeitnehmerin (Sekretärin in einer Schule) wurde zu Schuljahresbeginn mitgeteilt, dass für den 06.07.2023 eine Urlaubssperre bestehen würde. Trotzdem beantragte die Frau für diesen Tag erfolglos Urlaub. Am 05.07. erkrankte sie und wurde bis zum 07.07.2023 mit ärztlichem Attest krankgeschrieben. Sie nahm aber am 06.07. an einem Trainer-Lizenz-Lehrgang der Landesturnschule teil. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos.

Die Kündigungsschutzklage gegen die fristlose Kündigung scheiterte. Zwar sei denkbar, dass krankheitsbedingte Ursachen zur Arbeitsunfähigkeit geführt, die Arbeitnehmer aber nicht daran gehindert hätten, am Lehrgang teilzunehmen. Auch habe die Arbeitnehmerin nicht bestritten, dass sie von der Urlaubssperre gewusst habe. Dieses Verhalten und das zeitliche Zusammentreffen mit der „spontanen“ Erkrankung würden aber Zweifel an der Richtigkeit der AUB begründen, verstärkt durch die Teilnahme am Lehrgang trotz „Erkrankung“.

8. Was bedeutet passgenaues Einreichen der AUB?

Der Beweiswert von AUB ist regelmäßig erschüttert, wenn ein Arbeitnehmer unmittelbar nach einer Eigen- oder Arbeitgeberkündigung Bescheinigungen einreicht, die passgenau die noch verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses abdecken. Zu diesem Ergebnis kam das LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 07.05.2024, Az. 5 Sa 98/23, Abruf-Nr. 242717). Ist der Beweiswert der AUB erschüttert, muss der Arbeitnehmer darlegen und gegebenenfalls beweisen, welche konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit welchen Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit bestanden haben und welche Verhaltensmaßregeln oder Medikamente ärztlich verordnet wurden. Dabei kann es von Bedeutung sein, ob und gegebenenfalls welche Vorerkrankungen vorhanden sind und in welchem Umfang ärztliche Anordnungen von dem Arbeitnehmer befolgt werden.

Der Beweiswert einer Folge-AUB kann erschüttert sein, wenn der arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung eine oder mehrere Folgebescheinigungen vorlegt, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfassen, und er unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufnimmt (Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 13.12.2023, Az. 5 AZR 137/23, PP 04/2024, Seite 7 f.).

Bereits vor Jahren kam das BAG (Urteil vom 08.09.2021, At, 5 AZR 149/21) zum Ergebnis, dass der Beweiswert der AUB durch den Arbeitgeber erschüttert werden könne, wenn er tatsächliche Umstände darlege und beweise, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Gelinge dies dem Arbeitgeber, dann müsse der Arbeitnehmer substanziiert darlegen und beweisen, dass er tatsächlich arbeitsunfähig gewesen sei. Ein solcher Beweis könne z. B. durch Vernehmung des behandelnden Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht erfolgen.

9. Wie lange kann der Arbeitgeber abmahnen?

Eine gesetzliche Regelfrist, nach der das Recht des Arbeitgebers, für Pflichtverletzungen eine Abmahnung zu erteilen, verwirkt, existiert nicht. Wie jedes Recht ist auch dieses hingegen der allgemeinen Schranke der Verwirkung unterworfen. Hierüber kann frühestens nach einem halben Jahr ernsthaft nachgedacht werden, sofern auch kein Interesse des Arbeitgebers ersichtlich ist, für Jahre zurückliegende Pflichtverletzungen eine Abmahnung zu erteilen.

10. Was bedeuten die drei Funktionen der Abmahnung?

Die Abmahnung muss im Wesentlichen drei Funktionen erfüllen, nämlich die

  • Dokumentationsfunktion
  • Hinweisfunktion
  • Warn- oder Rügefunktion

Hieraus ergibt sich, dass eine konkrete Verhaltenspflichtverletzung so genau dokumentiert werden muss, dass sie in vollem Umfang aus der Abmahnung selbst für den Arbeitnehmer und Dritte (BR) ersichtlich sein muss. Gleiches gilt für das vom Arbeitnehmer verlangte pflichtgemäße Verhalten. Darüber hinaus muss die Abmahnung konkrete Konsequenzen (Kündigung) für den Fall der Fortsetzung des gerügten Verhaltens enthalten.

11. Muss der Arbeitgeber schriftlich abmahnen?

Bei der Abmahnung gilt: Die Abmahnung ist als von der Rechtsprechung entwickeltes Rechtsinstitut grundsätzlich nicht formbedürftig. Aber: Da das mündliche Wort flüchtig ist und an eine wirksame Abmahnung hohe Anforderungen zu stellen sind, empfiehlt sich für den Arbeitgeber schon aus Dokumentations- und Beweissicherungsgründen, die Abmahnung in Schrift- oder Textform zu erteilen. Eine mündliche Abmahnung muss im Arbeitsgerichtsprozess konkret dargelegt und unter (Zeugen-)Beweis gestellt werden, was in der arbeitsgerichtlichen Praxis so gut wie nie gelingt.

12. Was ist der Unterschied zwischen Probe- und Wartezeit?

Auch wenn die Verwendung oft undifferenziert vorgenommen wird, bestehen zwischen Probe- und Wartezeit i. e. S. entscheidende Unterschiede:

  • Wartezeit ist in Betrieben, die dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) unterfallen, die Zeit der ersten sechs Monate nach § 1 Abs. 1 KSchG, in der das KSchG noch nicht anwendbar ist.
  • Eine Probezeit nach § 622 Abs. 3 BGB muss zwischen den Parteien vereinbart werden und darf ebenfalls die Dauer von sechs Monaten nicht überschreiten. Während einer solchen Probezeit gilt eine gegenüber § 622 Abs. 1 und 2 BGB verkürzte Kündigungsfrist von zwei Wochen.

Abweichungen hiervon sind zuungunsten des Arbeitnehmers im Wesentlichen nur durch Tarifvertrag möglich.

13. Gibt es einen zwingenden klagbaren Anspruch auf Abfindungszahlung?

Außerhalb von zwingenden Regelungen in Sozialplänen und der Ausnahmevorschrift in § 1a KSchG bei betriebsbedingten Kündigungen und freiwilligem Abfindungsangebot des Arbeitgebers bei Klageverzicht besteht kein zwingender klagbarer Anspruch des Arbeitnehmers auf Abfindungszahlung. Weitere Ausnahme ist die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach §§ 9, 10 KSchG.

In Sozialplänen wird die Abfindung oft nach der Gewichtung der Sozialindikatoren Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Familienstand und gegebenenfalls Vorliegen einer Schwerbehinderung bemessen. Insofern ist es nach der Rechtsprechung des BAG zulässig, bei älteren Arbeitnehmern die Rentennähe zu berücksichtigen und damit Steigerungen wegen des Lebensalters zu deckeln oder gar abzuschmelzen.

14. Kann die Agentur für Arbeit Abfindungen auf das Arbeitslosengeld anrechnen?

Nach § 158 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB III können maximal 60 Prozent einer Abfindung im schlechtesten Fall mit den Leistungen der Agentur für Arbeit verrechnet werden bzw. in entsprechender Höhe einen Ruhenstatbestand für Leistungen der Agentur für Arbeit auslösen.

Aber: Die Abfindung wird bei einer nicht verhaltensbedingten Kündigung unter Einhaltung der jeweils individuell gültigen Kündigungsfrist grundsätzlich nicht auf das Arbeitslosengeld angerechnet.

Eine Sperrzeit droht nur, wenn der Arbeitsplatz leichtfertig aufs Spiel gesetzt wurde, um eine Abfindung zu erhalten. Sie kann bis zu zwölf Wochen betragen. Versteckte Entgeltansprüche in der Abfindung können zum Ruhen des ALG-Anspruchs führen.

AUSGABE: PP 4/2025, S. 8 · ID: 50318806

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