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PraxisangebotMit Bewegung zurück ins Leben: Sport bei Depressionen als Angebot in der Physiopraxis
| In den meisten Fällen liegt der Schwerpunkt physiotherapeutischer Behandlungen auf muskuloskelettalen oder inneren Erkrankungen. Aber wie sieht es eigentlich mit unserer Psyche aus? Aktuell sind in Deutschland so viele Menschen wie noch nie an Depressionen erkrankt. Zeit, einen Blick darauf zu werfen, was man physiotherapeutisch dagegen tun kann. |
Neuer Höchststand bei Neuerkrankungen
Der AOK zufolge wurde 2022 mit rund 9,5 Mio. Betroffenen, entsprechend einem Bevölkerungsanteil von etwa 11,5 Prozent, ein neuer Höchststand an Erkrankten erreicht. Zwar liegen muskuloskelettale Krankheitsbilder aktuell noch an erster Stelle, psychische Störungen haben in den vergangenen Jahren allerdings massiv aufgeholt und sich einen guten zweiten Platz gesichert. So lag die Prävalenz für Depressionen laut Ärzteblatt im Jahr 2000 noch bei 6 Prozent, sie hat sich also innerhalb von 25 Jahren fast verdoppelt.
Neben den natürlich schwierigen gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen verursachen Depressionen auch erhebliche volkswirtschaftliche Kosten. Ebenfalls laut AOK beliefen sich die direkten Behandlungskosten, einschließlich Therapie, Medikation und Krankenhausaufenthalten, im Jahr 2022 auf rund 9,5 Mrd. Euro. Hinzu kommen indirekte Kosten, wie etwa aufgrund von Fehltagen im Beruf oder Frühberentungen. Etwa 43 Prozent aller neu beantragten Erwerbsminderungsrenten sind derzeit auf Depressionen zurückzuführen.
Auch moderate Belastung kann laut Studien helfen
Natürlich ist einerseits eine psychotherapeutische Begleitung von primärer Bedeutung für die Betroffenen. Andererseits kann auch die Physiotherapie weiterhelfen, denn der aktuellen Datenlage zufolge, hat regelmäßige körperliche Aktivität positive Effekte auf die psychische Gesundheit, und das insbesondere im Falle von Depressionen. Studien zeigen, dass sowohl Ausdauer- als auch Krafttraining depressive Symptome signifikant reduzieren kann, wobei schon moderate Dosierungen positive Effekte zeitigen (iww.de/s12288 bzw. iww.de/s12289). Eine systematische Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2024 kommt zu dem Schluss, dass bereits 5.000 Schritte täglich ausreichen, um depressive Verstimmungen zu reduzieren (iww.de/s12290).
Die stimmungsaufhellende Wirkung von Sport wird unter anderem durch die Freisetzung von Endorphinen und die Förderung neuroplastischer Prozesse im Gehirn erklärt. Zudem kann körperliche Aktivität das Selbstwertgefühl steigern und soziale Interaktionen fördern, was ebenfalls die Stimmung aufhellt.
Praxistipp | Art und Intensität des Trainings sind derzeit noch Gegenstand der Forschung, empfohlen wird aber grundsätzlich ein individuell angepasstes Bewegungsprogramm, das vor allem Freude bereitet und langfristig motiviert. Es bleibt wichtig zu betonen, dass körperliche Aktivität immer nur eine flankierende Maßnahme zur Behandlung von manifesten Depressionen darstellen und nicht als Ersatz für eine psychotherapeutische Intervention dienen kann. |
STEP.De-Programm als Weiterbildung für Physiotherapeuten
Die einzige speziell auf Depressionen fokussierte Weiterbildung für Physiotherapeuten in Deutschland ist das STEP.De-Programm, das von Wissenschaftlern der Universität Potsdam entwickelt wurde (iww.de/s12292). In Zusammenarbeit mit Psychotherapeuten werden Patienten hier an eine Sporttherapie herangeführt, die mittlerweile von drei Krankenkassen übernommen wird. Die Weiterbildung zum zertifizierten STEP.De-Therapeuten ist für Sportwissenschaftler oder Physiotherapeuten vorgesehen, umfasst insgesamt 32 Unterrichtseinheiten, verteilt auf vier Module und wird nur an speziellen Sportzentren angeboten. Da unterschiedliche Zertifizierungen existieren, sind pauschale Aussagen zu anfallenden Kosten nicht auf der Website zu finden, sondern werden auf Anfrage bekannt gegeben.
So ist das STEP.De-Programm aufgebaut |
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Die Deutsche Gesellschaft für Sportpsychiatrie und -psychotherapie (DGSPP) bietet zudem eine Fortbildung „Grundlagen der psychischen Gesundheit im Leistungssport“ an, die sich explizit auch an Physiotherapeuten wendet, aber auf den leistungssportlichen Bereich fokussiert und drei Wochenendseminare umfasst (iww.de/s12293). Auch hier gibt es Informationen zu anfallenden Kosten derzeit nur auf Anfrage.
Kurse werden nur von einzelnen Krankenkassen übernommen
Wer das STEP.De-Programm anbieten möchte, muss zwei geschulte Therapeuten zur Verfügung stellen, darüber hinaus räumliche Voraussetzungen für eine Gruppentherapie mit bis zu zwölf Personen. Aktuell übernehmen nur BMW BKK, MKK sowie die Bahn BKK die Kosten für ihre Versicherten. Versicherte anderer Krankenkassen müssen die Kosten selbst tragen.
AUSGABE: PP 2/2025, S. 10 · ID: 50290136